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Internationale Gemeinschaft scheitert an Syrien

Kersten Knipp, z.Zt. München2. Februar 2014

Wiederholt war Syrien Thema der Sicherheitskonferenz. Doch kontroverse Diskussionen blieben aus. Entscheidende Fragen blieben ohne Antwort. Am Ende stand das Eingeständnis des Scheiterns.

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München - Sicherheitskonferenz 2014
Bild: DW/R. Romaniec

Vielleicht bringt es ja Sotschi? Der Verweis auf die in Kürze beginnenden Winterspiele war einer der wenigen Lichtblicke in den ansonsten eher düster angehauchten Gesprächsrunden, die in München dem Bürgerkrieg in Syrien gewidmet waren. Sotschi also: die ohnmächtige Hoffnung, dass der Mythos Olympia, die Zeit, in denen Sportler aus aller Welt gegeneinander antreten, auch eine Zeit ohne Gewalt sein könnte. Zumindest in Syrien, zumindest ein paar gnädige Wochen lang. So wie einst in der Antike, als für die Dauer der Olympischen Spiele in Griechenland alle Waffen zu ruhen hatten.

Die Hoffnung, die die italienische Außenministerin Emma Bonino äußerte, offenbarte das gesamte Maß an Rat- und Hilfslosigkeit, in die die Internationale Gemeinschaft in der Syrienfrage geraten ist. Nach dem Scheitern der Verhandlungen von Montreux mochte niemand der auf den beiden Podien versammelten Politiker und Diplomaten ein rasches Ende der Gewalt in Syrien vorhersagen. Und auch der Ausblick in die ferne Zukunft brachte kaum Hofnung. Die Münchner Sicherheitskonferenz feiere den 50. Jahrestag ihrer Gründung, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davotuglo. Man stelle sich vor, woran man in 50 weiteren Jahren erinnern werde: "An das Jahr 2013, als die Internationale Staatengemeinschaft die gegen die Syrer verübten Giftgasangriffe nicht unterbinden konnte." Und noch etwas werde geschehen, prophezeite er: "Eines Tages wird es einen UN-Generalsekretär geben, der nach Homs geht und sich für die Nicht-Aktivität der UN entschuldigen wird."

Emma Bonino, Foto: Getty Images
Emma Bonino: Sotschi als Hoffnungsschimmer für Syrien?Bild: Getty Images

Rhetorische Fragen ersetzen sachlichen Ernst

Der saudische Prinz Turki Al Faisal, Direktor des Faisal Center for Research and Islamic Studies, hob zu einer Anklage an, in der keine Konfliktpartei ungeschoren davonkam: "Ich beschuldige Assad des Völkermordes und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ich beschuldige den Iran und die Hisbollah, die das Assad Regime unterstützen. Ich beschuldige auch dschihadistische Gruppierungen wie ISIL und die Nusra-Front der Verbrechen gegen die Menschlichkeit." Die "Anklageschrift" war damit noch nicht zu Ende: Auch der zu Syrien-Resolutionen offenbar unfähige UN-Sicherheitsrat fand sich darauf, ebenso sämtliche westliche Staaten mit Ausnahme Frankreichs, das sich an einem Militärschlag nach dem Chemiewaffeneinsatz gegen Assad wohl beteiligt hätte, wenn Obama seine Ankündigung tatsächlich umgesetzt hätte. Nur sein eigenes Land sowie Katar mochte Prinz Faisal nicht auf die Liste setzen.

Damit hatte er sich und das Publikum um eine Auseinandersetzung mit zumindest einigen der Gründe gebracht, die zum bisherigen Fiasko geführt hatten. Auch die anderen Diskutanten machten dies nicht wett. Ihre Entscheidung, die syrische Opposition nicht zu bewaffnen, begründen westliche Politiker bislang regelmäßig mit ihrer Sorge, die Waffen könnten den Falschen, also den Dschihadisten, in die Hände fallen. Zugleich fallen, wenn es um Unterstützung dschihadistischer Gruppen in Syrien geht, regelmäßig die Namen zweier Staaten: Saudi-Arabien und Katar. Aber nicht einmal der ebenso freundlich wie entschieden auftretende US-Senator John McCain mochte dieses Thema in Anwesenheit Prinz Faisals öffentlich aufgreifen. So blieb es dem Außenminister Katars, Khalid Mohammed Al-Attiyah, vorbehalten, sich dem Thema in wenigen Sätzen zu widmen. "Unterstützt Katar Extremisten in Syrien?", fragte er ganz offen in die Runde. Die Frage sei wichtig, bekannte er, um sie im Folgenden dann doch nicht zu beantworten. Die wesentliche Frage sei nämlich, wer die Terroristen in Syrien denn seien: "Sind es nicht die, die Rohr- und Fassbomben einsetzen?" Mit weiteren Beschreibungen zu den Gräueltaten des Assad-Regimes hatte sich die Frage nach der Finanzierung dschihadistischer Gruppierungen in Syrien für ihn dann erledigt.

Turki Al Faisal, Foto: Getty Images
Turki Al Faisal: "Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit"Bild: AFP/Getty Images

Keine Kontroversen

Eines fiel regelmäßig auf, wenn während der Sicherheitskonferenz über Syrien gesprochen wurde: Wortreich waren die Beiträge immer dann, wenn man das eigene Scheitern einräumte, offen bekannte, nicht mehr weiter zu wissen. Die Frage nach den Gründen des Scheiterns wurde entschieden schmallippiger diskutiert, jedenfalls dann, wenn es um die internationalen Akteure ging. Russland allein habe keinen hinreichenden Einfluss auf Assad, erklärte der russische Außenminister Lavrov - eine Einschätzung, die durchaus kontrovers hätte diskutiert werden können, der aber zumindest öffentlich niemand widersprechen wollte. Auch der iranische Außenminister Mohamad Javad Zarif äußerte sich am Rande des Panels zu den internationalen Atomverhandlungen zu Syrien. Auch sein Land leide unter dem Krieg und engagiere sich für Frieden in dem Land. Iran habe einen Waffenstillstand gefordert, die Botschaft in Damaskus tue alles, um humanitäre Hilfe nach Syrien zu bringen. Die entscheidende Frage sei aber die: "Wie können wir die, die auf der anderen Seite kämpfen und alles kontrollieren, dazu bringen, die Waffenruhe einzuhalten?" Diese Kämpfer, schloss er, seien nicht die, die in der Schweiz am Tisch säßen.

Die Verantwortung vor der Geschichte

Umso bedauerlicher war es, dass an den beiden Panels zu Syrien den Politikern aus dem Westen und von der arabischen Halbinsel keine Vertreter Irans und Russlands gegenübersaßen. Das hätte der Diskussion womöglich eine Schärfe in der Sache verliehen, die das Thema verdient hätte. Vielleicht, weil die konträren Diskussionen ausblieben, blieb es über weite Strecken beim Eingeständnis der eigenen Hilflosigkeit. Nachfolgende Generationen würden sich über den Syrienkrieg ihr eigenes Urteil bilden, bemerkte der türkische Außenminister Ahmet Davotuglo. "Und wir alle werden von der Geschichte zur Verantwortung gezogen."

Versammlungsbild Syrienkonferenz; Foto: UN Photo/Jean-Marc Ferré
Die Syrienkonferenz Ende Januar verlief ernüchterndBild: cc-by-nc-nd/UN Photo/Jean-Marc Ferré