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Infraschall von Windrädern - eine Gefahr?

André Leslie11. Februar 2013

Gegner von Windparks in den USA und Kanada meinen, dass die fast unhörbaren Niederfrequenz-Geräusche von Windrädern schädlich sein können. Eine Gefahr für den Menschen? Deutsche Experten sind anderer Ansicht.

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Hinterkopf einer Frau vor einem Windrad (Foto: DW/A. Leslie)
Symbolbild Windkrafträder LärmbelästigungBild: DW/A. Leslie

Das stetige Rauschen der Rotorblätter eines Zwei-Megawatt-Windrades klingt zunächst einmal nicht besorgniserregend. Tatsächlich ist es sogar so, dass in dicht besiedelten Regionen, wie in Nordrhein-Westfalen, viel befahrene Straßen und Zuggleise um einiges lauter sind.

Doch neben dem Geräusch der schwingenden Rotorblätter produzieren die Turbinen auch andere Geräusche, die aufgrund ihrer niedrigen Tonfrequenz nicht vom menschlichen Ohr wahrgenommen werden: Von diesen Niederfrequenz-Geräuschen, sogenanntem Infraschall, sagen die Windpark-Anwohner, dass sie krank machen.

Detlef Piorr ist Experte für Schallanalyse beim nordrhein-westfälischen Umweltamt in Essen. Über Jahre hinweg haben er und seine Kollegen Infraschallschwingungen aufgezeichnet und analysiert. "Bei Windkraftanlagen kann man mit guter Messtechnik nachweisen, wie der Infraschallpegel ist. Er liegt deutlich unterhalb der Wahrnehmungsgrenze des Menschen", so Piorr. Aus diesem Grund spiele es für deutsche Windkraftanlagen auch keine Rolle, da das, was weit unter der Wahrnehmungsgrenze liegt, keine Wirkung habe, erklärt der Experte.

Eine Frage der Frequenz

Ob Menschen einen Ton wahrnehmen können, hängt von zwei Faktoren ab: Lautstärke und Frequenz. Da Infraschall eine derartig niedrige Frequenz besitzt, müsste er demnach extrem laut wiedergegeben werden, um fürs menschliche Ohr hörbar zu sein.

Detlef Piorr, Schallexperte beim Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen (Foto: DW/André Leslie)
Detlef Piorr analysiert die Geräusche von Windrädern seit über 30 JahrenBild: DW/André Leslie

In den USA hat jüngst ein Team von Tonexperten damit begonnen, Infraschall-Proben aufzuzeichnen. Während der Tests in der Nähe von Windrädern klagten sie über Schwindelgefühl, Übelkeit und Konzentrationsprobleme - Symptome, die erst beim Verlassen des Windparks wieder nachließen.

In Deutschland existieren strenge behördliche Regelungen darüber, wie viel Niederfrequenzlärm von Einrichtungen wie Windrädern zulässig ist. Demnach müssen beispielsweise Töne, die bei zehn Hertz liegen, erst eine Lautstärke von 95 Dezibel erreichen, bevor sie als problematisch erachtet werden. Zum Vergleich: Der Pegel einer normalen Unterhaltung liegt bei etwa 60 Dezibel.

Auch Detlef Piorr betrachtet die Ergebnisse der US-Forscher aufmerksam. Doch die Probleme, sagt er, kämen nicht nur aus dem Niederfrequenzbereich: "Ich weiß aufgrund von Beschwerden, dass es in solchen Fällen oft nicht nur der Infraschall ist, sondern auch die ganz normalen Geräusche, die von den Turbinen zu hören waren."

Vorsichtig optimistisch

Auch bei der Vensys Energy AG, einem Windradhersteller im Südwesten Deutschlands, ist man mit den relevanten deutschen Infraschall-Studien vertraut. Firmenchef Jürgen Rinck sagt, er sei davon überzeugt, der Infraschall der Windräder sei zu schwach, um bei Menschen Probleme hervorzurufen.

"Natürlich wird viel rumdiskutiert", sagte Rinck im Interview mit der DW. "Infraschall hört sich erst mal gefährlich an, weil man ihn nicht richtig wahrnehmen kann. Das weckt natürlich gewisse Ängste."

Jürgen Rinck, Firmenchef der Vensys Energy AG (Foto: DW/André Leslie)
Jürgen Rinck, Firmenchef der Vensys Energy AGBild: DW/André Leslie

Dennoch besteht laut Rinck kein Grund zur Sorge: "Als schädigend hat man bis jetzt eigentlich nur Infraschall nachweisen können, wenn er bei sehr, sehr hohen Dezibel-Werten liegt, etwa bei 170."

Doch die US-Forscher widersprechen dem: Es gebe Studien, nach denen Infraschall bereits bei 60 Dezibel Symptome wie Schwindel und Schlaflosigkeit hervorruft.

Anwohner sind besorgt

In der Gegend um Essen säumen Windräder ganze Autobahnabschnitte und zeitgleich - mit Deutschlands schrittweisem Atomkraftausstieg - werden in der gesamten Republik Windparks gebaut. Eine Anwohnerin führt ihren Hund in der Nähe der Windräder spazieren. Die Geräusche höre sie manchmal sogar bis zu sich nach Hause: "Es ist permanent da, unterschwellig. Ich höre das erst, wenn ich wach werde, und dann merke ich, dass irgendwas da ist, und dann ist es permanent präsent."

Die meisten Anwohner hier haben bisher nichts von Infraschall gehört. Vielmehr sei man besorgt über die hörbaren Geräusche und darüber, dass die Schatten der Rotorblätter möglicherweise Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnten.

Windräder und Solarmodule (Foto: picture alliance/dpa)
Bis 2020 will Deutschland 35 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien beziehenBild: picture-alliance

So oder so, die deutschen Behörden würden die Sache auf jeden Fall weiterhin ernst nehmen, so Detlef Piorr: "Es ist nicht so, dass man in Deutschland blind ist und sagt, wir betrachten das nie mehr. Das, was an neuen Erkenntnissen da ist, wird gefiltert, und wenn man damit eine neue Fragestellung hätte, würden auch die Universitäten entsprechende Gelder bekommen, dass sie dann weiter forschen können."

Bis dahin nimmt die deutsche Regierung auch die Ergebnisse der US-Forscher ernst: Das Bundesumweltamt hat ein neues Forschungsprojekt ins Leben gerufen, das sich mit den Auswirkungen des Infraschalls von Windkraftanlagen befasst. Wann hier mit Ergebnissen zu rechnen ist, steht jedoch noch nicht fest.