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Harte Haftbedingungen für Flüchtlinge

Christopher Dömges25. Juli 2013

Flüchtling Ibrahim Diallo aus dem westafrikanischen Guinea wollte in Europa ein selbstbestimmtes Leben führen. Doch in seinem Einreiseland Zypern sitzt er im Abschiebegefängnis - seit fünf Monaten.

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Porträt des Flüchtlings Ibrahim Diallo, der auf Zypern im Abschiebegefängnis ist (Foto: Christopher Dömges)
Bild: DW/C. Dömges

Ibrahim Diallo floh 2009 aus Guinea nach Zypern. Sein Vater, ein konservativer islamischer Geistlicher, wollte ihn zwingen, sein Studium des Business-Management aufzugeben und die eigene Cousine zu heiraten, sagt der 25-Jährige. Auch die Polizei habe ihn verfolgt, weil er sich den Wünschen seines einflussreichen Vaters nicht fügen wollte. Der einzige Lichtblick: Er konnte sich einen Flug auf die Mittelmeerinsel Zypern leisten, wo er zwei Jahre lebte. Doch dort wurde sein Asylbegehren abgelehnt.

"Ich stand vor dem Nichts", erinnert sich Diallo. "Meine Zukunft liegt hier, in Europa." In seiner Verzweiflung floh er nach Deutschland und lebte dort ein halbes Jahr lang ohne legalen Aufenthaltsstatus. In Dortmund wohnte er bei einem deutschen Bekannten, der ihm Gelegenheitsjobs als Gärtner besorgte. Politisch Verfolgte haben in Deutschland zwar ein Recht auf Asyl - doch dies gilt nur bei einer direkten Einreise in die Bundesrepublik. Als Ibrahim beim Schwarzfahren erwischt wurde, haben ihn die deutschen Behörden nach vier Monaten in einem deutschen Abschiebegefängnis zurück nach Zypern geschickt. Das sieht das Dublin-II-Abkommen vor, nach dem innerhalb der EU das Einreiseland eines Asylbewerbers für seinen Asylantrag zuständig ist.

Die Mittelmeerinsel Zypern zählt etwa 800.000 Einwohner. Nach Angaben des ehemaligen zyprischen Innenministers Neoklis Sylikiotis ist es das EU-Land mit den meisten Asylbewerbern im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung. In einem Interview mit der Zeitung Neues Deutschland erklärte er, dass sich auf der Insel etwa 50.000 Zuwanderer ohne legalen Aufenthaltsstatus befinden - überwiegend Afrikaner. Einwanderer würden im Moment etwa 20 Prozent der Bevölkerung Zyperns ausmachen. Viele afrikanische Flüchtlinge kommen hier an, nachdem sie das Mittelmeer in kleinen Booten überquert und dabei ihr Leben riskiert haben. Gerade Menschen ohne Berufsabschluss werden meistens von Zypern wieder nach Hause geschickt. Doch gut qualifizierte Arbeitskräfte würden oft Asyl bekommen, sagt Sylikiotis im Zeitungsinterview - denn die zyprische Wirtschaft brauche sie.

"Sie behandeln uns wie Kriminelle"

Seit Februar ist Diallo in der Menogia-Polizeistation, in der Nähe der zyprischen Stadt Larnaca, in einem kargen Gebäude untergebracht. Hier leben ausschließlich Flüchtlinge. Nach Berichten von Amnesty International werden sie monate- oder sogar jahrelang dort festgehalten, ohne ausreichend über ihre rechtliche Situation aufgeklärt zu werden. Danach müssen die meisten zurück in das Land, aus dem sie geflüchtet sind. Der aktuelle Zypern-Bericht der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge e. V. (KUB) in Berlin bemängelt etwa, dass "ein Großteil der Asylsuchenden in der Republik Zypern kein angemessenes Asylverfahren nach den Standards europäischer Richtlinien bekommt". So sei die Qualität der Anhörungen zu bemängeln: Selbst die Dolmetscher verfügten oft nicht über ausreichende Sprachkenntnisse. Dem Bericht zufolge sei eine wirksame Rechtshilfe für Asylbewerber eine Ausnahme: Seit 2009 sei auf Zypern nur dreimal Prozesskostenhilfe für eine Klage zugestanden worden.

Ansicht der Polizeistation in der Nähe von Larnaca / Zypern (Foto: Christopher Dömges)
In dieser Polizeistation bei Larnaca leben Hunderte von FlüchtlingenBild: DW/C. Dömges

"Die behandeln uns hier wie Kriminelle", sagt Ibrahim Diallo im Besucherraum des Abschiebegefängnisses. "Wir bekommen dreimal am Tag schlechtes Essen in der Kantine. Kaffee müssen wir selbst finanzieren." Und für einen wie Ibrahim, der nichts hat, außer dem, was er am Leib trägt, ist das eine besonders bedrückende Situation. "Ich bin ein Mann", betont er. Aus Stolz verweigerte er einen Krankenhausaufenthalt in der Hauptstadt Nicosia wegen eines Hautausschlags, weil man ihn dort gezwungen hätte, Handschellen zu tragen. Doch eine medizinische Versorgung im Abschiebegefängnis gibt es nicht. "Wenn Not am Mann ist, kann jemand sterben", sagt Ibrahim Diallo. Außerdem laufen im Abschiebegefängnis Untersuchungen, weil in zwei Fällen Gefangene vom Personal geschlagen worden sein sollen.

Vier Stunden pro Tag hat Ibrahim Diallo Freilauf - dann dürfen die Flüchtlinge im Hof Fußball und im Gemeinschaftsraum Karten spielen. Der junge Mann schreibt auch Gedichte. "Police Poems" - Polizeigedichte soll sein erstes Werk werden.

Rechtsanwälte kämpfen weiter

Währenddessen versuchen Ibrahims Rechtsanwälte Nicoletta Chambolous in Zypern und Eberhard Vogt in Deutschland, die Lage ihres Mandanten zu verbessern. "Ibrahims Fall wird neu aufgerollt. Der Ausgang ist offen", so Chambolous. Ibrahim sagt, er hätte nicht in Guinea bleiben können, da die Bedingungen dort miserabel seien. Rechtsanwalt Eberhard Vogt aus Dortmund runzelt die Stirn. "Unabhängig davon, ob die Version Ibrahims stimmt, ob er in Guinea verfolgt oder gar mit dem Tod bedroht wird - es gibt in der EU Gesetze, Richtlinien, nach denen jeder Asylbewerber behandelt werden muss. Mit der Haft in Deutschland ist Ibrahim jetzt im Ganzen seit mehr als sieben Monaten im Gefängnis. Ein systemischer Mangel, auch wenn maximal 18 Monate Haft zulässig sind“, so Vogt.

(Foto: Wikipedia/Andreas2009-sa)
Die Hafenstadt LarnacaBild: cc-by:Andreas2009-sa

Im Normalfall hänge es davon ab, inwieweit ein Flüchtling seine Identität preisgibt, ob das Abschiebeverfahren zügig vonstatten geht. Denn viele Asylsuchende verbrennen ihre Papiere, um nicht erkannt zu werden. Nach 18 Monaten Abschiebehaft müssen sie spätestens entlassen werden – im besten Fall folgt dann eine unsichere Duldung. Doch auch dieser Prozess kann sich hinziehen.

Ibrahim Diallo sehnt sich danach, in Ruhe seine Geschichte aufzuschreiben. Sein Acht-Bett-Zimmer bietet wenig Gelegenheit dazu - doch er gibt nicht auf.