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Etwas Hoffnung in Griechenland

Bernd Riegert (Athen)11. März 2014

Die griechische Regierung ist optimistisch, dass es bald wieder aufwärts geht. Ist das Gesundbeterei oder ist ein Ende der Krise wirklich in Sicht? Die Stimmung in Athen ist eher skeptisch.

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Arbeitsloser sitzt auf dem belebten Omonia-Platz in Athen (Foto: DW)
Warten auf bessere Zeiten: Arbeitsloser Grieche auf dem Omonia-Platz in AthenBild: DW/Bernd Riegert

Auf der Getränke- und Lebensmittelmesse in der Nähe des Athener Flughafens bieten griechische Unternehmen und auch internationale Konzerne ihre neuesten Produktkreationen an. Die Messestände in der modernen Halle sind schick und gut besucht. Geschäfte werden angebahnt. Es sieht so aus wie in vielen Messehallen in Europa. Wo ist die Krise, die Griechenland seit 2008 in einer Rezession festhält?

Die Talsohle, so mutmaßt der Bierbrauer Athanasios Syrianos, könnte erreicht sein. Die positiven Meldungen, die die griechische Regierung über einen bevorstehenden Aufschwung verbreitet, sieht der mittelständische Brauereibesitzer aus Atalanta allerdings skeptisch. "Ich glaube, es wird jetzt nicht schnell besser, aber ich glaube auch nicht, dass es viel schlechter werden kann", sagt der Unternehmer, der in Deutschland ausgebildet wurde. Sein Betrieb hat die Krise einigermaßen gut überstanden. Der Biermarkt sei nicht - so wie viele andere Märkte - zusammengebrochen. Im Gegenteil: Die Griechen würden sich von den Marken der internationalen Konzerne aus Belgien oder den Niederlanden eher abwenden. "Dadurch, dass wir eine griechische Brauerei sind und die Konsumenten erschüttert sind von der Krise, suchen sie andere Produkte. Unsere Produkte werden bevorzugt. Das heißt, wir haben eine Umsatzsteigerung von 22 Prozent gehabt im Vorjahr." Auch in diesem Jahr soll der Umsatz im zweistelligen Bereich wachsen.

Kreditklemme und Arbeitslosigkeit

Athanasios Syrianos (Foto: DW)
Syrianos: Keine Kredite von griechischen BankenBild: DW/Bernd Riegert

Athanasios Syrianos ist auch Vizepräsident der deutsch-griechischen Handelskammer in Athen. Er sieht zwei große Probleme für die griechischen Unternehmen. Zum einen sei die Steuerlast enorm angestiegen, weil der Staat in der Krise seine Einnahmen steigern musste, zum anderen würden die Banken viel zu wenige Kredite an die Wirtschaft vergeben. "Ein nicht funktionierendes Bankensystem, das scheint mir bei vielen und auch bei uns im Moment das größte und zentralste Problem zu sein. Wir kriegen die Finanzierungen nicht, um zu investieren." Für seine Brauerei hat sich Syrianos mit Hilfe von deutschen Hermes-Kreditbürgschaften des Staates Geld bei einer Bank in Luxemburg besorgt. Bei griechischen Banken blitzte er trotz guter Zahlen ab.

In der Athener Innenstadt, in der Nähe des verkehrsreichen Omnios-Platzes, wo viele Einwanderer - legale wie illegale - leben, hat die "Griechenland-Zeitung" ihre Redaktionsräume. Seit zwanzig Jahren schreibt Jan Hübel für die einzige deutschsprachige Zeitung in Griechenland. Mitherausgeber Hübel sieht nach sechs Jahren der Krise einen ganz leichten Hoffnungsschimmer. "Man beobachtet auf den Straßen deutlich mehr Leute, die auch einkaufen. Die Geschäfte füllen sich langsam wieder, und natürlich guckt man jetzt mehr nach den Preisen und kauft nicht irgendetwas", so Hübel. Die Wirtschaftskrise habe viele Familien sehr belastet. Die Arbeitslosenquote liegt bei 27 Prozent. In der Stadt sind viel mehr Obdachlose zu sehen als früher. Selbst in früher gut situierten Vierteln machten Armen-Küchen auf.

Familien verarmen

"Wir stellen eine zunehmende Verarmung der Gesellschaft fest. Wir stellen insbesondere fest, dass Familien von Armut betroffen sind", so Christos Katsioulis, Büroleiter der SPD-nahen "Friedrich-Ebert-Stiftung". Arbeitslosenhilfe und Krankenversicherung fallen nach zwölf Monaten weg. Danach gibt es kein staatliches Sozialnetz mehr, so Katsioulis. "Diese Familien sind darauf angewiesen, von ihrer weiteren Familie oder von Nachbarn unterstützt zu werden. Oder sie fallen ins Bodenlose. Das hat die schon vorher vorhandene Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich noch einmal verstärkt." Die Stimmung in der Bevölkerung schätzt Katsioulis "verhalten pessimistisch" ein. Keiner glaube so recht an einen bevorstehenden Aufschwung, den Regierung und Medien zu Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Griechenlands verkündet haben.

Christos Katsioulis (Foto: DW)
Christos Katsioulis von der Friedrich-Ebert-StiftungBild: DW/Bernd Riegert

Dem Unternehmer Athanasios Syrianos ist klar, dass vor allem Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. "Die Arbeitslosigkeit stellt das größte Problem der griechischen Wirtschaft dar. So wie die Kreditklemme ein Problem für die Unternehmen darstellt, ist die Einkommensquelle versiegt für jemanden, der nur seine Arbeitskraft hat." Der griechische Staat will mit Hilfe der EU Beschäftigungsprogramme auflegen, um einige hunderttausend Jobs zu schaffen. So richtig angelaufen ist das Programm noch nicht. Reformen dauern lange, und das liege nicht immer an unwilligen Beamten, glaubt Christos Katsioulis von der '"Friedrich-Ebert-Stiftung": "Auch die Verwaltung hat das Problem, dass sich der gesetzliche Rahmen für so viele Dinge in Griechenland so schnell verändert, dass sie gar nicht mehr nachkommt oder immer damit beschäftigt ist, die Verwaltungsvorschriften dem jeweiligen Stand anzupassen. Das kostet Zeit und Energie und macht es schwieriger, als Dienstleister für die Wirtschaft und den Bürger zu fungieren."

Leere Werbetafeln an der Autobahn von Athen in Richtung Internationaler Flughafen (Foto: DW)
Zeichen der Krise: Leere Werbetafeln an der Autobahn. Keine Werbung, kein Verkauf, kein UmsatzBild: DW/Bernd Riegert

Reformen brauchen Zeit

Die Steuerverwaltung zum Beispiel, erzählt ein Versicherungs-Unternehmer, der anonym bleiben möchte, sei immer noch eine Katastrophe. Bestechung sei an der Tagesordnung, um die Steuerschuld zu mindern oder eine Steuerprüfung zu vermeiden. Das habe er selbst mehrfach erlebt, behauptet der Geschäftsmann. Der griechische Minister für Verwaltungsreform, Kyriakos Mitsotakis, gab auf einer Diskussionsveranstaltung freimütig zu, dass Korruption und Steuerbetrug in Griechenland heute an der Tagesordnung seien. Das abzustellen, werde Jahre dauern, so Mitsotakis. Jan Hübel von der Griechenland-Zeitung stimmt zu. "Das wird noch eine ganze Weile dauern, ehe sich auch die Moral der Menschen ändert, ehe auch jedem einzelnen bewusst wird, dass es für den Bürger gut ist, wenn auch wirklich jeder Steuern zahlt. Bisher war es in den letzten 25 Jahren eigentlich immer so, dass es eine Art Sport gewesen ist, wer den Staat am besten betrügen kann."

"Retter aus Europa haben versagt"

Wie viele Griechen ist auch der Brauerei-Besitzer Athanisios Syrianos sicher, dass die Troika, also die Kassenprüfer von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds, die wirklichen Probleme unterschätzt haben. Die Rezepte der Troika hätten die Rezession und die Massenarbeitslosigkeit verstärkt. Viel früher hätte die Troika auf einer Verkleinerung des viel zu großen Staatsapparats bestehen müssen, findet der Unternehmer. "Ich würde sagen, die ersten drei Jahre waren vollkommen vertan, falsch und zögerlich. Das lag mit Sicherheit nicht nur am Patienten, der griechischen Wirtschaft und der griechischen Politik, sondern das lag auch an dem Arzt, an den Doktoren, die hier zu Werke gegangen sind." Man dürfe nicht nur auf Hilfe von außen hoffen. Griechenland habe Potenzial. Syrianos will zum Bespiel mit einem neuen Lifestyle-Bier, in dem eine Olive schwimmt, auch die Exportmärkte in den USA, der Türkei und Europa erobern.