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Hungersnot im Südsudan

Sarah Steffen / Friederike Müller1. August 2014

Die UN warnen vor einer Hungersnot im Bürgerkriegsland Südsudan. Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht und konnten ihre Felder nicht bestellen. Die DW hat sich bei Helfern vor Ort umgehört.

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Kinder laufen zu einer Essensausgabe (Foto: Nichole Sobecki/AFP/Getty Images)
Bild: Nichole Sobecki/AFP/Getty Images

"Wir leben von Beeren und Wurzeln", berichtet eine Frau, die mit ihren Kindern in ein Flüchtlingslager im Norden des Südsudans geflohen ist. "Es ist so schlimm geworden, seit die Kämpfe ausgebrochen sind. Wir wissen nicht, wovon wir uns ernähren sollen", klagt die Mutter.

Auch die Helfer im Südsudan machen sich große Sorgen. Die UN schlagen Alarm: Eine Nahrungsmittelkrise in dem zentralafrikanischen Krisenstaat drohe sich wegen des seit mehr als einem halben Jahr anhaltenden Bürgerkriegs zu einer Hungersnot auszuweiten. Die Zahl der Hungernden könnte demzufolge im August auf vier Millionen steigen - das wäre fast die Hälfte der Bevölkerung. Die UN bezeichnen die Hungerkrise als die derzeit "die schlimmste der Welt".

"Wir sehen vor allem, dass die Zahl der Frauen und Kinder an unseren Essensausgaben hochschnellt. Sie müssen manchmal bis zu 100 Kilometer zu Fuß zurücklegen, um zu unseren Zentren zu kommen", sagt Gareth Hughes von der britischen Hilfsorganisation Tearfund. Die Menschen könnten sich nicht mehr selbst versorgen, da die Kämpfe sie von ihren Feldern vertrieben hätten. Viele hätten deshalb in diesem Frühjahr ihre Äcker nicht bestellt. "Die Situation wird sich noch verschlimmern, weil im Juli und August normalerweise die Ernte eingeholt wird", so Hughes.

"Städte dem Erdboden gleichgemacht"

Die Bundesstaaten Upper Nile, Jonglei und Unity seien am schlimmsten betroffen, sagt John Kolff, der seit drei Jahren für die niederländische Organisation Cordaid in der südsudanesischen Hauptstadt Juba arbeitet und vor kurzem in den Norden des Landes reiste. "Die Kämpfe finden hauptsächlich in diesen Staaten statt. Dort wurden ganze Städte dem Erdboden gleichgemacht", so Kolff. Aber auch die Nachbarstaaten sind betroffen, da sich viele Flüchtlinge dorthin gerettet haben.

Ein Kind steht in einem Flüchtlingscamp (Foto: ALI NGETHI/AFP/Getty Images)
Rund eine Million Kinder unter fünf Jahren brauchen dringend NahrungBild: Ali Ngethi/AFP/Getty Images

Kolff spricht von 1,9 Millionen Flüchtlingen, die Hilfe bräuchten. Er geht davon aus, dass sich die Zahl der Hilfsbedürftigen bis zum Ende des Jahres verdoppeln werde. Diese Zahlen decken sich mit Schätzungen der UN-Hilfsorganisationen.

"Wir warnen schon seit Monaten vor einer Hungersnot im Sudan", sagt Sue Lautez von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) im Südsudan. "Es ist nicht nur schwierig für Menschen, Nahrung zu finden - schwierig ist auch der Zugang zu Wasser, Gesundheitsversorgung und allem, was man zum Überleben benötigt. Wir sehen, dass sich die Situation jeden Monat verschlimmert."

Schlechte Straßen erschweren Hilfslieferungen

Es sind nicht nur die Kämpfe, die es den Hilfsorganisationen schwer machen, die Menschen zu erreichen - es ist auch die schlechte Infrastruktur. "Es gibt nur einige wenige gute Straßen innerhalb Jubas", sagt Cordaid-Mitarbeiter Kolff. Der Rest sei sehr beschwerlich. Hilfslieferungen per Flugzeug zu transportieren, ist ebenfalls schwierig, da jetzt während der Regenzeit viele Pisten unbenutzbar sind. "Unsere Mitarbeiter laufen bis zu fünf Stunden durch Hochwasser, um die Kinder zu erreichen, die die Hilfe am nötigsten brauchen", berichtet Gareth Hughes von Tearfund.

Familien erhalten Hilfslieferungen (Foto: Nichole Sobecki/AFP/Getty Images)
Hilfsorganisationen sagen, der Zugang zu notleidenden Menschen sei schwierig - vor allem in der RegenzeitBild: Nichole Sobecki/AFP/Getty Images

Der äthiopische Missionar Pater Jacob Solomon lebt seit drei Jahren nahe der Stadt Bentiu in Unity und berichtet, dass dort bereits viele Kinder gestorben seien. "Ich gehe zu den Familien, die mich eingeladen haben, mit ihnen für die Verstorbenen zu beten. Sie sind gestorben, weil sie nicht genug zu essen hatten", berichtet der Pater. "Viele Menschen haben nicht einmal mehr die Kraft, die Toten zu beerdigen."

Wiederholung der Hungersnot von 2011?

Alle Hilfsorganisationen betonten, dass es wichtig sei, sofort zu reagieren und nicht zu warten, bis sich die Krise zu einer Hungersnot ausweitet. Das war 2011 der Fall, als Warnungen vor einer schweren Hungersnot in Somalia und am Horn von Afrika ignoriert wurden. "Während hier täglich Kinder sterben, sollte die Welt nicht warten, bis eine Hungersnot verkündet wird", sagt UNICEF-Generaldirektor Anthony Lake. 2011 starben Schätzungen zufolge allein in Somalia 260.000 Menschen - die Hälfte davon, bevor die Krise offiziell als Hungersnot deklariert wurde.

Menschen laufen durch ein übreflutetes Feld (Foto: ALI NGETHI/AFP/Getty Images)
Viele mussten vor den Kämpfen flüchten und konnten ihre Felder nicht bestellenBild: Ali Ngethi/AFP/Getty Images

"Es wurden durchaus Lehren aus der Nahrungsmittelkrise in Ostafrika von 2011 gezogen", sagt Gareth Hughes im Gespräch mit der DW. "Je schneller wir reagieren, desto größer die Chance, dass wir Leben von Kindern retten können." Doch dafür seien auch mehr Spenden nötig.

Auch Somalia droht nach UN-Angaben erneut eine Hungersnot wegen einer anhaltenden Dürre. Rund 50.000 Kinder seien bereits unterernährt und gefährdet. "Wenn Hilfe nicht schnell kommt, wird die Zahl hochschnellen. Es gab bereits Tote", so der ehemalige Manager des UN-Welternährungsprogramms Mohammed Guleit.

Schnelle Hilfe ist in beiden Ländern nötig, um eine Katastrophe abzuwenden. Langfristig allerdings, so Pater Solomon, müssten sich die Konfliktparteien im Südsudan an einen Tisch setzen und Frieden aushandeln. Denn erst dann könnten die Menschen wieder auf ihre Felder zurückkehren und sich wieder selbst ernähren.