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Hunderte Fälle von Kindesmissbrauch

26. August 2014

Die Taten sind grauenhaft: 1400 Kinder sind im nordenglischen Rotherham über Jahre sexuell missbraucht worden. Ein Bericht brachte jetzt das ganze Ausmaß der Verbrechen ans Tageslicht. Die Behörden versagten eklatant.

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Symbolbild Kindesmissbrauch (Foto: dpa)
Bild: Fotolia/pegbes

In Auftrag gegeben hatte den Untersuchungsbericht die Kommunalverwaltung von Rotherham, nachdem in der 250.000-Einwohner-Stadt 2010 fünf Männer mit pakistanischen Wurzeln zu langen Haftstrafen wegen Kindesmissbrauchs verurteilt worden waren. Bei der Präsentation der Ergebnisse sprach die auf soziale Missstände spezialisierte Autorin des Berichts, Alexis Jay, von einem kollektiven Versagen der Behörden im Kampf gegen Kinderhandel, Vergewaltigungen und Misshandlungen.

Grppenvergewaltigungen, mit Benzin übergossen...

Der Bericht enthält entsetzliche Schilderungen von Gruppenvergewaltigungen und Entführungen von Mädchen, die teilweise erst elf Jahre alt waren und anscheinend sogar in andere Städte Englands geschleust wurden. "Es ist schwer zu beschreiben, welch entsetzlichem Missbrauch diese Kinder ausgesetzt waren", sagte Jay. Die Täter hätten Opfer mit Benzin übergossen und ihnen damit gedroht, sie anzuzünden oder zu erschießen. Außerdem seien sie gezwungen worden, Vergewaltigungen anderer Kinder mit anzusehen. Niemand kenne das wahre Ausmaß der Taten, heißt es am Ende des Berichts. "Nach unseren konservativen Schätzungen wurden über den gesamten untersuchten Zeitraum, von 1997 bis 2013, etwa 1400 Kinder sexuell ausgebeutet."

"Die gemeinschaftlichen Fehlleistungen der Führungen von Polizei und Politik schreien zum Himmel", beklagte Jay. Nach ihren Worten gab es von Beginn an zunehmend Beweise, dass die sexuelle Ausbeutung von Kindern ein beträchtliches Problem in Rotherham sei. In etwa einem Drittel der Fälle seien die Opfer bereits bei Kinderschutzeinrichtungen bekannt gewesen. Die Polizei der nordenglischen Region South Yorkshire habe den Ermittlungen keine Priorität eingeräumt und "viele der Kinder, die Opfer waren, mit Verachtung betrachtet", monierte Jay. Zwischen 2002 und 2006 habe es bereits drei Untersuchungen gegeben, die "in der Beschreibung der Lage in Rotherham nicht klarer hätten sein können". Sie seien aktiv zurückgehalten oder ignoriert worden.

Laut dem Bericht hatten sich einige der Missbrauchsopfer trotz der Drohungen an die Polizei gewandt und ihre Peiniger als "Asiaten" beschrieben. Aus der Furcht heraus, als Rassisten abgestempelt zu werden, seien die Ordnungskräfte diesen Hinweisen auf die ethnische Herkunft der Täter jedoch nicht oder nur zögerlich nachgegangen.

Konsequenzen?

Das Ausmaß der Missbrauchsfälle ist damit weitaus größer, als aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen bekannt. Der langjährige Ratsvorsitzende Roger Stone übernahm Verantwortung für das Versagen der Behörden und trat mit sofortiger Wirkung zurück. Für die anderen Mitglieder der Verwaltung soll es vorerst keine Konsequenzen geben. Die damals Verantwortlichen arbeiteten nicht mehr für die Kommune, erklärte ein leitender Beamter der Verwaltung.

In London betonte ein Regierungssprecher, man sei fest entschlossen, dass diejenigen, die Kinder ausgebeutet hätten, auch ihre gerechte Strafe bekämen. "Das Versagen der örtlichen Behörden, das der Bericht bloßgestellt hat, ist erschreckend", fügte er hinzu.

Der Gerichtsprozess von 2010 in Rotherham war das erste von mehreren größeren Verfahren, die auch Missbrauchsfälle in anderen englischen Städten wie Leeds, Derby und Oxford bekannt machten.

se/sti (afp, dpa, ape)