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"Ich will endlich die Wahrheit"

Joscha Weber 27. Dezember 2012

Die Initiative "Change Cycling Now" will den Radsport revolutionieren, die UCI-Führung ablösen und den Radsport wieder glaubwürdig machen, erklärt Doping-Experte Michael Ashenden im DW-Interview.

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Porträtbild: Michael Ashenden (Quelle: Change Cycling Now / Gerry McManus / www.splitsecondimages.co.uk ) Cycle Sport - Change Cycling Now summit - London - Sunday December 2nd 2012 - FREE TO USE IMAGES - Blood doping expert Dr Michael Ashenden -
Bild: Gerry McManus

Endlich sollen sie aufgeben, die führenden Köpfe des Radsports, die für dessen Krise verantwortlich sind. Das meinen zumindest die Mitglieder der Initiative "Change Cycling Now". Zur "Koalition der Willigen", wie die Gruppe schon getauft wurde, zählt neben dem dreifachen Toursieger Greg LeMond, Ex-Profi Jörg Jaksche, Garmin-Teamchef Jonathan Vaughters, Sportjournalist Paul Kimmage und dem Unternehmer Jaimie Fuller auch der renommierte australische Doping-Experte Michael Ashenden. Der entwickelte das Nachweis-Verfahren für Fremdblutdoping, meldete früh wissenschaftliche Zweifel an den Leistungen von Lance Armstrong an und fordert im DW-Interview eine unabhängige Untersuchung der Machenschaften im Weltradsportverband.

DW: Herr Ashenden, der professionelle Radsport befindet sich in seiner vielleicht schwersten Krise. Ist das der richtige Zeitpunkt für eine Revolution?

Michael Ashenden: Krisen sind eine Gelegenheit, um einen Wandel voranzutreiben. Wenn Lance Armstrong dopt oder sein ganzes Team, dann ist das noch keine Krise an sich. Das größte Problem ist das Bild, das der Weltradsportverband UCI im Umgang mit dieser Situation in der Öffentlichkeit abgibt und der damit verbundene enorme Vertrauensverlust. Zum Beispiel die Tatsache, dass die UCI Geld von Armstrong angenommen hat und später versuchte, die Nachforschungen der USADA zu stören.

Sie sind eines der ersten Mitglieder von "Change Cycling now". Warum glauben Sie daran, dass Ihre Revolution erfolgreich sein wird?

Ich bin überzeugt, dass vernünftige, unvoreingenommene Akteure im Interesse des Sports handeln werden, wenn sie sich mit den moralischen Argumenten für einen Wechsel auseinandersetzen. "Chance Cycling now" ist eine Gelegenheit und eine Plattform, um diese Argumente allen Beteiligten im Radsport näher zu bringen. Und meine Hoffnung speist sich aus meiner tiefen Überzeugung, dass sie sich richtig verhalten werden.

Was wollen sie mit "Change Cycling now" erreichen?

Mein persönliches Ziel ist es, einen Prozess anzustoßen, der klar macht, dass Verlässlichkeit und Transparenz in der Organisation des Radsports Einzug halten müssen. Ich will auch die Fahrer verpflichten, mit den Behörden und Anti-Doping Agenturen zusammenzuarbeiten, anstatt sie wie bisher als Feinde zu betrachten. Am Wichtigsten ist mir aber, dass die ganze Wahrheit auf den Tisch kommt. Ich bin überzeugt, dass sich von diesem Punkt an alles weitere wie von selbst ergibt.

International Cycling Union (UCI) president Pat McQuaid (REUTERS/Denis Balibouse)
Im Visier der Radsport-Erneuerer: UCI-Chef Pat McQuaidBild: Reuters

Eines Ihrer Ziele ist auch der Rücktritt des amtierenden UCI-Präsidenten Pat McQuaid und dem Ehrenvorsitzenden Hein Verbruggen. Haben die beiden in der Vergangenheit Dopingsünder geschützt?

Eine unserer Forderungen ist der Ruf nach einer unabhängigen Untersuchung der UCI und seiner Spitzenfunktionäre. Das ist der beste Weg, diese Fragen zu beantworten.

Ihr Kandidat ist der dreimalige Tour-Gewinner Greg LeMond. Warum ist er der Beste, um zu verhindern, dass "der Radsport stirbt", wie er selbst gesagt hat?

Niemand kann Greg LeMonds Leidenschaft für den Radsport in Zweifel ziehen, genauso wenig wie seinen Willen, Transparenz zu schaffen. Ich sehe das allerdings nur als letzte Möglichkeit. Viel lieber wäre mir, wenn die aktuelle Führung des Radsports sich ihrer Pflichten bewusst wird, Verantwortung übernimmt und unseren Empfehlungen folgt. Das alles ist möglich ohne Greg als Übergangs-Präsidenten.

Eine Schlüsselaufgabe wird die Vergangenheitsbewältigung sein, wie wollen Sie Dopingsünder dazu bringen, ihr Schweigen zu brechen?

Wir müssen eine Atmosphäre schaffen, in der die Fahrer Vertrauen in das Procedere haben und überzeugt sind, dass sie etwas bewirken können, wenn sie mitmachen. So kann ein Prozess der Versöhnung und einer neuen Wahrhaftigkeit in Gang kommen. Die Ermittlungen in den USA haben gezeigt, dass Fahrer bereit sind, die Wahrheit zu sagen, wenn sie daran glauben, dass es der Sache dient und etwas verändert. Wir müssen versuchen, so etwas nicht nur in den USA möglich zu machen, sondern weltweit.

Wie schätzen Sie als Experte für Blutdoping die aktuelle Generation der Radprofis ein, ist da wirklich etwas im Wandel, oder wird genauso viel betrogen wie früher?

Solange die "Omerta" nach wie vor so verbreitet ist, müssen wir sehr aufmerksam sein. Fahrer könnten gezwungen werden zu schweigen. Solange diese Kronzeugen nicht die Möglichkeit haben, in der Öffentlichkeit über das ganze Ausmaß des Dopings im Peloton auszupacken, können wir nie sicher sein. Auf keinen Fall können wir uns nur auf die Angaben der Beteiligten wie der UCI verlassen. Um zu verstehen, wie sehr der Verband darauf aus ist, Skandale zu vermeiden, muss man sich nur ins Gedächtnis rufen, dass er 2001 verlauten ließ, EPO sei kein Problem mehr im Fahrerfeld.

Das Interview führte Joscha Weber.