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Heldenreise und Beziehungskiste

Jens Krepela17. September 2014

Deutschlands Basketball-Superstar Dirk Nowitzki feiert in Köln die Weltpremiere seines Dokumentarfilms. Zwei Jahre haben die Filmemacher gearbeitet, um einem sportlichen Geheimnis auf die Spur zu kommen.

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Weltpremiere Nowitzki. Der perfekte Wurf
Bild: picture-alliance/dpa/H. Kaiser

Dirk Nowitzki und Holger Geschwindner - beide sind keine Figuren für das Blitzlichtgewitter auf dem Roten Teppich. In Köln bei der Weltpremiere für die Dokumentation "Nowitzki - der perfekte Wurf", absolvieren sie das Vorgeplänkel unter dem Geschrei von Fans und Fotografen zwar routiniert und souverän, ganz bei sich erlebt sie der Zuschauer aber erst, wenn die beiden im Film erstmals gemeinsam in der Turnhalle von Rattelsdorf zu sehen sind. Dort üben sie den perfekten Wurf.

Holger Geschwindner ist Physiker. Eine Spezies Mensch, der oft eine gewisse Lebensunfähigkeit nachgesagt wird. Um zu erklären, was ihn mit Basketballstar Dirk Nowitzki verbindet, lohnt es sich deshalb vielleicht, Anleihen in der Teilchenphysik zu nehmen. Nach dem dort geltenden Standardmodell können sich zwei zusammenstoßende Teilchen sich zu einem einzigen verbinden. Das neue Teilchen wir nun nicht als zusammengesetztes Teilchen gedacht, sondern bildet ein neues Elementarteilchen. Ebenso verhält es sich mit den Menschen Geschwindner und Nowitzki. Seit der zufälligen Begegnung von unkonventionellem Mentor und außergewöhnlichem Talent im Jahr 1994 bilden beide eine schwer zu beschreibende Einheit. Ihre gemeinsame Geschichte über die vergangenen zwei Jahrzehnte ist zentraler Bestandteil des Films "Nowitzki - Der perfekte Wurf".

Annährung an etwas Ungreifbares

Filmstill aus "Der perfekte Wurf" mit Dirk Nowitzki und seinem Trainer Holger Geschwindner (Foto: Copyright: NFP*)
Ein besonderes Duo: Dirk Nowitzki (l.) und sein Trainer Holger Geschwindner (r.)Bild: NFP

Die Dokumentation nähert sich diesem sportlichen Phänomen, ohne jedoch diese Beziehung völlig zu durchdringen. Und das, obwohl beide zur Genüge zu Wort kommen. Begleitet von Geschwindners Erzählung sieht man Archivaufnahmen von einem "langen Dünnen", der auf dem Feld rumrannte und "alles richtig machte". Der Zuschauer sieht, wie der 2,15 Meter große Nowitzki Yogaübungen macht, um seine Beweglichkeit zu verbessern und wie er lernen muss, zu Musik zu dribbeln. Streng nach Geschwindners Philosophie, dass Basketball wie Jazz funktioniert. " Hier im Basketball wie dort in der JazzmusikHier wie dort finde sich ein Ensemble aus technisch perfekten Top-Individualisten zusammen und improvisiere - eine bestechend treffende Analogie." Wenn in einer Szene dann Geschwindner vor seinem Laptop sitzt und die von ihm entwickelte Software erklärt, wird klar, wie weit er seine unkonventionellen Überlegungen treibt: Von der Erdanziehungskraft über den Balldurchmesser bis hin zum idealen Handgelenkswinkel lassen sich alle Parameter verstellen, um den Ball in möglichst vielen Fällen in den Korb zu treffen.

Kombiniert mit Nowitzkis Talent und Arbeitsethos ergibt sich aus dieser Akribie eine Weltkarriere, die der Film natürlich in Rückblicken erzählt. Angefangen vom legendären Auftritt des Würzburgers 1998, als er bei einem Präsentationsspiel in den USA brillierte, was ihm den Weg in die NBA ebnete. Die schwierige Anfangszeit bis zur bitteren Niederlage in den Finalspielen 2006. Danach Nowitzkis Weg bis zum größten Erfolg, dem NBA-Titel 2011, und der Auszeichnung als bester Spieler der Finalserie. "2011 war ein Superjahr", sagt Nowitzki dazu am Roten Teppich und verrät gleichzeitig, wie er sich den Ausklang seiner Karriere vorstellt: "Ich hoffe, dass wir nochmal ein gutes Team haben, dass wir oben mitspielen können, dass es Spaß macht und meine Knochen halten."

Kein Sportfilm

Deutschland Film Filmszene Nowitzki Der perfekte Wurf
Nowitzki mit dem Maskottchen der Dallas MavericksBild: NFP/Broadview 2014

Sport- und Basketballfans, die noch unbekannte Geheimnisse aus dem Alltag des Superstars gelüftet sehen wollen, werden von diesem Film vermutlich dennoch etwas enttäuscht sein. Denn nicht der Sport spielt die Hauptrolle, sondern der Fokus liegt auf dem Menschen Nowitzki. Und da gelingt dem Film der Nachweis, dass der 37-Jährige tatsächlich bodenständig, freundlich und öffentlichkeitsscheu ist. Sei es durch Szenen, in denen er vertraut im Großraumbüro der Dallas Mavericks mit den Kindern der einfachen Angestellten umgeht, oder wie er im Gespräch mit Altkanzler Helmut Schmidt zu einer Notlüge greift, um niemanden bloßzustellen. Der Kontrast zwischen der Glamourwelt der NBA und seiner idyllischen Heimat Würzburg wird im Film überdeutlich. Auch Nowitzkis Familie und Freunde kommen ausführlich zu Wort. Vater Jörg bringt es auf den Punkt: "Ich bin gar nicht so sehr stolz darauf, was Dirk als Sportler erreicht hat", sagt er in die Kamera, "ich bin stolz darauf, wie er als Mensch im Leben steht."

In guten wie in schlechten Zeiten - auch abseits des Feldes

Was im Film deutlich wird, ist, dass Holger Geschwindner auch auf dieser Ebene eine wichtige Rolle spielt. Er ist an Nowitzkis Seite, als 2009 herauskommt, dass seine Verlobte Crystal Taylor eine gesuchte Betrügerin ist. In der folgenden spielfreien Zeit reisen beide nach Australien und Neuseeland. "Schon komisch", erzählt ein Freund des Superstars, "mit einem alten Mann wegzufahren, der seine Sachen immer zu lange anhat." Als in der Finalserie 2011 ein immenser Druck auf Nowitzki lastet, bittet er seine Familie, nicht nach Dallas anzureisen, er fürchtet seinen Rhythmus zu verlieren. Geschwindner ist die ganze Zeit über da. Als der Titel unter Dach und Fach ist, hat auch er Tränen in den Augen.

Filmszene "Der perfekte Wurf" (Foto: Copyright: NFP*)
Nowitzki feiert den NBA-Titel 2011Bild: NFP/Broadview 2014

"Eine besondere Beziehung, mehr kann ich gar nicht sagen", erklärt ein Premierengast nach der Vorstellung, ein anderer ist begeistert: "Ein interessantes Verhältnis, dass sich fast auf telepathische Weise abspielt, ohne Worte. Toll, dass es so etwas gibt." Damit sind die Kinozuschauer nach der Dokumentation auf dem gleichen Stand wie Nowitzkis Frau Jessica. Im Film gibt sie auch Antwort auf die Frage zum Verhältnis Superstar-Mentor: "Keine Ahnung, wie die das machen. Sie verstehen sich einfach blind."