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Auf zur "Lola"

Annabelle Steffes27. März 2014

Ein amerikanischer Basketballer in Iran und ein einstiger Marathonläufer im Altenheim: Zwei Sportler, zwei Helden, zwei Filme im Rennen um die Nominierung für den deutschen Filmpreis Lola am 28. März.

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Film The Iran Job
Bild: DW/A. Steffes

Der deutsche Filmpreis ist der am höchsten dotierte Kulturpreis in Deutschland überhaupt. Die Nominierungen an sich sind schon ein Ereignis, weil die Filme - ähnlich wie bei den Oscars - im Lichte der Öffentlichkeit stehen, besonders von Kritik und Publikum beachtet werden.

Die nominierten Werke waren in den vergangenen Monaten in den deutschen Kinos zu sehen. Bei der Berlinale im Februar machte eine eigens konzipierte Lola-Reihe Filmeinkäufer und -Experten aus aller Welt mit dem aktuellen deutschen Kino vertraut. Jetzt steigt die Spannung: Am Freitag (28.3.2014) gibt die Deutsche Filmakademie ihre Auswahl bekannt.

Eine große Auszeichnung

Szenenbild Film Sein letztes Rennen
Ein starkes Paar: Margot (T. Seibt) und Paul (D. Hallervorden) in "Sein Letztes Rennen"Bild: Universum Film

Im Bereich Spielfilm wurden 20 Werke vornominiert, bei den Dokumentationen waren es fünf. Wir haben zwei Regisseure gesprochen, die sich in den Sparten Spiel- und Dokumentarfilm Hoffnungen auf einen Preis machen können. Regisseur Till Schauder tritt mit der Dokumentation "The Iran Job" über einen US-Basketballspieler in Iran an. Kilian Riedhof mit der Tragikomödie - ein berührendes Drama über das Älterwerden mit dem bekannten Komiker Dieter Hallervorden.

"Wenn wir wirklich in die Endauswahl kommen, ist das eine sehr große Auszeichnung und etwas ganz Besonderes", so Hallervorden. Der Regisseur von "The Iran Job", Till Schauder, sagt, er habe nie mit einer Vornominierung gerechnet und freue sich jetzt vor allem für seinen Verleiher und die Koproduzenten, die an seinen Film geglaubt haben. Denn der stand anfangs auf wackeligen Beinen.

Begegnung zweier Kulturen

"My man, my man, my man!", so begrüßt Kevin Sheppard den Imbißbudenbesitzer seines Vertrauens. Der junge Mann hinterm Tresen versteht kein Wort Englisch, hat den breitschultrigen Amerikaner aber in sein Herz geschlossen und stimmt in die ungewöhnliche Begrüßung mit ein. Es ist Weihnachten 2008. Der Basketballer Kevin Sheppard lebt seit wenigen Monaten in Schiras, einer Stadt im Süden Irans. Er ist der Superstar des örtlichen Basketballteams "A.S Shiras", das er in die Playoffs der iranischen Superleague führen soll.

Film The Iran Job EINSCHRÄNKUNG
Kevin und seine TeamkollegenBild: Real Fiction Filmverleih

Der deutsch-amerikanische Regisseur Till Schauder hat Sheppard während der gesamten Saison beim Training, bei den Spielen und in seinem Alltag begleitet. Ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, denn Schauder hatte keine offizielle Drehgenehmigung. Er reiste mit einem Touristenvisum in den Iran ein und war nur mit einer kleinen Handkamera und nur einem Mikrofon ausgestattet. Technisch sei das natürlich schwierig gewesen, so Schauder im DW-Interview.

Doch ohne großes Filmteam habe er einen ganz anderen Zugang zu seinen Protagonisten bekommen. Allen voran natürlich zu Kevin Sheppard selbst. Über ein Jahr lange hatte der Filmemacher nach einem so starken Charakter wie Kevin gesucht, denn "es sollte jemand sein, dem man einfach gerne zugucken will". Schauder wollte keinen vordergründig politischen Film machen, sondern durch seinen Protagonisten und über das Vehikel Sport, in ernstere Themen eintauchen: "Nämlich Menschenrechte, Frauenrechte, Politik."

Mehr als eine gelungene Sportdokumentation

Neben seinen neuen Teamkollegen lernt Sheppard auch die Iranerinnen Hilda, Elaheh und Laleh kennen. Sie sind Basketballfans und bei jedem Spiel des "A.S. Shiras" dabei. Mit Sheppard sprechen sie fließend Englisch. Sie erklären ihm, was es bedeutet, eine Frau in Iran zu sein, gut ausgebildet, finanziell und intellektuell unabhängig - aber nicht frei. Und warum sie trotzdem lieber in ihrem eigenen Land etwas verändern möchten, statt auszuwandern.

Film The Iran Job EINSCHRÄNKUNG
Kevin bekommt Besuch von seinen iranischen BekanntenBild: Real Fiction Filmverleih

Für die drei jungen Frauen hatte der US-Kinostart der Dokumentation dramatische Folgen. Er veränderte das Leben der Drei grundlegend. Die iranischen Behörden verübelten den Frauen, dass sie in dem Film mitgemacht haben. Elaheh lebt heute noch in Iran, darf aber nicht ausreisen und wird überwacht. Laleh und Hilda waren zum Kinostart von "The Iran Job" vereist und dürfen jetzt nicht wieder zurück. Und doch bereuen die Drei es nicht, im Film mitgemacht zu haben. "Es ist schwierig für uns junge Leute unter so strengen Auflagen im eigenen Land zu leben", betont Hilda. "Ich hoffe daher, dass ich dennoch einen guten Eindruck von meinem Land und seinen Menschen hinterlassen habe."

Ein witziger und tiefer Einblick

Regisseur Schauder hat mit "The Iran Job" ein eindrucksvolles Porträt zweier Mentalitäten und Nationen gedreht. Durch Kevins Augen sieht man den Amtsantritt Barack Obamas im Jahr 2008. Auch in Iran ist in den folgenden Monaten die Hoffnung zu spüren, dass mit dem neuen Mann im Weißen Haus, eine andere Zeit anbrechen könnte. Den Ausbruch der "Grünen Revolution" im Juni 2009 konnte Till Schauder nur mit Fremdmaterial dokumentieren. Als er im Sommer noch einmal einreisen wollte, wurde er festgenommen und im nächsten Flugzeug nach Deutschland zurückgeschickt.

Ein Spielfilm zum Thema Altwerden

Auch Kilian Riedhofs Tragikomödie "Sein letztes Rennen" behandelt über den Umweg Sport ein eher ernstes Sujet: Die Angst vorm Älterwerden und die Notwendigkeit, dennoch weiter zu machen.

Riedhofs Film überraschte im vergangenen Jahr seine Zuschauer vor allem mit der Besetzung der Hauptfigur: Dieter Hallervorden, mittlerweile 78 Jahre alt, war den deutschen Zuschauern hauptsächlich als Komiker aus oft albernen TV-Formaten bekannt. Dabei hat Hallervordern als politisch-engagierter Kabarettist begonnen - und zeigt in "Sein letztes Rennen", dass er auch ein begnadetet Schauspieler ist.

Szenenbild Film Sein letztes Rennen
Paul (D. Hallervorden) trainiert für den Berlin-MarathonBild: Universum Film

In dem Film spielt er den Bewohner eines Altersheims: Paul Averhoff (Hallervorden) war einst Olympiateilnehmer und gewann 1956 sogar eine Goldmedaille im Laufen. Jetzt wohnt er mit seiner Frau in dem Seniorenheim und gibt sich aufmüpfig. Eines Tages beschließt er dem monotonen Alltag aus Liederkreisen und Bastelrunden zu entkommen. Er beginnt wieder mit dem Laufen und steckt sich ein hohes Ziel. Er will am Berlin-Marathon teilnehmen. Der eigentliche Kampf, den Paul nun auszufechten hat, besteht nicht darin, das Rennen zu überstehen. Er muss vielmehr erst einmal durchsetzen, überhaupt daran teilnehmen zu dürfen.

Motto: Niemals aufgeben

Regisseur Kilian Riedhof ist mit "Sein letztes Rennen" ein warmherziger und nachdenklicher Film gelungen. "Ob man den Kopf hängen lässt oder oben behält, das ist für mich immer schon ein sehr zentrales Thema gewesen", erklärt Riedhof. Zwölf Jahre lang hat er an der Umsetzung seines ersten Kinofilms gearbeitet. Er habe das Thema Vergänglichkeit erst innerlich bewältigen müssen, bevor er es in eine filmische Struktur packen konnte. Als Hauptdarsteller kam für ihn niemand anderes als Dieter Hallervorden in Frage: "Wir brauchten einen Schauspieler, der zugleich Komiker ist, der diese Komik aber auch verstecken kann", so Riedhof. Hallervorden gleitet in seiner Rolle nie ins Pathetische oder Rührselige ab, noch ist er albern oder überdreht. Er agiert ganz ruhig, zwischen zurückhaltendem Sarkasmus und stiller Verzweiflung.

Szenenbild Film Sein letztes Rennen
Die Heimbewohner feuern Paul beim Training anBild: Universum Film

Für Dieter Hallervorden war die Rolle eine große Herausforderung, sowohl physisch als auch psychisch. Die Kraft die für ihn schwierige Rolle zu meistern, zog er aus seiner optimistischen Einstellung: "Ich bin jemand, der sehr hoffnungsfroh in die Zukunft blickt.“ Im Film spiele er zwar einen Charakter, der an die Grenzen seiner Kraft kommt, aber privat habe er noch sehr viel Elan.

Mit Sport-Geschichten im Lola-Rennen

"Sein letztes Rennen" ist eine Sportler-Heldengeschichte, wie sie im Buche steht, die zugleich die Frage stellt, wie unsere Gesellschaft mit alten Menschen umgeht. "The Iran Job" nimmt das Thema Sport als Vehikel für tiefe Einblicke in die Gesellschaft in Iran. Beide Filme bewerben sich jetzt um den deutschen Filmpreis. Zwei starke Filme, die zeigen, wie vielfältig die deutsche Filmlandschaft ist.