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Heine: "Es wird nur noch einen Staat geben"

Ibtisam Fawzy12. November 2014

Gibt es eine Dritte Intifada? Ist die Zwei-Staaten-Lösung tot? Der Islamwissenschaftler Peter Heine äußert sich im DW-Interview pessimistisch.

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Peter Heine (Foto: DW/Sandra Petersmann)
Bild: DW/Sandra Petersmann

DW: Die Verlautbarungen hinterlassen den Eindruck, dass der Konflikt durch führender Politiker der beiden Seiten zusätzlich angeheizt wird. Israels Regierungschef Netanjahu wirft Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas vor, er erziehe die Palästinenser zum Terrorismus. Abbas wirft Netanjahu umgekehrt vor, er wolle einen Religionskrieg provozieren. Nach De-Eskalation klingt das nicht. Was wollen die beiden Konfliktparteien mit dieser Rhetorik bewirken?

Peter Heine: Es geht zunächst sicherlich um ganz persönliche politische Positionen. Netanjahu steht unter erheblichen Druck der weiter rechts liegenden politischen Fraktionen und versucht jetzt auf diese Art, seine Position im Land und im Kabinett zu stärken. Im Grunde ist es bei Abbas auch nicht viel anders. Er steht ebenfalls unter Druck von der Hamas und sicherlich auch von anderen, nationalistischen Teilen der palästinensischen Politik. Diese Kräfte meinen, dass Abbas während der Zeit seiner Herrschaft zu wenig getan hat, um einen unabhängigen palästinensischen Staat zu erreichen.

Das heißt, es geht beiden Seiten vor allem darum, sich innenpolitisch zu positionieren?

Ja genau, so sehe ich das. Die sind beide Gefangene ihre eigenen politischen Schwäche und versuchen jetzt davon abzulenken, indem sie den Konflikt weiter anheizen.

Es war noch nie einfach, Politik und Religion im Nahost-Konflikt zu trennen. Haben wir es vielleicht tatsächlich mit einer Art Religionskrieg zu tun?

Nein, das ist kein Religionskrieg. Die Religionen, also das Judentum und der Islam, werden vielmehr instrumentalisiert für politische Zwecke. Das machen die Politiker bewusst. Die Frage ist natürlich, wenn so ein Konflikt immer weiter religiös ausgetragen wird, ob man ihn dann wieder zurückführen kann auf eine säkulare Ebene.

Wie könnte denn verhindert werden, dass der Konflikt immer weiter religiös aufgeladen wird?

Im Grunde müsste man dafür solche Religionsführer finden - und solche Leute gibt es ja, die zusammen gegen diese Politisierung der Religion vorgehen. Auf beiden Seiten.

Viele Beobachter sprechen bereits von einer Dritten Intifada. Sehen Sie dies auch so – und was wird dann aus der Zwei-Staaten-Lösung? Hat dieses Modell überhaupt noch eine Chance?

Was die Intifada betrifft: Wenn es so weiter geht wie in den vergangenen Tagen, dann rechne ich damit. Und zur Zwei-Staaten-Option: Nach allem, was ich weiß, rechnen vor Ort ohnehin nicht mehr so viele Leute mit einer Zwei-Staaten-Lösung. Auch auf der palästinensischen Seite nicht mehr.

Wie könnte es denn dann stattdessen weitergehen?

In den nächsten Monaten wird sich der Konflikt mutmaßlich weiter hochschaukeln. Das hängt auch davon ab, wie sich die EU oder die USA weiter verhalten. Wenn beide still bleiben, wird sich der Konflikt erst recht hochschaukeln. Auf längere Sicht glaube ich, dass es nur einen Staat geben wird. Alles, was jetzt als Palästina bezeichnet, wird ein Teil von Israel werden und es wird dann sozusagen Sache der Palästinenser sein, in diesem Staat möglichst viel politischen Einfluss zu gewinnen.

Peter Heine ist Nahost- und Islam-Experte. Der Islamwissenschaftler lehrte an den Universitäten Münster und Bonn sowie bis zu seinem Ruhestand 2009 an der Humboldt-Universität Berlin