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Helgoland wird doch nicht größer

26. Juni 2011

Aus zwei mach eins? Nein - die Bewohner der deutschen Nordseeinsel Helgoland haben gegen eine Vergrößerung ihrer Heimat gestimmt. Im Kern ging es um die Frage: Soll die Hauptinsel wieder mit der Düne verbunden werden?

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Die 'Lange Anna' an der Steilküste von Helgoland(Archivfoto: dpa)
Die "Lange Anna" an der Steilküste von HelgolandBild: dpa

Viele Bewohner der Insel Helgoland machen sich Sorgen um die Zukunft. Die Bevölkerung schrumpft, die Arbeit reicht nicht für alle, Touristen kommen immer seltener. Ein Ausweg könnte eine Erweiterung der Landfläche sein. Die Helgoländer waren am Sonntag (26.06.2011) aufgerufen, am Bürgerentscheid über eine solche Inselvergrößerung teilzunehmen.

Mit deutlicher Mehrheit lehnten sie es ab, die einen Quadratkilometer große Hauptinsel mit der 0,7 Quadratkilometer großen Badedüne durch Sandaufspülungen zu verbinden. Nach dem vorläufigen Ergebnis votierten 54,7 Prozent der Insulaner gegen eine Landverbindung von der Hauptinsel zur Düne. 45,3 Prozent stimmten für ein solches Vorhaben. Die Beteiligung lag bei 81,4 Prozent.

Streit um den Zwei-Insel-Charakter

Starke Wellen umtosen die Steilküste Helgolands
Von Wellen umtost: Die Steilküste Helgolands

Letztendlich ging es bei dem Bürgerentscheid um die Frage, ob bei der Landgewinnung der typische Zwei-Insel-Charakter mit Hauptinsel und Düne aufgegeben werden soll. Bei einem Ja der Insulaner hätte ein Plan entwickelt werden sollen, wie Flächen für Wohnen und Gewerbe durch eine Verbindung beider Inselteile geschaffen werden können. Nach dem "Nein"-Votum prüft nun die Gemeinde, wie neue Flächen durch Aufspülung direkt an der Hauptinsel entstehen können.

Eine Sturmflut hatte im Jahr 1720 die rund tausend Meter lange Landbrücke zwischen dem roten Sandsteinfelsen und der Badedüne um einen vorgelagerten Kalkfelsen zerschlagen. Seitdem trennt die Nordsee die "Hauptinsel" von der Düne. Die Idee zur Vergrößerung ist nicht neu: Der Hamburger Bauunternehmer Arne Weber hatte 2008 in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Hamburg und dem Alfred-Wegener-Institut einen Projektplan erarbeitet, der aufzeigt, wie der nur wenige Meter tiefe Meeresarm wieder mit Sand aufzufüllen wäre.

Eine Investition von 100 Millionen Euro?

Der parteilose Bürgermeister Jörg Singer wollte die Insel mit dem 100-Millionen-Euro-Projekt vor einem Absinken in die Bedeutungslosigkeit retten. Trotz ihrer einmaligen Lage hat Deutschlands einzige Hochseeinsel große Probleme. Mindestens 2000 Menschen müssten auf Helgoland dauerhaft leben, damit die Insel als Gemeinde funktionieren kann. Doch die Zahl der Helgoländer ist auf unter 1300 gesunken, immer mehr Insulaner kehren dem Eiland dauerhaft den Rücken - besonders junge Familien.

"Es gibt nicht mehr genug Arbeit auf der Insel", erklärte Singer. Grund ist das Ausbleiben der Touristen - Helgolands wichtigster Einnahmequelle. Trotz zollfreiem Whisky und Tabak sowie einem vor kurzem modernisierten Meerwasserschwimmbad kommen sie immer seltener auf die Hochseeinsel. Zog es in den 1970er Jahren noch mehr als 800.000 Gäste zu Tagesbesuchen auf die Insel, sind es heute jährlich nur noch 300.000.

Helgoland platzt aus allen Nähten

Touristen auf dem Weg nach Helgoland
Touristen auf dem Weg nach Helgoland

Einen Ausgleich bietet auch die steigende Zahl der Übernachtungsgäste nicht, denn dafür ist Helgoland nicht gerüstet: Die Insel platze aus allen Nähten, sagte Bürgermeister Singer. Die kleinräumigen und architektonisch simplen Gebäude, die in den 1950er Jahren auf der Insel errichtet wurden, stehen unter Ensembleschutz. Um- oder Erweiterungsbauten oder Modernisierungen sind nur schwer möglich.

Eine "Hochzeit" der beiden Inselteile würde Helgoland um rund 300.000 Quadratmeter vergrößern - eine Fläche so groß wie etwa 40 Fußballfelder. Diese Fläche werde dringend benötigt, sagte Bürgermeister Singer. "Helgoland braucht Land - für neuen Wohnraum für die Insulaner, für weitere Bettenkapazitäten der Gäste, und für die Offshore-Windindustrie, die sich auf Helgoland ansiedeln wird", betonte er.

Bitte kein "Sylt 2"

Robben ruhen an einem Strand in Helgoland aus (Foto: DW)
Auch diese Meeresbewohner kommen gern nach Helgoland

Die Gegner einer Vergrößerung fürchteten den Verlust des unverwechselbaren Charmes der Insel und die Abhängigkeit von Investoren. Auch Umweltverbände sahen die Pläne kritisch. Eine Aufspülung beeinträchtige die Natur, waren sich Sprecher von BUND und NABU einig. Unter anderem sei die Düne die Kinderstube von Seehunden und Kegelrobben, die dort ihren Nachwuchs aufziehen würden.

Die ehemalige Bürgermeister-Kandidatin Felicitas Weck hatte ebenfalls vor der Vergrößerung gewarnt. "Ich halte das für völlig überdimensioniert", sagte die Politikerin der Linken. Zudem löse die geplante Verbindung nicht die Probleme der Insel. Helgoland sollte sich lieber auf seine Stärken besinnen: "Und das ist die Natur. Wenn ich nach Sylt will, reise ich zum Original und nicht nach 'Sylt 2'."

Ein traditionsreiches Ausflugsziel

Helgoland ist Deutschlands einzige Hochseeinsel. Sie gehört zum Bundesland Schleswig-Holstein und liegt rund 70 Kilometer vom Festland entfernt in der Deutschen Bucht. Die Hauptinsel aus rotem Sandstein ragt bis zu 61 Meter aus dem Meer. Helgoland ist wegen seiner Lage und Natur ein beliebtes Ausflugsziel. 2010 wurden mehr als 60.000 Besucher gezählt, die mindestens eine Nacht blieben. Zu den Attraktionen zählen Seehunde und Kegelrobben, Trottellummen sowie zahlreiche Zugvögel.

Autor: Reinhard Kleber (dpa, dapd, afp, NDR)

Redaktion: Walter Lausch