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"Heuschrecke" - ja oder nein?

Anja Kimmig21. Juli 2014

In Deutschland werden sie als "Heuschrecken" bezeichnet, sogenannte Private-Equity-Gesellschaften. Sie kaufen Firmen, bürden ihnen die Schulden auf und verkaufen sie mit höchstmöglicher Rendite - soweit ihr Ruf.

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Symbolbild Heuschrecke Finanzinvestoren
Bild: picture alliance/dpa

Hans-Peter Wild hat ganz andere Erfahrungen gemacht. Die Zusammenarbeit mit der Private-Equity-Gesellschaft KKR hat sich für ihn ausgezahlt. Vor drei Jahren hat er den Finanzinvestor in sein Unternehmen Wild Flavors geholt, ein weltweit führender Hersteller von Fruchtmischungen, Aroma- und Zusatzstoffen mit rund 2500 Mitarbeitern und einer Milliarde Euro Jahresumsatz. KKR ist mit der Minderheitsbeteiligung von 35 Prozent bei dem deutschen Mittelständler eingestiegen - für den Finanzinvestor ein Novum. Er hat außerdem akzeptiert nur Eigenkapital einzusetzen, dem Unternehmen also keine Schulden aufzubürden.

Erfolgsstory: Verkauf Wild Flavors

Firmeneigentümer Hans-Peter Wild war in einer starken Verhandlungsposition. Es gab viele Unternehmen und Finanzinvestoren, die an einem Einstieg Interesse hatten. Wild suchte einen Investor, weil sein Unternehmen stark gewachsen und eine Neuausrichtung nötig war. "Für die Globalisierung mussten wir uns einfacher Kapital beschaffen können und wir benötigten Expertise im Aufbau globaler Strukturen", sagt der Firmenchef. Für ihn ist klar, die Kooperation hat sich für beide Seiten bewährt.

Firmengelände Wild Flavors in Heidelberg-Eppelheim
Firmengelände von Wild FlavorsBild: WILD

Im Juli hat er sein Unternehmen Wild Flavors für 2,3 Milliarden Euro an den amerikanischen Lebensmittelkonzern Archer Daniels Midland (ADM) verkauft. KKR hat den Kontakt vermittelt. Man geht davon aus, dass der Finanzinvestor beim Verkauf seinen Einsatz verdreifacht hat. Hans-Peter Wild hat rund das 14-fache des für 2015 erwarteten Gewinns bekommen. Um seine Mitarbeiter macht er sich keine Sorgen. "Für ADM bietet diese Ergänzung ihres Portfolios enorme Wachstumschancen, so dass keine Arbeitsplätze durch den Deal gefährdet sind", sagt er.

Armaturenhersteller Grohe und die "Heuschrecken"-Debatte

Ganz anders sah das bei dem Verkauf des Armaturenherstellers Grohe aus, an dem sich die "Heuschrecken"-Debatte 2005 entfachte. Im Jahr 1998 war die Private-Equity-Firma BC Partners bei dem Sanitärkonzern eingestiegen. Aus einem geplanten Börsengang wurde nichts, stattdessen verkaufte BC Partners an die Branchenkollegen Texas Pacific Group und CSFB Private Equity. Etwa sechs Jahre lagen zwischen Kauf und Verkauf des Unternehmens Grohe, ein üblicher Zeitraum in der Branche.

Unter den neuen Eigentümern Texas Pacific Group und CSFB Private Equity setzte der Kahlschlag ein. Rund 1000 Mitarbeiter wurden entlassen, Werke geschlossen. Der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, in dessen Wahlkreis die Firma lag, brachte die "Heuschrecken"-Debatte ins Rollen. Er sprach von Heuschreckenschwärmen, die über Unternehmen herfallen, sie abgrasen und dann weiterziehen. Es war eine Kampfansage an die Private-Equity-Branche. Bis heute ist sie den Ruf nicht wieder los geworden.

Private Equity wehrt sich gegen Negativ-Image

Stefan Zuschke, Deutschland-Chef von BC Partners, hält von den Vorwürfen nichts. "Private Equity grast die Unternehmen nicht ab, sondern entwickelt sie mit Kapital und strategischem Know-how weiter, macht sie zukunftsfähig." Seit 2009 ist er Deutschland-Chef von BC Partners, einer der führenden Private-Equity-Gesellschaften in Europa. Dafür seien manchmal schmerzhafte Entscheidungen notwendig, wie die Schließung inländischer Produktionsstandorte. Für ihn ist Grohe eine Erfolgsgeschichte. Das Unternehmen stehe heute sehr gut da. "Der einzige Vorwurf, den man uns eventuell machen könnte, wäre der, dass wir Grohe damals zu einem relativ hohen Preis verkauft haben. Aber so läuft das Geschäft eben: Wir haben den Preis erzielt, der seinerzeit am Markt möglich war." An BC Partners flossen damals 1,5 Milliarden Euro.

Stefan Zuschke, Deutschland-Chef Private Equity-Gesellschaft BC Partners
Stefan Zuschke, Deutschland-Chef von BC PartnersBild: BC Partners

Die Branche hat sich gewandelt

Die Rahmenbedingungen für die Private-Equity-Branche im Vergleich zu 2005 und der 'Heuschrecken-Debatte' haben sich stark verändert", sagt Steve Roberts, Leiter des Bereichs Private Equity bei PricewaterhouseCoopers (PWC) in Frankfurt am Main und verantwortlich für den Private Equity Trend Report 2014.

Er ist der Meinung, dass sich die Branche seit der Finanzkrise 2008 in einem umfassenden Wandel befindet. "Im Mittelpunkt der Investitionsstrategie stehen primär das Wachstum durch Expansion und ein deutlich höherer Eigenkapitaleinsatz als vor der Krise, als die Übernahmen häufig mit einer hohen Verschuldung des Unternehmens einhergingen", so Roberts.

Steve Roberts, Leiter Private Equity bei PWC in Frankfurt am Main
Steve Roberts von PWC in Frankfurt am MainBild: PwC

Private Equity als neue Finanzierungsmöglichkeit

Die Private-Equity-Branche kämpft noch mit anderen Problemen. Trotz verfügbarem Eigen- und Fremdkapital und niedrigen Zinsen gibt es zu wenig Kaufobjekte gerade im Mittelstand. "2014 gab es bislang nur wenige große Transaktionen und damit zu wenige Deals, die den Investoren die Möglichkeit bieten, ihr beträchtliches Kapital zu investieren", sagt Steve Roberts. Für ihn steht fest: "Damals wie heute spielen Finanzinvestoren eine wichtige Rolle auf dem Transaktionsmarkt in Deutschland."

So sieht das auch Sascha Steffen, Professor an der European School of Management and Technology in Berlin. "Vor dem Hintergrund neuer und noch strenger werdender Regulierung des Bankensektors brauchen wir dringend Alternativen zur Kreditfinanzierung von Unternehmen", so der Ökonom. "Private Equity ist eine Möglichkeit. Wir sollten uns diesen alternativen Finanzierungsformen öffnen, sie verstehen lernen und die positiven Aspekte nutzbar machen."