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Land der Gebühren

10. April 2009

Amerika versteht es, Stroh zu Gold zu spinnen. Teure faule Kredite, lukrative Leerverkäufe - dazu gehört Übung. Kaum ein Geschäftsmodell kommt ohne die Grundformel der Stroh-zu-Gold-Idee aus: Gebühren erheben.

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Bild: DW

Es fiel mir wieder auf bei einem geplanten Kurzurlaub. Amerikaner rechnen anders. Ich hatte für vier Tage ein Auto gemietet, 25 Dollar am Tag für einen Kleinwagen, macht plus Mehrwertsteuer 108 Dollar. Und dann kam alles anders: Ich musste den geplanten Kurzurlaub abbrechen und brachte das Auto vier Stunden später in die Autovermietung zurück. Die Rechnung: 124,38 Dollar. Für vier Stunden. Statt 108 Dollar für vier Tage.

"Sie haben sich verrechnet", zwinkerte ich freundlich vorlaut der Sachbearbeiterin zu, deren riesiges Doppelkinn sich ebenso wie ihre Stirn in Falten legte. "Nein, sie haben den Mietvertrag nicht eingehalten, das kostet Strafgebühr", raunzte die Dame zurück und fügte ein ultimatives "124,38" hinzu. Da sie nicht nur wegen des Doppelkinns insgesamt stärker wirkte als ich, zückte ich ohne Widerworte meine Kreditkarte.

Da war es wieder: Amerika das Land der unbegrenzten Gebühren. Auf der Abrechnung stand folgende Auflistung: DLY-FF-Gebühr, Bus-Gebühr, Vermietungsstationsgebühr, Konzessionsgebühr, Lizenzgebühr. Mich beschlich das Gefühl, dass ich trotzdem billig weggekommen war: Schließlich lauerte irgendwo sicher noch eine Begrüßungsgebühr oder Formulardruckgebühr.

Da Amerikaner lieber zahlen, statt sich zu beschweren, blüht der Gebührenwucher wie Löwenzahn im Hochsommer. Kaum ein Tag, kaum ein Einkauf ohne Sondergebühren, Strafgebühren, Verspätungsgebühren. Vor zwei Wochen in einem Hotel in Nevada. "Herzlich willkommen, Zimmer 306, sie haben per Internet vorbezahlt, sie müssen nur noch die Resortgebühr von 5 Dollar zahlen. "Resortgebühr, wieso Resortgebühr?". "Das ist so bei uns", gab sich der Rezeptionist schlagfertig. Ich entschied mich zu insistieren, zumal der Mann klein, blass und schmächtig war. "Und wofür ist die Gebühr?", hakte ich nach. "Parken ist kostenlos" schnarrte der Rezeptionist ungeduldig. Ich erkannte seinen Punkt erst zwei Tage später, als ich in San Francisco ein Zimmer für 99 Dollar bezog. Auf der Hotelrechnung prangte verschämt eine Parkgebühr von 48 Dollar.

"RCN Financial", meldete sich ein Mann bei mir per Telefon. Kenne ich nicht, lautete meine Antwort. Sie haben ihre DSL-Internet-Rechnung seit zehn Tagen noch nicht bezahlt. "Uh", meine Antwort. "Wenn Sie es jetzt gleich zahlen", schlug der Mann mit der Bestimmtheit eines Lösegeldforderers vor, "dann müssen sie nur die Gebühr von 5 Dollar und die Telefonüberweisungsgebühr bezahlen". "Streichen sie die Gebühren und ich zahle", verhandelte ich. "Das geht nicht." "Dann kündige ich den Vertrag", drohte ich, denn ich hatte in einem Film mit Harrison Ford mal gesehen, dass der Erpresste den Spieß herumdreht. "Ok", sagte der Mann am anderen Ende und bestätigte, dass man aus Actionfilmen lernen kann. "Die Online-Überweisung ist kostenlos, das hatte ich vergessen."

Zuviel ist zuviel. Ich ließ mich zur Abteilung für Auftragskündigung durchstellen und nahm meine Kündigungsdrohung erst zurück, als man mir kostenlosen Service für einen Monat anbot. Ein 55-Dollar-Geschenk. Besser gesagt: meine neue Gebühr - die Kundenverärgerungsgebühr. Ich glaube, mir werden noch mehr Gebühren einfallen.

Autor: Stephan Bachenheimer

Redaktion: Dirk Eckert