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Heilpflanzen als Geschäft

Lydia Heller4. Februar 2008

In Deutschland werden pro Jahr 45.000 Tonnen Heilpflanzen verbraucht – so viele wie in keinem anderen Land Europas. Doch das bringt auch Probleme für den Artenschutz mit sich.

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Schön anzusehen - und gesund: Kamille (Foto: dpa)
Schön anzusehen - und gesund: KamilleBild: picture alliance/dpa
Arzneimittel auf Heilpflanzen-Basis sind bei Ärzten und Patienten in Deutschland in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden. Knapp drei Viertel der Kunden greifen inzwischen zu einem Naturheilmittel, wenn sie in der Apotheke ein nicht verschreibungspflichtiges Medikament kaufen. 2006 gingen so genannte Phytopharmaka im Wert von fast zwei Milliarden Euro über die Ladentische der Apotheken - knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes an rezeptfreien Arzneimitteln. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Heilpflanzen - an deren Blättern, Blüten, Stengeln, Wurzeln oder Samen.

Größter Verbraucher in Europa

Blühender Thymian (Foto: Wikipedia)
Blühender ThymianBild: Wikipedia - public domain picture
Die Pharma Wernigerode, einer der größten Pharmaunternehmen Ostdeutschlands, verarbeitet ein gutes Dutzend Heilpflanzen, darunter fünf Tonnen Kamille und eine Tonne Thymianblätter jährlich. Insgesamt werden in Deutschland 45.000 Tonnen Heilpflanzen pro Jahr verbraucht - Spitzenreiter in Europa. Etwa 1500 Arten werden nach Auskunft des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) in Deutschland gehandelt - in größeren oder kleineren Mengen. "International liegen wir damit weltweit an dritter Stelle als Einführer und an dritter Stelle als Ausführer", sagt Umweltschützer wie Uwe Schippmann vom BfN. "Deutschland ist ein richtiger Umschlagplatz.”

150 Heilpflanzenarten sind in Europa bedroht

Schippmann sieht Deutschland daher in besonderer Verantwortung, wenn es um den Schutz von Heilpflanzen geht. Denn das Angebot der großen Apotheke namens Natur droht zu schrumpfen: Übermäßige Ernte und unkontrollierter Handel bedrohen die Bestände von 4000 Heilpflanzenarten weltweit - in Europa sind rund 150 Arten vom Aussterben bedroht. Schlüsselblume oder Sonnentau zum Beispiel - in Deutschland streng geschützt - werden für den Handel in Südosteuropa und Spanien wild gesammelt. Ganze Bestände drohen vernichtet zu werden.

Seit rund zehn Jahren arbeitet das BfN zusammen mit der Naturschutzorganisation WWF an einem umfassenden Konzept zum Erhalt von Heil- und Arzneipflanzen. Sie industriell anzubauen, so Schippmann, ist dabei keine Alternative: Bei den meisten Heilpflanzen ist es schlicht unmöglich oder zu aufwändig, sie zu domestizieren. Und nachhaltig ist es auch nicht unbedingt.

Anbau gefährdet Wildsammler in Namibia

Auch schön: rot blühende Teufelskralle mit trompetenfömigen Blüten, ein Bodengewächs (Foto: picture alliance)
Auch schön: afrikanische TeufelskralleBild: picture-alliance / OKAPIA KG
Die Teufelskralle aus Namibia beispielsweise - als Rheumamittel genutzt - wird von San-Buschleuten gesammelt. Ungefähr zehntausend San-Familien hängen laut Schippmann in ihren Einnahmen von dieser Sammlung ab. Selbst wenn ein nicht einfacher Anbau der Teufelskralle gelingen würde, könnten davon zwar eine ganze Reihe kommerzieller Farmer in Namibia profitieren. "Die zehntausend Familien, die bis jetzt wildgesammelt haben, wären aus dem Handel aber raus"; sagt Schippmann. Wirkungsvoller sei es, die Wildsammlung vor Ort zu kontrollieren - und darauf hinzuwirken, dass der Natur tatsächlich nur so viel entnommen wird, wie auch nachwachsen kann.

Dass das funktioniert, beweist seit Jahren Deutschlands führender Heilpflanzen-Lieferant, Martin Bauer. In Namibia schult das Unternehmen die Teufelskrallen-Sammler darin, die Wurzelpflanze bestandsschonend zu ernten, legt jährlich begrenzte Sammelgebiete fest, um die Regeneration der Pflanze zu gewährleisten. Die Kunden - darunter die Pharma Wernigerode - wissen das zu schätzen, sagt Helmut Burckhardt, Chef der Qualitätskontrolle.

Internationaler Standard im Praxistest

Derzeit wird der Internationale Standard für Nachhaltige Wildsammlung von Heil- und Aromapflanzen von WWF und BfN in weiteren zehn Projekten weltweit auf seine Praxistauglichkeit getestet - in Europa unter anderem in Bosnien. Damit die große Apotheke Natur auch künftig allen Europäern zur Verfügung steht.