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Hebamme - ein Beruf ohne Zukunft?

Jennifer Fraczek24. Februar 2014

Steht der Beruf der Hebamme in Deutschland vor dem Aus? Viele Hebammen und Eltern befürchten das. Eine Online-Petition soll die Politik dazu bewegen, die Arbeitsbedingungen für Geburtshelferinnen zu verbessern.

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Eine schwangere Frau und eine Hebamme (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/auremar

Wenn Bianca Kasting von der Hebamme erzählt, die sie in der Schwangerschaft und bei der Geburt ihrer Tochter begleitet hat, gerät sie beinahe ins Schwärmen. Anders als bei vielen Arztbesuchen hätten sich die Hebammen des Münsteraner Geburtshauses, in dem ihre Tochter Ende 2012 zur Welt kam, Zeit für sie und ihren Mann genommen. "Wir saßen stundenlang beisammen, und ich fühlte mich ernst- und wahrgenommen."

Im Sommer 2013 musste das Geburtshaus schließen - aus Personalmangel. "Jungen Kolleginnen fällt es schwer, für eine geringe Bezahlung die Bürde der Verantwortung und ständigen Rufbereitschaft zu tragen", heißt es auf der Webseite des Geburtshauses. Für Bianca Kasting war die Schließung des Hauses der Ansporn für eine Online-Petition, die auf die schwierigen Arbeitsbedingungen der deutschen Hebammen aufmerksam machen soll. Sie trägt den Titel "Lieber Herr Gröhe, retten Sie unsere Hebammen!", richtet sich also an den neuen Gesundheitsminister.

Recht auf Wahlfreiheit

Die Online-Petition hat mittlerweile mehr als 260.000 Unterstützer, vorwiegend Eltern. Ihnen geht es vor allem um die Wahlfreiheit. Sie wollen selbst entscheiden können, wo und wie sie ihr Kind zur Welt bringen: in einem Krankenhaus, in einem Geburtshaus oder in den eigenen vier Wänden. Der Gesetzgeber gewährt dieses Recht. Doch wenn es immer weniger freiberufliche Hebammen gibt und immer mehr Geburtshäuser schließen, schränkt das die Wahlfreiheit ein. "Ich möchte als Mutter das Recht auf meine Hebamme in Anspruch nehmen und das ist an vielen Orten in Deutschland schon jetzt nicht mehr gegeben", sagt Bianca Kasting.

Bianca Kasting ist die Initiatorin einer neuen Online-Petition zur Unterstützung der Hebammen (Foto: Privat)
Bianca Kasting ist die Initiatorin einer neuen Online-Petition zur Unterstützung der HebammenBild: privat

Dass der Beruf der Hebamme in den vergangenen Jahren unattraktiver geworden ist, liegt nicht nur an Rufbereitschaft und geringer Bezahlung - 8,30 Euro pro Stunde sind es laut dem Deutschen Hebammenverband (DHV) im Schnitt. Problematisch ist vor allem, dass zuletzt immer höhere Haftpflichtprämien für die Geburtshelferinnen fällig wurden. Während sie 2004 noch rund 1350 Euro pro Jahr bezahlten, sind es ab Juli 2014 rund 5100 Euro. Auch für die freiberuflichen Hebammen, die keine Geburtshilfe leisten, ist der Betrag gestiegen, allerdings nicht so stark.

Das größere Problem ist aber: Es gibt kaum noch Versicherungen, die eine Haftpflichtpolice für Hebammen anbieten. Das Versicherungskonsortium, das dies derzeit noch anbietet, steht vor der Auflösung. Denn die "Nürnberger Versicherung" hat angekündigt, im Juli 2015 auszusteigen. Dann bleibt als Möglichkeit nur noch die "Allianz", deren Beiträge für die Hebammen, so sagen die Verbände, nicht bezahlbar seien.

"Berufsverbot für freiberufliche Hebammen"

Ohne Haftpflichtversicherung dürfen Hebammen ihren Beruf nicht ausüben. Deshalb spricht der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) von einem "Berufsverbot" und davon, dass der Beruf "akut von der Vernichtung bedroht" sei.

Tür eines Kreißsaales mit Tür eines Kreißsaales mit einer Storchen-Zeichnung (Foto: dpa)
Viele freiberufliche Hebammen arbeiten in KrankenhäusernBild: picture-alliance/dpa

Tatsächlich ist die Zahl der freiberuflichen Geburtshelferinnen zurückgegangen: in den vergangenen fünf Jahren um rund ein Viertel. Derzeit gibt es noch rund 3500 von ihnen, bei 20.000 bis 25.000 Hebammen in Deutschland insgesamt. Das ist keine besonders große Zahl. Die Bedeutung der freiberuflichen Hebammen sei aber nicht zu unterschätzen, sagt Katharina Jeschke, die beim DHV für deren Belange zuständig ist. Denn es geht nicht nur um Hausgeburten und Geburtshäuser. Freiberufliche Geburtshelferinnen sind als Beleghebammen vielfach auch in Krankenhäusern tätig. Rund ein Viertel aller Kinder in Deutschland kommen mit Unterstützung einer freiberuflichen Hebamme zur Welt.

Woher soll das Geld kommen?

Bianca Kasting verspricht sich von der Online-Petition vor allem, dass "die Politiker sehen, dass hier Eltern am Werk sind, denen es sehr ernst ist". Von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erwartet sie, dass er in den kommenden Monaten Maßnahmen vorstellt, die den Hebammen helfen. Doch wie können diese aussehen?

Dass die Behandlung nach schweren Komplikationen bei der Geburt oder danach teurer geworden ist, bestreiten auch die Berufsverbände der Hebammen nicht. Dank des medizinischen Fortschritts wachse die Lebenserwartung auch Schwerstgeschädigter, Pflege- und Therapiekosten fielen für einen deutlich längeren Zeitraum an, erklärt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) den Anstieg der Prämien.

Wie könnte er gestoppt werden? Die geburtshilfliche Haftung müsse kalkulierbar gemacht werden, sagt Katharina Jeschke. Da gebe es nur einen Weg: "Die Haftung der Hebammen muss auf eine Summe begrenzt werden, die Hebammen bezahlen und mit der die Haftpflichtversicherer kalkulieren können." Das heißt, es sollte eine Haftungsobergrenze geben. Was an Kosten darüber hinaus anfalle, könnte durch einen Fonds aus Steuermitteln oder dem Geld der Sozialversicherungsträger gedeckt werden.

Jeschke glaubt unter anderem an den vielen Unterschriften der Online-Petition erkennen zu können, dass "die Bevölkerung weiß, was sie an Hebammen hat. Hebammen betreuen die Frauen vom Beginn der Schwangerschaft an, über die Geburt, während des Wochenbettes, bis das Baby abgestillt ist. Das ist ein Betreuungszeitraum von rund eineinhalb Jahren, in dem die Frau Hilfe von der Hebamme bekommt". Der Berufsstand sei kein Luxusgut, sondern eine wertvolle Begleitung für Frauen auf dem Weg in die Mutterschaft.