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Hendricks besucht Asse

Jens Thurau4. März 2014

Barbara Hendricks (SPD) besichtigt die Schachtanlage Asse in Niedersachsen, in der tonnenweise Atommüll liegt. Die neue Umweltministerin will dem wohl größten Umweltproblem des Landes realistisch begegnen.

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Deutschland Bundesumweltministerin Barbara Hendricks besucht Atommüll-Lager Asse; Foto: J. Lübke/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

An solche Empfänge wird sich Barbara Hendricks gewöhnen müssen: Einige Dutzend Bürger der Gegend rund um das frühere Salzbergwerk Asse in Niedersachsen sind gekommen, um der Ministerin deutlich zu machen, dass ihre Geduld am Ende ist. Sie singen ein Lied, in dem die Politikerin aufgefordert wird, sofort zu handeln, und die rund 126.000 Fässer mit Atommüll, die hier lagern, schnellstmöglichst zu bergen. Sie schenken ihr ein gelbes A aus Holz, Symbol der Anti-Atomkraftbewegung im ganzen Land. Das nimmt Hendricks auch brav entgegen, aber vormachen will sie den Menschen hier nichts: "Das Problem werden wir wohl erst gelöst haben, wenn ich über 80 bin", sagt sie. Hendricks ist Anfang 60.

Undichte Stollen - Wasser dringt ein

Das Problem ist tatsächlich gewaltig: In dem lange schon stillgelegten, äußerst maroden Bergwerk lagerten deutsche Kernkraftwerksbetreiber, Unternehmer, aber auch Krankenhäuser jahrzehntelang mittel - und schwachradioaktiven Abfall ein. Mit Wissen und Unterstützung der Politik - offiziell wurde in der Asse staatlich erforscht, wie man Atommüll am besten lagern kann. Tatsächlich wurde der Müll einfach entsorgt. Von den 1960er Jahren bis 1978. Aus den Augen, aus dem Sinn. Am Ende fanden sich 126.000 Fässer in den Stollen, nicht fachgerecht gelagert, einfach abgekippt zumeist. Erst 2008 beschloss die Politik, die Asse unter Strahlenschutzrecht zu stellen - und dem gigantischem Problem ins Auge zu sehen: Wasser dringt in die maroden Stollen, droht mit dem Müll in Berührung zu kommen und das Grundwasser zu verseuchen. Der Berg drückt auf die Kammern, in dem der Müll liegt, zerquetscht die Fässer. Die wohl einzige Lösung: Den Müll aus dem Bergwerk holen, ihn woanders sachgerecht endlagern. Eine Aufgabe für Generationen. Geschätzte Kosten: Vier Milliarden Euro. Steuerzahlergeld. Zuständig dafür ist jetzt Barbara Hendricks.

Radioaktiver Abfall in ehemaligem Salzbergwerk
126.000 Fässer lagern im niedersächsischen StollenBild: picture-alliance/ dpa

Die ist noch nicht lange im Amt und lässt sich auf 750 Metern Tiefe erst einmal von Experten in die Details einweisen. 50 Journalisten, Politiker und Experten nehmen an der Exkursion in der Tiefe teil. Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, zeigt der Ministerin die Asse. Er hat für die Politikerin eigentlich nur Hiobsbotschaften: "Das Bergwerk war nie geeignet für die Einlagerung, und das wussten alle", sagt König. Die Kammern mit dem Atommüll sind mit meterdickem Beton verschlossen, was genau dahinter liegt, weiß keiner. Seit Jahren versuchen sich die rund 120 Bergwerks-und Strahlenexperten an so etwas wie einer Bestandsaufnahme, bislang mit nur geringem Erfolg. Monatelang wurde etwa eine der Kammern angebohrt, nur um festzustellen, dass sie sich mitsamt des Mülls um mehrere Meter verschoben hatte. "Und die Bevölkerung wurde über die Gefahren einfach im Unklaren gelassen", so König. "Diese mangelnde Verantwortung schockiert mich eigentlich am meisten", entgegnet Hendricks.

Neues Enlager benötigt?

Karsten Teimann, stellvertretender Betriebsleiter im Bergwerk, berichtet von Überlegungen, in 300 Meter Entfernung einen weiteren Schacht zu bauen, um den Müll bergen zu können. "Die bestehenden Schächte sind dafür nicht geeignet." Bis 2028 kann das dauern, satte 14 Jahre noch, der Schacht muss äußerst behutsam durch den löchrigen Berg gebohrt werden. Völlig offen ist, wohin der Müll gebracht werden kann, wenn er denn irgendwann ans Tageslicht kommt. Wahrscheinlich muss ein weiteres Endlager gebaut werden, die Kosten dafür hat noch niemand kalkuliert.

Also was kann Barbara Hendricks tun? Sie stellt sich den Bürgern, die hier rund um das Bergwerk gut organisiert sind und in einer ständigen Kontaktgruppe mit den Strahlenschutzexperten im Bergwerk zusammenarbeiten. "Gegen die Menschen können wir das Problem sowieso nicht lösen, sie sind nach den Jahrzehnten der Sorglosigkeit ohne jedes Vertrauen in Politiker und Behörden", meint Königs. Immerhin, Hendricks hört zu, versteht Ängste und Klagen. Und sie ist schon wenige Wochen nach Amtsantritt hierher gekommen, anders als einer ihrer Vorgänger, Norbert Röttgen von der CDU. Der ließ sich dafür lieber viele Jahre Zeit.

"Es wird Generationen dauern"

Jetzt antwortet die Ministerin den Journalisten in 750 Metern Tiefe auf die Frage, ob die Rückholaktion nicht irgendwie beschleunigt werden könnte: "Hier können nicht mehr als 120 Menschen arbeiten, wir tun, was wir können, aber es wird Generationen dauern", so Hendricks. "Hier zieht Realismus ein, gut so!“ raunt ein Bergwerksmitarbeiter einem Kollegen dabei zu.

Plakat gegen die Atommülllagerung in der Asse; Foto: J.Lübke /dpa
Protest gegen die Atommülllagerung in der AsseBild: picture-alliance/ dpa

Was den Experten gefällt, kann in der Öffentlichkeit durchaus zum Problem für Hendricks werden. Denn ihre Vorgänger haben zumeist zackig schnelle Abhilfe versprochen, Hendricks will sich die Sache offenbar nicht so leicht machen. Das ehrt sie vielleicht in den Augen mancher, ist aber nicht sonderlich populär. Mal sehen, wie lange sie das durchhält.