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Hilfe ist nicht gleich Hilfe

Priya Esselborn, Nagappattinam 4. Januar 2005

Im Distrikt Nagappattinam im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu müssen mehr als 180.000 Bedürftige versorgt werden. Aber nicht immer kommt die Hilfe überall an. Und nicht immer ist sie sinnvoll.

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Bild: AP

Seit fünf Tagen ist N. Raju im Auftrag der Sri Vinayaka Friend's Welfare Associatoin im Distrikt Nagappattinam unterwegs. Gerne hat er die weite Fahrt von Bangalore, der Hauptstadt des Bundesstaates Karnataka, nach Nagapattinam auf sich genommen. Sogar ein Monatsgehalt hat er für die Flutopfer gespendet.

"Wir haben fünf Tonnen Reis, Brot, Kekse, Bettlaken, Medikamente, Kleider, Saris, Geschirr, Seife, Zahnpasta und solche Dinge gekauft", erzählt er. Mit einem Lastwagen fährt N. Raju die betroffenen Dörfer des Distrikts ab. Immer wieder kommt es dabei zu tumultartigen Szenen, wenn N. Raju die Hilfsgüter aus den Händen gerissen werden.

Nagappattinam braucht Hilfe
Die Fischer der Region Nagappattinam brauchen HilfeBild: AP

Ist die zentrale Einsatzleitung korrupt?

Die Zusammenarbeit mit den Behörden in Nagappattinam sei schlecht, sagt N. Raju. Die Behörden wüssten zum Beispiel. nicht, welche Dörfer am schlimmsten betroffen seien. Hinzu käme noch, dass kaum Anstrengungen unternommen würden, die Hilfsgüter zu den Menschen bringen. Da das Mitgefühl und die Spendenbereitschaft für die Flutopfer in Indien sehr hoch ist, treffen aus allen Landesteilen Hilfsgüter ein. Auch die sogenannten NRIs, die Non-Residential-Indians, spenden Millionen aus dem Ausland.

Doch die Gelder und Güter werden nach N. Rajus Ansicht von den korrupten Behörden für eigene Zwecke benutzt. Vor allem dem Collectors Office in Nagappattinam, der Einsatzzentrale, in der alle Informationen über die Bevölkerung und die Hilfsgüter gesammelt werden, macht N. Raju schwere Vorwürfe. "Das Collectors Office verkauft das Wasser und die Saris. Nichts wird an die Leute verteilt", sagt er. "Die Leute haben kein Gefühl für Menschlichkeit. Sie sind nur an Geld interessiert und wollen ihren Familien helfen. Nichts wird den Leuten hier gegeben."

Probleme über Probleme

Tatsächlich findet man immer wieder Leute, die mit der Arbeit der Behörden nicht zufrieden sind. Ohne die Hilfslieferungen der zahlreichen NGOs seien sie verloren, hört man. Vorwürfe, die Veera Shanmugha Moni, Koordinator für die Hilfe in Nagappattinams Collectors Office, nicht auf sich sitzen lassen will. Diese Unterstellungen sind seiner Meinung nach völlig aus der Luft gegriffen. "Unsere Arbeit ist transparent", sagt er und berichtet von den Schwierigkeiten, die er hat.

"In einigen Fällen konnten wir den Leuten einfach nicht erlauben, ihre Hilfsgüter direkt in die betroffenen Zentren zu bringen. Oft gab es dort 600 Familien und sie hatten nur für 300 Familien Sachen dabei. Das hätte zu Spannungen geführt." Abgesehen davon, erhielten die Menschen Hilfe. Es werde zum Beispiel für sie gekocht, denn fertig zubereitetes Essen, das über einen weiten Weg transportiert wurde, sei oft ungesund. "Es mag arglistige Menschen geben, die erfundene Geschichten verbreiten. Aber da ist nichts Wahres dran."

Flutkatastrophe Erdbeben Indien Nagapattinam Nagappattinam Region Spezialbild Tsunami
Vorbeugen gegen die SeuchengefahrBild: AP

Nicht alles, was gut gemeint ist, ist hilfreich

Dennoch ist nicht jede Art von gutgemeinter Hilfe wirklich den Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung angepasst. Gelder und Spenden aus aller Welt erreichen derzeit Indien. Unter anderem wurden in den vergangenen Tagen Kleider an die Menschen verteilt: Hosen, T-Shirts und Röcke, also westliche Kleidung, die die Menschen hier traditionell nicht tragen. Zudem waren die meisten Kleidungstücke schon getragen. Deshalb sahen es die Menschen als Affront an, dass man ihnen diese unreinen Kleider anbot.

Inzwischen liegen die Kleidungsstücke in riesigen Haufen überall an den Straßen herum. Dr. Vijaya Kumar vom Indischen Roten Kreuz hat für die Reaktion der Menschen Verständnis. "Diese Kleider sind alt, deshalb weigern sich die Menschen, diese anzunehmen. Wären die Kleider neu, würden sie sie selbstverständlich nehmen." Es ist schwer, bei einer so großen Zahl von Betroffenen jedem gerecht zu werden.