1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Internationale Beobachter unerwünscht

Markus Plate9. Dezember 2008

Die Situation für Menschenrechtsarbeit in Kolumbien wird zunehmens rauher: im Oktober wurden drei internationale Beobachter des Landes verwiesen. Darunter auch die Deutsche Friederike Müller

https://p.dw.com/p/GCC7
Protestanten in Kolumbien - wie hier in Leticia - müssen immer mit Angriffen rechnenBild: DW

Herbst 2008: seit gut einem Monat streiken im Westen Kolumbiens die Zuckerarbeiter für bessere Arbeitsbedingungen. Trotz eines 15-Stunden-Tages auf den Plantagen verdienen sie nicht einmal den kolumbianischen Mindestlohn, während der Zucker den Unternehmern seit dem Bioethanol-Boom riesige Profite beschert. Dass die Proteste der Zuckerplantagenarbeiter in der Provinz Valle de Cauca international Erwähnung finden, liegt wohl kaum im Interesse der kolumbianischen Regierung. Statt mit Dialogbereitschaft antwortet der Staat mit Verhaftungen, tödlichen Schüssen und bezichtigt die Streikenden der Kollaboration mit der Guerilla - internationale Öffentlichkeit scheint da unerwünscht.

Schüsse statt Dialogbereitschaft

Die deutsche Menschenrechtsbeobachterin Friederike Müller hat dies persönlich erfahren: Ende Oktober wurde sie von der kolumbianischen Regierung ausgewiesen. Die kolumbianische Regierung wolle offenbar auf keinen Fall internationale Beobachter dabei haben, die Informationen oder Beobachtungen über die "sehr kritische Situation" nach draußen transportieren könnten. Friederike Müller hatte am 1. Oktober im Rahmen ihrer Menschenrechtsarbeit eine Demonstration der Zuckerplantagenarbeiter in der Provinzhauptstadt Cali begleitet. Nach den Kundgebungen im Zentrum von Cali hatte sie sich bereits von dem Demonstrationszug entfernt, als sie vom kolumbianischen Geheimdienst DAS mitgenommen und 19 Stunden lang festgehalten wurde. Anschließend wurde die Menschenrechtsbeobachterin nach Peru ausgewiesen. Sieben Jahre lang darf sie nicht mehr ins Land zurückkehren.

Friederike Müller
Die Menschenrechtlerin Friederike Müller - noch in Cali.Bild: ONDA Nachrichtenpool Lateinamerika

Beschimpfungen und Drohungen

Vier Tage nach Friederike Müllers Ausweisung kursierte eine Email, in der die Paramilitärgruppe „Aguilas Negras“ sämtliche Organisationen des kolumbianisch-europäischen Solidaritätsnetzwerkes „Red de Hermandad y Solidaridad“ namentlich mit dem Tod bedroht – ganz oben auf der Liste die Kolumbienkampagne Berlin. Doch was deren Mitarbeiter Kris Lengert in Bogotá am meisten beunruhigt sind weniger die Todeschwadronen, als die Worte des kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe Velez am 18. Oktober im Fernsehen. Er habe die ausgewiesenen Franzosen und Friederike beschuldigt, sie wäre in Valle de Cauca gewesen, um zur Gewalt aufzurufen. Müller hätte nicht hätten ausgewiesen werden sollen, sondern in Kolumbien selbst ins Gefängnis gesteckt werden sollen.

Jeder Kritiker ist Terrorist

Beobachter befürchten nun, dass die massive Repression im Land zunehmend auch internationale Menschenrechtsarbeit treffen und einschränken wird. Die Beschuldigungen des Präsidenten seien ein Indiz dafür. Denn, so Friederike Müller, es sei eine typische Reaktion des kolumbianischen Staates, dass Menschenrechtsaktivisten und die sozialen Bewegungen allgemein in Verbindung mit der Guerilla gebracht würden, um sie somit zu kriminalisieren und zu illegalisieren. Damit ermögliche man selbst militärische Maßnahmen gegen die Bewegungen. „Das gefährdet die Arbeit sowohl der internationelen als auch der nationalen Menschenrechtsbeobachter sehr“, sagt Müller.

Kolumbien Präsident Alvaro Uribe
Mit "harter Hand" gegen Kritiker - Präsident UribeBild: AP

Etwas Gutes können Kris Lengert und die anderen Menschenrechtler des Solidaritätsnetzwerkes den hitzköpfigen Angriffen des Staatspräsidenten jedoch abgewinnen: „Was wir durch unsere Urgent Actions nach der Ausweisung von Friederike an Aufmerksamkeit nicht erreichen konnten, das konnten wir durch die Angriffe auf die Ausgewiesenen durch Uribe selbst erreichen.“ So bekäme das Solidaritätnetzwerk in Kolumbien seit rund einer Woche „sehr viele Nachrichten und ganz viel Solidarität".