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Gold statt Koka

Tobias Käufer27. September 2012

Illegaler Bergbau - mit all seinen umweltschädlichen Konsequenzen - hat in Teilen Kolumbiens den Drogenhandel als Erwerbsquelle Nummer eins der organisierten Kriminalität abgelöst. Die UN sind besorgt.

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Ein Minenarbeiter spült Gold aus einem Fluss in Kolumbien (Foto: DW/ Nadja Drost)
Bild: DW/ N. Drost

Die kolumbianische Drogenmafia sucht sich neue Geschäftsfelder: In acht Departments des südamerikanischen Landes hat der illegale Bergbau den Koka-Anbau als Einnahmequelle Nummer eins abgelöst. Der Run auf die Minen hat seinen Grund. Wegen der anhaltenden Finanzkrise bleibt der Goldpreis seit Jahren auf einem hohen Niveau, das macht die Förderung des wertvollen Metalls lukrativ und attraktiv. Zudem wächst weltweit der Bedarf an wertvollen Metallen, auch das treibt die Preise in die Höhe. Entsprechende Investitionen in den Bergbau kurbeln die Suche nach Gold, aber auch nach anderen wertvollen Bodenschätzen an - vorbei am Staatssäckel.

Know-How wird eingekauft

In großem Stil hat die Mafia in entsprechende Ausrüstung investiert. "Auch die notwendigen Schmiergelder an die Bürgermeisterämter und Firmen wurden bezahlt", berichtet die Tageszeitung "El Tiempo", die sich auf eine Studie des spanischen Friedensinstituts Toledo beruft. Dabei scheut die Mafia auch nicht davor zurück, legale Explorationsfirmen zu engagieren. Die Unternehmen stellen entweder freiwillig oder unter Androhung von Gewalt den Kartellen ihr Know-How zur Verfügung.

Frank Pearl Gonzales, bis vor wenigen Tagen noch Umweltminister des südamerikanischen Landes, ehe er in die Delegation für die in Kürze beginnenden Friedensverhandlungen mit der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC berufen wurde, bestätigt diese Einschätzung: "Der illegale Bergbau ist der neue Drogenhandel. Damit finanzieren die linksgerichteten Guerillagruppen und die rechten Paramilitärs ihren Kampf."

Guerillas der Rebellenorganisation FARC (Foto: dpa)
Die FARC-Guerrilla hat den Goldbergbau als neue Einnahmequelle entdecktBild: picture-alliance/dpa

Fluch für das Land

Frederic Masse vom Friedensinstitut Toledo blickt mit Sorge auf die umweltzerstörerischen Rahmenbedingungen des illegalen Bergbaus: "Diese Geschichte kann sich zu einem Fluch für das Land entwickeln, wenn nicht die entsprechenden Standards eingehalten werden." Masse gehört zu der Gruppe von Wissenschaftlern, die in den vergangenen Monaten durch Befragungen vor Ort einen Einblick in die Welt der illegalen Minen gewinnen konnten.

Vor allem Flüsse und Grundwasser werden mit verbotenen Chemikalien verseucht. Der Einfluss der Drogenmafia ist mittlerweile so groß, dass laut der Toledo-Studie allein im Jahr 2010 rund 86 Prozent des in Kolumbien geförderten Goldes nicht aus legalen und Umweltstandards entsprechenden Quellen stammt.

Indigene Gruppen betroffen

Der Sprecher der Nationalen Indigenen Organisation (ONIC), Luis Evelis Andrade, sieht einen direkten Zusammenhang zwischen Landvertreibungen, Armut und dem illegalen Bergbau: "Paradoxerweise erleben wir, dass ausgerechnet in den Regionen, die über große Rohstoffvorkommen und Naturschätze verfügen, die Situation am schlimmsten ist." Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres seien fast 9000 Menschen indigener Herkunft von ihrem Land vertrieben worden. Dies, so Andrade, sei eine unmittelbare Folge des Bergbaus in diesen Gegenden.

Demonstration von Indios gegen den Bürgerkrieg (Foto: DW/ N. Naumann)
Die indigene Bevölkerung zählt zu den Opfern der Vertreibung durch kriminelle Banden und GuerrillaBild: Nils Naumann

Auch die Vereinten Nationen schauen besorgt nach Kolumbien. In einem Bericht des Hohen Flüchtlingskommissariats heißt es: "Die illegalen Gruppen haben ein Interesse daran, die Kontrolle über diese Gebiete zu erringen." Die kriminellen Banden seien die gleichen, die auch den Drogenhandel kontrollieren.

Hinter der kolumbianischen Drogenmafia stecken die linksgerichtete Guerilla-Organisation FARC, ultrarechte paramilitärische Verbände und gewöhnliche kriminelle Banden. Durch Landvertreibung im großen Stil haben sich die kriminellen Banden weite Teile des Landes angeeignet. Die Landstriche, die ursprünglich für den Drogenanbau gedacht waren, erfahren nun eine Art Strukturwandel und einen Bergbauboom.

Vertreibungen sind die Folge

Menschenrechtsorganisationen beziffern die Zahl der Menschen, die in den vergangenen Jahren in Kolumbien aus ihrer Heimat vertrieben wurden, auf über vier Millionen. Das südamerikanische Land ist damit weltweit eines mit den meisten Binnenflüchtlingen überhaupt. Dies deckt sich auch mit den Ergebnissen, die das Friedensinstituts Toledo herausgefunden hat. Mehr als 80 Prozent der Menschenrechtsverletzungen haben in den Regionen stattgefunden, in denen der illegale Bergbau seinen Boom erlebt. Mehr als 87 Prozent der Menschen, die gewaltsam ihre Heimat verlassen mussten, stammen aus den betroffenen Provinzen Antioquia, Chocó, Córdoba, Bolívar, Santander, Tolima, Valle und Cauca. Sie alle, so berichtet das Friedensinstituts Toledo, mussten Platz machen, um den lukrativen Handel mit illegal abgebautem Gold nicht mehr im Wege zu stehen.