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"Hitchbots" große Reise

Stephanie Höppner 2. August 2014

Innerhalb von Tagen avancierte er zum neuen Liebling der Kanadier: der erste trampende Roboter "Hitchbot". Rund 7000 Kilometer soll er per Anhalter zurücklegen - und dabei viel über die Menschen lernen.

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Der HitchBOT sitzt am Straßenrand und wartet auf seine Mitfahrgelegenheit (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Er ist klein, süß und wissbegierig: Auf Kanadas Straßen ist der zurzeit beliebteste Roboter der Welt unterwegs - "Hitchbot". Das etwa kleinkindgroße Konstrukt mit Beinen aus Schwimmnudeln, Gummistiefeln an den Füßen und einer Kuchenhaube als Kopf hat eine große Mission. Per Anhalter will er ganz allein rund 7000 Kilometer von Halifax ganz im Osten des Landes bis Vancouver Island im Westen zurücklegen. Dabei ist er auf viele hilfsbereite Autofahrer angewiesen, um sein Ziel zu erreichen. Wenige Tage nach seinem Start Ende Juli hat er schon eine beachtliche Strecke von rund 1800 Kilometern zurückgelegt. Seine Reise wird sorgfältig auf einer eigenen Webseite, bei Facebook und Twitter dokumentiert. Innerhalb kürzester Zeit wurde "Hitchbot" zum Medienphänomen.

"Eigentlich ist alles als eine Art verrücktes Kunstprojekt gestartet", sagt die deutsche Kommunikationsprofessorin Frauke Zeller von der Ryerson Universität in Toronto der DW. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie "Hitchbot" ins Leben gerufen. Doch dann wollten die Forscher den kleinen Roboter nutzen, um mehr über das Verhältnis von Mensch und Roboter zu lernen. "Wir haben uns Situationen ausgedacht, in denen man keine Roboter erwarten würde, wie etwa beim Trampen - dadurch wollten wir Diskussionen anregen."Wie stark kann man Menschen vertrauen?

Denn das Verhältnis von Mensch und Roboter ist durchaus angespannt: Hollywood-Thrillern wie "Terminator" und "Matrix" sei Dank, empfinden viele die intelligenten Maschinen als etwas Bedrohliches. "Die Gesellschaft fragt sich, ob man Robotern wirklich trauen kann", sagt Zeller. Bei dem Projekt wurde das Verhältnis umgedreht und gefragt: "Können Roboter Menschen vertrauen?"

Damit "Hitchbot" wirklich testen kann, ob die Menschen ihm freundlich gesinnt sind, ist er alleine völlig hilflos. Ohne Menschen, die ihn in ihr Auto hieven, erreicht er sein Ziel im Westen Kanadas nicht. Zeller und ihr Team wussten aus langjähriger Forschung, dass für die Hilfsbereitschaft von Menschen das Design eine entscheidende Rolle spielt - am besten wirken Kleinkindgröße, ein freundliches "Gesicht" und eine kommunikative Art. "Menschen haben dann keine Angst vor ihm - im Gegenteil: sie wollen ihm helfen."

Eine Quasselstrippe mit Vorliebe für Serien

Damit "Hitchbot" sich mit seinen Mitfahrern unterhalten kann, wurde er mit einer Spracherkennung und einer Stimme ähnlich eines Navigationsgeräts ausgestattet. Mit Hilfe von Schlüsselwörtern greift er auf programmierte Dialoge zurück: Er kann sich selbst vorstellen und Small talk führen, zum Beispiel über angesagte Fernsehserien. "Wir haben ihn als Quasselstrippe programmiert", sagt Zeller. "Man will ja niemanden mitnehmen, der einen anschweigt."

Ganz einfach sind die Unterhaltungen für "Hitchbot" dennoch nicht: Denn im Laufe seiner Reise muss er sich, anders als andere Roboter, täglich auf neue Menschen mit unterschiedlichem Wortschatz und Akzent einlassen. Doch auch für den Fall, dass "Hitchbot" wirklich nichts mehr versteht, wurde vorgesorgt. "Wir haben einen Mechanismus eingebaut, dass er dann einfach vor sich hinbrabbelt." Betrieben wird der kleine Kerl über eine Solarzelle. Er kann aber auch per Kabel an einer Steckdose oder einem Zigarettenanzünder aufgeladen werden.

Neben einem freundlichen Äußeren und einem einnehmenden Wesen haben die Forscher aber noch auf etwas Anderes gesetzt: das Internet. Schon vor "Hitchbots" großer Reise wurde der Roboter per Facebook und Twitter zum Hype."Wir haben von an Anfang auf soziale Medien gesetzt - damit die Leute überhaupt wissen, was das ist und nicht einfach nur denken - da steht ein Mülleimer am Straßenrand", sagt die Wissenschaftlerin.

Federboa und Kuscheltier

Mit Erfolg: Nicht einmal eine Minute musste der Roboter am Straßenrand auf seine erste Mitfahrgelegenheit warten. Ein älteres Pärchen nahm ihn in einem Campingwagen mit. Nach einer Nacht im kanadischen Outback übergaben sie ihn drei jungen Männern in der französischsprachigen Provinz Québec. Doch nicht nur auf der Straße, auch im Netz hat "Hitchbot" zahlreiche Anhänger: fast 25.000 Fans hat der Roboter bei Facebook, rund 20.000 Follower bei Twitter. Menschen posten Fotos von sich und "Hitchbot" - im Auto oder auch bei sich zu Hause. Häufig mit auf dem Bild: Geschenke für "Hitchbot", wie etwa eine pinke Federboa, ein Kinderrucksack oder ein Kuscheltier. Hunderte fragen an, wann "Hitchbot" auch einmal zu ihnen kommt.Schon jetzt ist die Strategie der Wissenschaftler dank der hohen Beteiligung der Menschen aufgegangen. "Ziel des ungewöhnlichen Projekts ist eine allgemeine Diskussion über das Verhältnis von Mensch und Maschine", sagt Zeller. Mit Hilfe der zahllosen Facebook-Kommentare soll die allgemeine Einstellung der Menschen analysiert werden.

Denn künftig werden nach Ansicht der Wissenschaftler immer mehr Roboter auch Einzug in private Haushalte nehmen. Am Ende steht die Frage, wie Menschen Roboter wahrnehmen: Als eine Ansammlung von Elektronik, die bei Ausfall auch entsorgt werden kann? Oder als eine Art Familienmitglied, die auch bei Macken gepflegt wird? "All das müssen wir noch erforschen", sagt Zeller. Die Beliebtheit von "Hitchbot" scheint eine erste Antwort zu geben.