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Kriseneinsätze

Heiner Kiesel17. Februar 2013

Vor 150 Jahren ist die Bewegung Rotes Kreuz entstanden. Die Idee war, humänitäre Hilfe in Krisen- oder Kriegsgebieten zu leisten. Doch die Arbeit der Hilfsdienste ist inzwischen sehr gefährlich geworden.

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Ein Geländewagen des Internationalen Roten Kreuzes in Tripolis (Foto: Matthias Tödt)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach dem humanitären Völkerrecht ist der Einsatzrahmen für Alfredo Malgarejo eigentlich ziemlich klar: Regel 56 besagt, dass alle Konfliktparteien die Bewegungsfreiheit des autorisierten humanitären Hilfspersonals sicherstellen müssen - also auch für Malgarejos Hilfskonvoi in den Norden Syriens. "Das waren acht Laster mit Hilfsgütern", erinnert sich deutsche Rotkreuz-Mitarbeiter. "Alles war mit den Konfliktparteien schriftlich vereinbart und trotzdem ging auf einmal nichts mehr."

Ein lokaler Kommandant habe die Mission der Helfer einfach nicht akzeptiert. Tagelange Verhandlungen folgten, bis die Nahrungsmittel und Medikamente schließlich vom Fleck kamen. "Es wird immer schwieriger und gefährlicher, verbindliche Absprachen in den aktuellen Konflikten zu treffen", sagt Malgarejo nach 17 Jahren Erfahrung im Auslandsdienst. Syrien sei da kein Einzelfall. Das arabische Land ist ein bitteres Beispiel dafür, dass es härter wird, zu helfen: "Acht Mitarbeiter des Roten Halbmond sind in einem Jahr umgekommen, zwei werden vermisst", zählt Malgarejo auf.

Die Regeln für die Arbeit des Roten Kreuzes und der anderen Hilfsorganisationen in Krisengebieten sind zu einer Zeit festgelegt worden, in der vor allem Militärverbände mit deutlichen Strukturen miteinander kämpften. Der Schweizer Unternehmer Henry Dunant hatte im Februar 1863 die Initiative ergriffen, ein internationales Abkommen für die Behandlung und Versorgung von Kriegsopfern auf den Weg zu bringen. Die Rotkreuzbewegung war geboren.

Somalischer Rebell mit FLAK Foto: John Moore (Getty Images)
Schwierige Verhandlungspartner: Somalischer Rebell in MogadischuBild: John Moore/Getty Images

Das Abkommen wurde 1864 in Genf verabschiedet und regelt den Wirkungsbereich des Hilfswerks in der klassischen Form der Auseinandersetzung zwischen klar strukturierten militärischen Verbänden. Immer wieder - bis in die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts - wurde das Mandat durch weitere Abkommen und Zusatzprotokolle auf nicht-internationale kriegerische Szenarien ausgeweitet. Aber das Konfliktgeschehen hat sich seither weiter verändert.

Konflikte im Wandel

"Es kommt das hinzu, was man die kleinen Kriege nennt", beschreibt der Politikwissenschaftler Herfried Münkler die gegenwärtige Situation, "und in den letzten 20 Jahren spielen private Kampftruppen eine zunehmende Rolle und - wenn ich das einmal keck sagen darf - bewaffnete Nichtregierungsorganisationen, wie etwa Al Kaida."

Herfried Münkler Foto: Arno Burgi (dpa)
Herfried Münkler: Unübersichtliche Konflikte mit Auswirkungen auf das VölkerrechtBild: picture-alliance/dpa

In der Tat tendieren Konflikte inzwischen dazu, unübersichtlicher zu werden, wie ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt. Das habe - so Münkler - Auswirkung auf die Anwendung des Völkerrechts. "Einer der heikelsten Punkte ist die Unterscheidung von Kombattanten und Nichtkombattanten." Wer kämpft überhaupt und gegen wen? Das sind Fragen, die die klassische Kriegführung nicht kennt, deren Beantwortung für die Arbeit von Hilfsorganisationen jedoch von großer Bedeutung ist.

"Die Unklarheit der Kombattantenszene macht es schwieriger, zu Vereinbarungen über unser Tun zu kommen", sagt Johannes Richert, beim Deutschen Roten Kreuz für die Hilfseinsätze im Ausland zuständig. "Das ist aber kein Problem des Völkerrechts, sondern eines der Einsatzdurchführung." Nicht nur die Arbeit der humanitären Organisation wird beeinträchtigt, sondern die Mitarbeiter werden selbst häufiger zum Ziel, wie die Berichte über getötete und entführte Rotkreuz-Angehörige in den vergangenen Monaten nahelegen. Das Deutsche Rote Kreuz hat auf diese Entwicklung mit einem intensiveren Sicherheitsmanagement reagiert: Seit zwei Jahren gibt es einen eigenen Sicherheitsbeauftragten, der für Gefahrenanalyse und -prävention zuständig ist.

Neutralität und Diskretion

Die Aufgabe des Roten Kreuzes hat sich in den vergangenen Jahrzehnten im Grundsatz eigentlich nicht verändert. Es geht darum, Zugang zu den Opfern von Konflikten zu erhalten. Vom Roten Kreuz und seinen Schwesterorganisationen wie dem Roten Halbmond wird dabei gefordert, neutral, friedlich und unbewaffnet aufzutreten. "Die Neutralitätswahrnehmung ist immer die des Gegners, das muss man immer einkalkulieren", gibt Richert zu bedenken. Außerdem werde die Arbeit des Roten Kreuzes auch durch Hilfsorganisationen erschwert, die in den Krisengebieten noch andere Interessen als humanitäre Arbeit verfolgen und zum Beispiel mit missionarischem Hintergrund auftreten. Das verunsichert die Milizen, die dann auch dem Roten Kreuz skeptisch gegenübertreten könnten.

Johannes Richert, Leiter des Bereichs internationale Hilfe beim Deutschen Roten Kreuz Foto: Heiner Kiesel (DW)
Johannes Richert: Missionarische Hilfsorganisationen erschweren die Rot-Kreuz-ArbeitBild: DW/H.Kiesel

Es müsse allen Beteiligten deutlich sein, dass die Hilfe für die Bedürftigen keine Nachteile für eine Konfliktpartei bringt, betont Rot-Kreuz-Mann Richert. Das zu vermitteln ist oft heikel. In Syrien kämpfen Regierungstruppen gegen eine Vielzahl von religiösen und säkularen, oft regional fragmentierten Milizen, im Jemen sind es Terrorgruppen und Stammesverbände gegen die Zentralmacht und in Somalia fällt die Regierungsseite ganz aus - diffuse Auseinandersetzungen, in denen es schon schwierig ist, die richtigen Ansprechpartner zu finden. "Wir müssen ständig ganz diskret daran arbeiten, dass uns die Konfliktparteien vertrauen", sagt Richert. Das Rote Kreuz genieße aber einen Vorteil: Durch die jeweiligen nationalen Verbände vor Ort bestünden immer schon Kontakte, bevor es ernst wird.