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Im Zentrum der Buchdruckerkunst

Gudrun Stegen20. Mai 2012

Eine Erfindung revolutionierte um 1450 die Welt: Johannes Gutenberg schuf gegossene Metallbuchstaben und ermöglichte so den Buchdruck. Das Gutenberg-Museum in Mainz gilt als Weltmuseum der Druckkunst.

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Buchdruck: - Einrichtung einer Zeitungsdruckerei mit einer Handpresse, Deutschland, 18. Jahrhundert.
Handpresse in einer ZeitungsdruckereiBild: picture-alliance/akg-images

Mitten in der Mainzer Altstadt, direkt gegenüber dem Dom, residiert das Gutenberg-Museum in dem Haus "Zum Römischen Kaiser", einem Gebäude aus der Spätrenaissance. Aber die historische Fassade täuscht. Durch eine schmale Toreinfahrt werden die Besucher wieder aus dem alten Gebäude hinaus geführt. Die Überraschung ist perfekt. Ich stehe vor einer farbenfroh-leuchtenden Medienfassade: "Moving Types – Lettern in Bewegung" ist da zu lesen. Es ist eine der beiden großen Sonderausstellungen, die das Gutenberg-Museum derzeit in einem angegliederten Neubau präsentiert.

Von beweglichen Lettern zum Datenregen

Museumsdirektorin Annette Ludwig begleitet mich. Wir erklimmen etliche Treppen und kommen in einen Raum, der an ein futuristisches Einrichtungshaus erinnert, die sogenannte Medienlounge. An einem Gewirr von dünnen Stahlfäden hängen unzählige Leuchtwürfel. Annette Ludwig greift zu einem der iPads, die hier für die Besucher ausliegen, und tritt damit den Leuchtkuben entgegen. Mittels QR-Tags, dieser kleinen verschlüsselten Pixelbilder, könne der Besucher Musikvideos, Filmtitel und Infografiken abrufen, erklärt sie. Es sei ein Gang durch die Mediengeschichte vom Stummfilmzeitalter bis in die Gegenwart, mit Buchstaben, die tanzen, mit Videoclips, Werbung und künstlerischen Experimenten. Die Ausstellung zeige, wie sich die Schrift von einem statischen Medium zu einem bewegten Medium entwickelt habe, so die Museumsdirektorin.

Medienfassade des Gutenberg-Museums, Foto:Martina Pipprich
Ausstellung: "Moving Types"Bild: Gutenberg-Museum/Martina Pipprich
Moving Types – Lettern in Bewegung Bewegte Typografie: Eine Retrospektive von den Anfängen des Films bis heute .
Über diese QR-Types können die Besucher per iPad Videos abrufenBild: Pilar Serrano Celma

Das eigentliche Highlight befindet sich allerdings draußen. Es ist die Bespielung der Fassade des Gutenberg-Museums mit tanzenden Buchstaben. Hier können die Besucher mittels SMS-Botschaften interaktiv an der Gestaltung der Medienfassade mitwirken – eine besondere Variante der "bewegten Lettern". 

Typografie und Politik

"On-TYPE" ist der Titel der zweiten Sonderausstellung, die im Gutenberg-Museum zu sehen ist. Der Saal, den wir jetzt betreten, wird von fast raumhohen Schrifttafeln mit großen gelben Buchstaben dominiert, an den Wänden Klassiker der Typografiegeschichte des 20. Jahrhunderts. Die Wahl von Schrifttypen sei nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern sie transportiere in erster Linie Inhalte, erklärt die Museumsleiterin und greift nach einem besonders markanten Beispiel, einem Buch in sogenannter "deutscher Schrift". Diese Typografie sei keineswegs neutral, sondern verdeutliche vor allem die machtpolitische Instrumentalisierung von Schrift, gerade in Deutschland. Bekanntlich wurden diese Schriftzeichen von den Nationalsozialisten ideologisch aufgeladen. Aber jede Schrift habe ihren ganz eigenen Charakter, der unweigerlich die dazugehörigen Vorstellungen wecke, so Annette Ludwig.

Die Ausstellung »ON–TYPE: Texte zur Typografie« präsentiert Klassiker der Typografiegeschichte des 20. Jahrhunderts und aktuelle Beispiele, auch aus den Beständen des Gutenberg-Museum Mainz und der Gutenberg-Bibliothek. Zum ersten Mal wird eine Sammlung von Grundlagentexten über die Schrift­gestaltung zusammengestellt und den Besuchern vorgestellt.
Ausstellung: "ON–TYPE"Bild: Gutenberg-Museum Mainz

"Mann des Jahrtausends"

Wer war dieser Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, dem die Stadt Mainz ein eigenes Museum gewidmet hat und der bis heute als der Erfinder des Buchdrucks gilt? Der clevere Geschäftsmann hatte eine Marktlücke entdeckt: Er entwickelte bewegliche Metall-Lettern, die beliebig zusammen gefügt werden konnten. Und da er auch ein versierter Handwerker und gleichzeitig ein risikobereiter Unternehmer war, baute er die hierfür nötige Druckerpresse gleich mit dazu. Seine Erfindung löste die bis dahin üblichen Methoden der Buchproduktion ab und setzte in Europa eine Medienrevolution in Gang, ohne die die moderne Welt nicht denkbar wäre. Geboren wurde er um 1400 in Mainz. Aus Anlass seines 500. Geburtstags entschieden sich Mainzer Bürger, dem berühmtesten Sohn ihrer Stadt ein Museum zu widmen. 1901 wurde das Gutenberg-Museum feierlich eröffnet. Es ist eines der ältesten Druckmuseen der Welt, das jährlich über 100.000 Besucher zählt. Auf rund 3000 Quadratmetern werden die technischen und künstlerischen Errungenschaften Gutenbergs gezeigt, der heute als "Mann des Jahrtausends" gefeiert wird.

Johannes Gutenberg, Kupferstich nach André Thevet, 1584
Johannes GutenbergBild: Gutenberg-Museum

Schätze der Buchdruckerkunst

Wir sind jetzt in den historischen Räumen des Museums angekommen. Eine der Hauptattraktionen hier ist die rekonstruierte "Gutenberg-Werkstatt" in den unteren Räumen des Museums. Am Nachbau einer Druckpresse werden das Schriftgießen, Setzen und Drucken mit den bleiernen Buchstaben anschaulich demonstriert – ein Magnet vor allem für Schulklassen. Gebannt hören auch schon jüngere Schüler zu, wenn sie "live" miterleben, wie zu Gutenbergs Zeiten die eisernen Druckerpressen in Gang gesetzt wurden. Durch den historischen Teil des Museums begleitet mich Claus Maywald. Er kuratiert die Sammlungen von Druckkunst aus Asien, führt mich aber zunächst zu den Exponaten aus Europa.

Gutenberg / Schulwandbild um 1960 Gutenberg, Johannes Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, um 1397 - Mainz 3.2.1468. - 'Anfang der Buchdruckerkunst'. - Schulwandbild. Farbdruck nach unbez. Aquarell, o.O.u.J. (um 1960). Dortmund, Westfaelisches Schulmuseum. E: Gutenberg / School Poster / c.1960 Gutenberg, Johannes Inventor of the printing press with movable type. c.1397 - Mainz 3.2.1468. - 'The beginning of book printing.' - School poster. Col.print after unsigned watercolour, no location or date (c.1960). Dortmund, Westfaelisches Schulmuseum.
Die Gutenberg- Werkstatt in einer Darstellung von 1960Bild: picture-alliance / akg-images
Die Gutenberg-Bibel, ausgestellt in der Universitätsbibliothek in Göttingen am Freitag, 1. Februar 2002. Die Göttinger Gutenberg-Bibel ist offiziell in das UNESCO-Register " Gedächtnis der Menschheit" aufgenommen und zum Bestandteil des Weltdokumentenerbes erklärt worden.
Im Tresor des Museums: die Gutenberg-BibelBild: AP

"Das Gutenberg-Museum ist nicht nur Gutenberg. Wir sind mehrere Museen in einem", erklärt er. Das Spannendste sei schon die Bibel, in der zum ersten Mal 42 Zeilen auf eine Seite passten. Diese Bibel gilt als Gutenbergs Meisterwerk. Zusammen mit 20 Mitabeitern schuf Gutenberg viele verschiedene Figuren, farbige Initialen und Zeichen. Das zweibändige Werk mit 1282 Seiten sei ein so perfekter Druck, dass sich moderne Drucker noch etwas abgucken könnten, was die Satzgestaltung und das layout angeht, so der Kurator.

Kunstvolle Schriften aus Asien

Aber das Gutenberg-Museum bietet noch mehr. Wieder geht es einigeTreppen hinauf und wir stehen plötzlich vor einem überlebensgroßen eisernen Wächter, der milde lächelnd auf die Besucher herab schaut. Er gibt den Weg frei zur Schatzkammer mit Schriften aus China, Japan und Korea. Die Räume hinter ihm sind in Dunkel gehüllt, Spots richten sich auf einzelne Objekte: eine Dharani-Sutra-Rolle aus Japan, eine mit einem Holzstock gedruckte buddhistische Textrolle aus dem 8. Jahrhundert gehöre zum Urgestein der ostasiatischen Druckgeschichte, erklärt mein Begleiter.

" Kufi Blatt". "Einzelblatt einer Koranhandschrift auf Pergament Sure 33 Vers 12 Kufi Duktus 9. Jahrhundert
Koranhandschrift auf Pergament aus dem 9. JahrhundertBild: Gutenberg-Museum Mainz

Aus dem arabischen Raum gibt es einen Blockdruck aus dem 15. Jahrhundert. Er ist einer der wenigen noch erhaltenen Stücke dieser Art. Aus China kommt ein Setzerrad aus den 1920er Jahren. Auch wenn man über die Herkunft der Druckkunst in Asien und Europa unterschiedlicher Auffassung sei, bestehe eine enge Zusammenarbeit, erklärt Claus Maywald. Die Koreaner und Chinesen präsentierten in ihren Ländern auch die Arbeiten von Gutenberg und es habe schon gemeinsame Ausstellungen gegeben. Und der Kurator erklärt weiter, dass die Buchdruckerkunst zeitlich früher in den ostasiatischen Ländern bekannt gewesen sei. Sie sei an verschiedenen Punkten entstanden, aber dann von Mainz aus in die Welt gegangen. Heute sind Meisterwerke aus allen Zentren der Druckkunst im Gutenberg-Museum zu sehen. Welche Bedeutung Gutenbergs Metallbuchstaben für die Entwicklung der Schrift-  und Medienkultur des 21. Jahrhunderts haben, ist in aktuellen Ausstellungen regelmäßig zu erleben.