Herr der Türme: der Architekt Ole Scheeren
Seine Hochhäuser trotzen der Schwerkraft. Der Deutsche Ole Scheeren gilt als Shootingstar der Architekturszene. Er lebt und baut vor allem in China. Seine Gebäude - preisgekrönt, aber auch umstritten.
Das Hochhaus des Jahres
Dieses Gebäude lässt die Statik tanzen. Zwei schräge Türme, die oben miteinander verbunden sind - und zwar über Eck. Der CCTV-Tower in Peking ist die neue Sendezentrale des chinesischen Staatsfernsehens. Mitte November wurde das spektakuläre Gebäude aus Glas und Stahl zum "Hochhaus des Jahres" gekürt. Entworfen hat es maßgeblich ein deutscher Architekt und Shootingstar der Szene: Ole Scheeren.
Schön, aber moralisch fragwürdig?
Der 42-Jährige gilt als Überflieger. Er hat in London studiert und mit Mitte Zwanzig bereits im Büro des Stararchitekten Rem Koolhaas angefangen. Heute hat er sein eigenes Architekturimperium. Ole Scheeren lebt und baut vor allem in China. Kritiker bezeichnen ihn deshalb gerne als "Hofbaumeister des Bösen". Darf man das – symbolische Bauwerke für ein umstrittenes Regime errichten?
Monumente des Wandels
Ole Scheeren versteht seine Gebäude eher als Monumente des Wandels, die für eine langsame Öffnung Chinas gen Westen stehen. Die Glasfassade z.B. des CCTV-Towers soll Transparenz symbolisieren. In dem größten Mediengebäude der Welt mit 14.000 Mitarbeitern gibt es zudem öffentliche Rundgänge. Der "Loop", der die beiden Türme verbindet, ist für Ole Scheeren ein Zeichen dieser Dialogbereitschaft.
Gebäude wie Skulpturen
Die Architektur von Ole Scheeren überzeugt vor allem durch Minimalismus. In Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur baut er direkt neben den weltbekannten Petronas Towers sein Hochhaus "Angkasa Raya". Das zukünftige Büro- und Hotelgebäude soll wie eine Skulptur in den Himmel ragen. Von Protzigkeit keine Spur. Der Clou – die sonst übliche Geschossordnung ist auf einzelnen Ebenen aufgebrochen.
Architektur als Spiegel
"Gute Architektur spiegelt immer auch die Umgebung wider" – das Credo von Ole Scheeren. Deshalb wird es im Hochhaus "Angkasa Raya" auf einigen Etagen tropische Gärten geben – eine Anspielung auf die Vegetation Malaysias. Neben schicken Bars, ist auch ein moderner Gebetsraum für Muslime geplant. Eine architektonische Antwort auf die Vielfalt im Land, wo Malaien, Chinesen und Europäer zusammenleben.
Bauen am Rande der Statik
Dieser Glasturm wird 2016 in Thailand eröffnet. Das "Maha Nakhon" wird 77 Stockwerke haben und alle anderen Gebäude in Bangkok überragen. Damit wäre es das höchste Bauwerk in der Millionenmetropole. Ole Scheeren hat auch hier die gängige Hochhaus-Architektur neu interpretiert. An einigen Stellen wirkt das Gebäude wie "angeknabbert". Bauen am Rande der Statik und trotzdem erdbebensicher.
Schwerelosigkeit für Reiche
Das "Maha Nakhon" wird ein gigantischer Apartment-Komplex. Die einzelnen Wohneinheiten sind an den Bruchstellen asymmetrisch gegeneinander verschoben. Sie hängen zum Teil frei in der Luft. Drinnen sollen die Bewohner das Gefühl bekommen, über Bangkok zu schweben. Eine Luxusanlage, was Ole Scheeren den Vorwurf einbrachte, ein 'Dienstleister der Reichen' zu sein. Dabei kann er auch ganz anders.
Soziale Wohnutopien
Das "Interlace"-Projekt ist ein riesiger Wohnkomplex für Menschen mit niedrigem Einkommen am Stadtrand von Singapur. Hier verwirklichte Ole Scheeren seine Art von 'sozialer Utopie'. Er hat 31 Apartmentblocks genommen und sie wie Legosteine zu einer völlig neuartigen, verschachtelten Wohnlandschaft arrangiert. Bezahlbarer Lebensraum in einer der teuersten Wohngegenden der Welt.
Einziger Reinfall
Eigentlich kennt Ole Scheerens Karriere nur eine Richtung: steil nach oben. Das "Beijing Books Building" gilt als sein einziger Reinfall. In Peking sollte er den größten Buchladen der Welt bauen - auf einer Fläche, so groß wie 15 Fußballfelder. Mit einer Fassade aus Glasquadern, die zugleich auch als Regale dienen sollten. Doch so viel Transparenz war Chinas Machthabern zu viel. Projektstopp!