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Hilfe aus Utopia

Priya Esselborn, Pondicherry5. Januar 2005

Im südindischen Auroville lebt eine kleine Gemeinde den Traum vom Weltbürgerdasein ohne Eitelkeit, Dünkel und Vorurteile. Derzeit ist von den Utopisten ganz reale Hilfe gefragt.

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Zuflucht finden am Rande der multikulturellen Gemeinde AurovilleBild: AP

Ein Ort des Friedens und der Harmonie, an dem alle Menschen frei als Weltbürger leben dürfen - jenseits aller Barrieren wie Religion, Nationalität oder politischem Hintergrund: Diese Vision hatte Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine kurz "die Mutter" genannte Französin.

Ihr Utopia enstand 1968 in der von ihr gegründeten Stadt Auroville in der Nähe der südindischen Stadt Pondicherry. 1400 Menschen leben heute in Auroville, die meisten von ihnen sind Ausländer.

Die Flutwelle kam nicht bis nach Auroville, dafür aber die Menschen, die durch sie alles verloren hatten. Viele der nach Auroville Geflohenen wurden in den Gebäuden der Schulen der Stadt untergebracht.

Iniden Pondicherry Seebeben Tsunami
Der Damm an der Küste von Pondicherry dämmte das Ausmaß der Katastrophe in der Stadt etwas einBild: AP

Für die Bewohner von Auroville war es selbstverständlich, zu helfen. "Natürlich ist diese Hilfe auch mit dem Geist von Auroville verbunden, der die menschliche Einheit und Zusammenarbeit betont", sagt Jos van Deen-Ekker. Der Niederländer gehört zum Tsunami-Relief-Team der Stadt.

Aurovillianer helfen in der Umgebung

Jos van Deen-Ekker koordiniert zusammen mit 20 Freiwilligen die Hilfe für die Katastrophen-Opfer. Er weist die Hilfsteams ein und sagt, was sie machen sollen, bittet per Massen-Emails um Spenden und kümmert sich um den Kauf von Kleidern und Nahrung für die Notleidenden.

Laut van Deen-Ekker seien in den betroffenen Nachbardörfern elf Teams aus Auroville unterwegs, um zu helfen. Zuerst hätten die Dorfbewohner auf die vielen Ausländer verwundert reagiert, berichtet der Niederländer. Doch dann hätten die Menschen sich über die Hilfe gefreut und selbst mit angepackt.

"Indische Regierung nicht unterschätzen!"

Christiane aus Deutschland lebt in Auroville bei einer tamilischen Familie und meldete sich sofort als freiwillige Helferin. Sie sieht es als Vorteil, dass in Auroville so viele Ausländer leben. Aus deren Heimatländern hätten sie schnell Geld organisieren können, sagte sie. "Wir haben ein Konto eröffnet, auf das das Geld von den Verbindungen aller Aurovillianer weltweit fließt", bestätigte auch van Deen-Ekker.

Van Deen-Ekker mahnt an, die Kapazitäten der indischen Regierung nicht zu unterschätzen: Indien sei sehr gut organisiert und habe viel Erfahrung mit Krisenmanagement, sagte er. "Die indische Regierung unternimmt große Anstrengungen und es geschieht wirklich viel hier", weiß er zu berichten. Diesen Eindruck gewann auch Robert Cottet.

Schlimme Zustände in abgelegenen Gebieten

Cottet, ein Tourist aus Frankreich, war erst nach der Flutkatastrophe in die Region gekommen. Er hatte zuerst überlegt, seinen Urlaub abzubrechen, sich dann aber doch dafür entschieden zu bleiben. In den von ihm besuchten Städten Pondicherry und Madras habe die indische Regierung sehr schnell reagiert. "An den Stränden wurde sofort mit den Aufräumarbeiten begonnen", sagt er.

Indien: Großer Andrang bei der Ausgabe der Hilfsgüter
Im Distrikt Nagapattinam streiten sich Bedürftige um die wenigen HilfslieferungenBild: AP

Tatsächlich sind die Schäden diesen beiden Städten vergleichsweise gering. Im Distrikt Nagapattinam dagegen haben mindestens 5500 Menschen ihr Leben verloren. Rund 180.000 Überlebende müssen mit dem Nötigsten versorgt werden. Da sich weder Touristen noch Fernsehkameras in diese Region verirren, bleibt die Not vor der Weltöffentlichkeit verborgen.

Touristen verärgern indische Medien

Touristen wie Robert Cottet sind zur Zeit der Stein des Anstoßes in den indischen Medien. Es wird heftig diskutiert, warum die Urlauber entweder in Panik das Land verlassen oder - wie in Pondicherry - in den Cafés sitzen, als sei nichts geschehen.

Zu letzteren gehört auch Mike Shore aus den USA. Für ihn gäbe es nur einen Grund, seinen Urlaub abzubrechen: "Ich würde nicht wegen der Schäden gehen. Aber wenn sich die Seuchen ausbreiten, denke ich, sollte ich gehen."

Jos van Deen-Ekker will auch dann noch mit anpacken. Er hofft, dass aus vielen kleinen Beiträgen etwas Großes entsteht - mag der eigene Beitrag noch so klein sein. Ganz im Sinn von Auroville.