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Indiens Textil-Industrie in der Krise

14. April 2011

Steigende Baumwollpreise und die Schließung vieler Färbereien treffen Indiens Textilindustrie hart. In der südindischen Stadt Tirupur wächst die Sorge um Exporte und Arbeitsplätze.

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Nur wenige Textilfirmen produzieren noch in Tirupur, viele wurden geschlossen (Foto: Pia Chandavarkar / DW)
Nur wenige Textilfirmen produzieren noch in Tirupur, viele wurden geschlossenBild: DW

Sangeetha Venkatesh ist nicht freiwillig Hausfrau. Sie wurde vor kurzem arbeitslos, als viele Textil-Färbereien in der Industriestadt Tirupur schließen mussten. Erst vier Jahre zuvor war die Familie nach Tirupur gezogen. Dort fanden Sangeetha, ihr Mann und ihr Schwiegervater Beschäftigung in einer Färberei.

Sangeetha Venkatesh verlor ihren Job durch die Krise in der indischen Textilindustrie (Foto: Pia Chandavarkar / DW)
Sangeetha Venkatesh verlor ihren Job durch die Krise in der indischen TextilindustrieBild: DW

Doch nachdem die Färberei geschlossen wurde, zog Sangheeta mit ihrem Mann Prabhu und der Familie zurück ihr Heimatdorf. Prabhu fand als einziger dort wieder Arbeit. "Früher waren wir drei Verdiener in der Familie, doch jetzt muss mein Mann allein uns und seine Eltern versorgen", berichtet Sangeetha. "Wir müssen jetzt jede Ausgabe doppelt überdenken", fügt sie hinzu. Das betreffe auch die Schulgebühren für ihren sechsjährigen Sohn.

Baumwollpreise steigen

Ausfälle bei der diesjährigen Baumwoll-Ernte und die Entscheidung der indischen Regierung, dennoch Baumwoll-Exporte zuzulassen, haben zu einer Verdopplung der Preise für Roh-Baumwolle geführt. Die Garnpreise stiegen um 70 Prozent. Dies führte zu einem Anstieg der gesamten Produktionskosten.

Exportunternehmen fürchten nun, dass sie Kundenaufträge in Höhe von rund 500.000 Millionen Euro – die meisten aus den USA und Europa – nicht erfüllen können. Sie fürchten, das Geschäft an Konkurrenten in China und Bangladesch zu verlieren. Viele Betriebe in Indien stehen kurz vor der Schließung. Die Jobs von tausenden lokalen Angestellten und Wanderarbeitern sind gefährdet

Gift-Abwässer verschmutzen die Flüsse

Wie Sangeethas Familie sind rund eine halbe Million Arbeiter aus ganz Indien nach Tirupur geströmt, angezogen von den Export-Erfolgen der Bekleidungsindustrie. In nur wenigen Jahrzehnten entstanden in Tirupur tausende von Spinnereien, Strickwaren- und Konfektions-Fabriken, Stoff-Druckereien, -Färbereien und andere damit verbundene Industriezweige. Die Stadt wurde zur Drehscheibe der indischen Textilexporte.

Der Noyyal Fluss ist durch Gift Abwässer aus den Färbereien schwer belastet (Foto: Pia Chandavarkar / DW)
Der Noyyal Fluss ist durch Gift Abwässer aus den Färbereien schwer belastetBild: DW

Doch die Herstellung einer wachsenden Masse von Bekleidung in Exportqualität hat einen hohen Preis. Beim Färben der Stoffe, einem Schlüsselprozess in der Produktionskette, entstehen Tonnen von giftigen Abwässern. Jahrelang wurden sie bedenkenlos in den lokalen Noyyal-Fluß geleitet. Heute ist der Fluss mit Schadstoffen verseucht und unbrauchbar für andere Zwecke, wie zum Beispiel Bewässerung.

Auf Erlass des Obersten Gerichts hat die staatliche Schadstoff-Kontrollbehörde 750 Färbereien geschlossen. "Das hat dem Geschäft der Exportunternehmen schweren Schaden zugefügt, nachdem es ohnehin schon mit den steigenden Baumwoll-Preisen zu kämpfen hatte", sagt Reuben Swamidoss, Besitzer von Century Apparels, einer Exportfirma mit Sitz in Tirupur. "Und es schafft eine große Unsicherheit."

Viele Färbereien liegen brach seit sie Auf Erlass des Obersten Gerichts geschlossen wurden (Foto: Pia Chandavarkar / DW)
Viele Färbereien liegen brach seit sie Auf Erlass des Obersten Gerichts geschlossen wurdenBild: DW

Fabriken fahren Produktion herunter

Im Jahr 2005 war eine ähnliche Anweisung des Obersten Gerichts verhindert worden, weil die Färbereien der Regierung versichert hatten, dass sie in Technologien zur Reinigung der Abwässer investieren wollten. Doch während viele Färbereien Wasseraufbereitungs-Anlagen aufbauten, leiteten andere die Abwässer weitherhin illegal in die Flüsse.

Heute sagen Färberei-Besitzer, dass es praktisch unmöglich ist, das Wasser hundertprozentig zu reinigen, auch wenn die Regierung den Betrieb der Wasserreinigungs-Anlagen subventioniert. Die Fabriken, die immer noch in Betrieb sind, sehen sich nun gezwungen, ihre Produktion herunterzufahren und unterhalb der eigentlichen Kapazität zu arbeiten.

Reinigungsanlagen für verschmutzte Abwässer sind eine teure Investition (Foto: Pia Chandavarkar / DW)
Reinigungsanlagen für verschmutzte Abwässer sind eine teure InvestitionBild: DW

Färberei-Chef Barath Balu aus Tirupur berichtet, dass viele Betriebe Kredite bei der Bank aufgenommen haben, zusätzlich zu den Subventionen und Vergünstigungen der Regierung. "Sie müssen nun die Kredite und die Zinsen zurückzahlen. Doch das ist unmöglich, wenn die Industrie keine Profite mehr abwirft", so Balu.

Die Färberei-Industrie hofft nun, dass die Regierung den Betrieb der Reinigungsanlagen komplett übernimmt. Solange eine langfristige Lösung nicht in Sicht ist, bleibt die Zukunft unsicher für Indiens Textil-Exporteure und für tausende von Textilarbeitern.

Autorin: Pia Chandavarkar
Redaktion: Anne Thomas / Ana Lehmann