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Intersolar: Sonnige Aussichten mit Kater

Gero Rueter15. Juni 2012

Die Stimmung ist gedämpft aber die Aussichten bleiben recht gut. Dank sinkender Preise gewinnt die Solarenergie weiter an Fahrt. Europa, das mit Deutschland die Nase vorn hat, wird aber an Bedeutung verlieren.

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Messe Intersolar 2012 *** Bilder von Gero Rueter, Juni 2012
Bild: DW

Die Turbulenzen in der Solarwirtschaft waren auch auf der weltgrößten Solarmesse Intersolar in München zu spüren. In den letzten Jahren wurden vor allem in China innerhalb kürzester Zeit große neue Fabriken für Solarmodule gebaut. Doch der internationale Absatz konnte nicht so schnell gesteigert werden. Zwar wurden 2011 rund 27 Gigawatt Solarkraft weltweit installiert, rund 65 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, doch die Produktionskapazität aller Modulfabriken ist doppelt so groß und beträgt rund 58 Gigawatt pro Jahr.

Diese Entwicklung hat Folgen. Die Preise für Solarmodule brechen drastisch ein, innerhalb eines Jahres fielen sie um über 40 Prozent. Dieser schnelle Preisverfall ist für die Zukunft der Solarkraft zwar gut, denn sie wird auch ohne Förderung zunehmend in vielen Ländern konkurrenzfähig. Doch für viele Modulhersteller, vor allem in Deutschland, führt dies zu einem großen Problem: Solarfabriken laufen nicht mehr rentabel, machen Verluste, Modulhersteller legen Produktionsstraßen still und gehen in die Insolvenz.

"Wir verbrennen alle Geld"

Auf der Intersolar war die Kater-Stimmung in der Photovoltaikbranche spürbar, es wird gespart. Die Stände sind nicht mehr so pompös, die Partys kleiner und einige Firmen kamen nicht mehr. Die Messe meldete einen Ausstellerrückgang bei deutschen Firmen von rund zehn Prozent und bei chinesischen Firmen sogar um 25 Prozent. "Wir deutschen Modulhersteller verbrennen derzeit alle Geld", sagt Willi Ernst, ein Pionier der deutschen und europäischen Solarwirtschaft und Beirat vom Modulhersteller Centrosolar gegenüber der Deutschen Welle. Zwar verkaufte sein Unternehmen sechs Prozent mehr Module im ersten Quartal 2012, doch wegen des starken Preisverfalls sank der Umsatz und die Produktion ist ein Verlust. Die Aktien von Centrosolar liegen im Keller und sind im Vergleich zur Boomzeit weniger als ein Zwanzigstel wert.Trotzdem bleibt Willi Ernst optimistisch, dass sein Unternehmen nach dieser Krise in zwei Jahren wieder gut da steht.

Solarpionier Willi Ernst von Centrosolar Fotograf: Gero Rueter, Juni 2012
Pionier Willi Ernst von Centrosolar bleibt trotzdem zuversichtlichBild: DW
Infografik Solarstrom auf steilem Wachstumspfad DEU DW-Grafik: Olof Pock Datum: 12.02.2012

Dass es in der Solarwirtschaft eine Konsolidierung geben würde, sagten einige Experten voraus. Dass die Preise für Solarmodule und damit für die Sonnenenergie so stark sinken, hatte allerdings keiner erwartet. Zusätzlich macht die Bundesregierung der Branche Probleme: Mit einer Gesetzesänderung will sie die Solarenergie in Deutschland stark abbremsen.

Es herrscht Verunsicherung auf der Intersolar. Deutschland, bislang wichtigster Absatzmarkt für die Module aus aller Welt, droht einzubrechen. Allein im letzten Jahr wurde mit einer neu installierten Leistung von 7,5 Gigawatt rund ein Drittel aller Solarkraftwerke in der Welt in Deutschland aufgestellt.

"Den bringe ich um!"

Es ist ein Kampf ums Überleben in der Photovoltaikbranche bei sonnigen Aussichten. Ein aufgeschnapptes Gespräch bei der Zugrückfahrt von der Intersolar spiegelt die Angespanntheit wieder. "Den bringe ich um", rief ein Mitreisender in sein Handy, "der hat alle meine Kontakte mitgenommen und macht mein Geschäft nun kaputt", schimpfte er über einen ehemaligen Branchen-Kollegen und heutigen Konkurrenten im Großraumwagen.

Zwar reagieren nicht alle reagieren so scharf und versuchen mit Innovationen und neuen Märkten zu bestehen. Doch vorsichtig sind inzwischen viele, auch gegenüber der deutschen Maschinenbauindustrie, die das Know-how bei der Entwicklung moderner Solarfabriken nach China verkauft.

Infografik Sonnenenergie senkt Stromkosten DEU DW-Grafik: Peter Steinmetz Datum: 06.06.2012

Neue Perspektiven

Der Preisverfall bei den Solarmodulen hat aber auch positive Seiten. In Deutschland ist der Solarstrom aus neuen Anlagen vom Haus oder Firmendach viel günstiger als vom Energieversorger. Für immer mehr Firmen und Kunden rentiert sich der eigene Solarstrom auch ohne den Verkauf ins Stromnetz. Und da die Preise für Module weiter sinken werden und weltweit die Strompreise für fossile Energie weiter steigen, öffnet sich zwangsläufig ein neuer und riesiger Markt.

Neu angeboten und mit viel Interesse aufgenommen werden deshalb auch Batteriespeicher, mit denen der Sonnenstrom vom Tag auch noch für weitere Abendstunden reicht. Auch kann durch eine intelligente Steuerung von Haushaltgeräten oder Industriemaschinen der Stromverbrauch so geregelt werden, dass diese vor allem dann laufen, wenn günstiger Sonnenstrom produziert wird.

Messe Intersolar 2012 *** Bilder von Gero Rueter, Juni 2012
Viel Interesse für BatterienBild: DW

Neue Perspektiven ergeben sich auch für große Solarparks. In einigen Ländern der Welt rentieren sie sich zunehmend und können sogar mit neuen Ölkraftwerken konkurrieren. In sonnenreichen Regionen produzieren sie Sonnenstrom schon für acht bis zehn Eurocent pro Kilowattstunde.

Auch der spanische Solarpionier Isofoton denkt in diese Richtung, verkauft Solarmodule für Privathäuser in Brasilien, die so ihre Stromkosten senken und plant große Solarparks in Ländern Lateinamerikas, ein bisher noch unerschlossenen Markt.

Isofoton- Vorstandsvorsitzende Angel Luis Serrano äußert sich gegenüber der Deutschen Welle optimistisch. Und gegenüber seinen deutschen Vorstandskollegen hat er eine wichtige Erfahrung voraus. Isofoton lieferte über Jahre viel für den heimischen, spanischen Markt. Doch die Regierung stoppte den spanischen Solarboom schon vor über drei Jahren. Dann kam für Isofoton die Krise und das drohende Aus. Isofoton steuerte um und liefert jetzt seine Module zu 95 Prozent ins Ausland.

Angel Luis Serrano (Mitte), Vorstandsvorsitzender von Isofoton, blickt nach Lateinamerika. Foto auf der Intersolar 2012. Foto: Gero Rueter
Angel Luis Serrano (Mitte) von Isofoton blickt nach LateinamerikaBild: DW