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Hare-Krishna-Anhänger in Köln

3. September 2011

Die Hare Krishna-Bewegung wurde 1966 in New York gegründet. Einige Jahre später kam sie nach Deutschland. Der Ableger des Hinduismus war damals bei der Jugend beliebt. Auch heute gibt es die Krishnas noch, auch in Köln.

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Ratha Yatra Fest in Köln Foto: DW/Christina Beyert Aufnahmedatum, -ort: 6.8.11, Köln
Bild: DW

In der größten Einkaufsstraße Kölns sind die Besucher erstaunt. Sie sehen in Saris gekleidete Frauen, Männer mit kahlgeschorenen Köpfen und einen bunt geschmückten Wagen, auf dem ein Bildnis des Hindugotts Vishnu steht, der auch Jagannath oder Krishna heißt. Die Gottheit wird beim Ratha Yatra, dem Wagenfest, von ihren Anhängern durch die Straßen gezogen. Begleitet wird die Prozession von Trommlern und immer wieder von dem aus dem Sanskrit stammenden Mantragesang "Hare Krishna, Hare, Hare Hare Rama....". Die Einwohner der multikulterellen Stadt Köln sind offen für das Ratha-Yatra-Fest und für die Religionen des indischen Subkontinents: "Wir brauchen mehr Spiritualität in dieser Welt", sagt eine Besucherin des Wagenfestes.

Spiritualität und strenge Regeln

Mehr Spiritualität erlangen, das wollen auch die Mitglieder der "Hare-Krishna-Bewegung". Diese Religion ist ein Zweig des Hinduismus, bei dem der Hindugott Krishna verehrt wird. Sie wurde vom Inder Abhay Charan Bhaktivedanta Swami Prabhupda 1966 gegründet und kam aus den USA nach Europa. Die offizielle Bezeichnung für die Bewegung ist "International Society for Krishna-Consciousness", kurz ISKCON. Damals sah man die Anhänger, in orange Gewänder gehüllt und kahlgeschoren, oft in Einkaufsstraßen. Singend und trommelnd versuchten sie Mitglieder zu werben. In der heutigen Zeit leben sie eher zurückgezogen. Experten gehen davon aus, dass ISKCON über 400 Vollmitglieder in Deutschland hat, aber deutlich mehr Sympathisanten. Die Vollmitglieder leben in Tempeln und müssen sich strengen Regeln unterordnen. Kemal Ajlan, der sich Keshava nennt, ist Präsident des Gauradesh Tempels in Köln und erklärt, dass zum Beispiel das Chanten, das gemeinschaftliche Singen und Meditieren, bereits um halb fünf Uhr morgens beginnt und bis neun Uhr dauert.

Innenraum des Hari-Krishna-Tempels in Köln. Foto: DW/Christina Beyert 18.8.11 in Köln
Hare-Krishna-Tempel in KölnBild: DW

Danach gehen die fünf ständigen Tempelmitglieder ihren ganz normalen Tätigkeiten im Hause nach. Wie zum Beispiel Saubermachen oder Küchenarbeiten. Manche arbeiten auch außerhalb des Zentrums. Keshava, zum Beispiel, ist in der Promotionabteilung eines Herstellers von Bioprodukten beschäftigt. Alle Hare-Krishna-Anhänger sind Vegetarier. Sie gehen davon aus, dass die Schlachtung eines Tieres und der Verzehr dieses Fleisches, auch dazu führt, gewalttätig zu werden. Die pflanzlichen Mahlzeiten, die in der Küche des Gauradesh Tempels gekocht werden, sind auch außerhalb beliebt. Der Tempel betreibt ein Catering für private Kindergärten in Köln. Durch diese Einahmen, Mitgliedsbeiträge und Spenden finanziert sich der Verein.

Vom Islam zur Hare Krishna Religion

Keshava, Präsident des Hare-Krishna-Tempels in Köln Foto: DW/Christina Beyert18.8.11 Köln
Tempelpräsident KeshavaBild: DW

Der 36-Jährige Kemal Ajlan, alias Keshava, hat türkische Wurzeln und wurde als Moslem geboren. Er gewann im Alter von 21 Jahren erste Eindrücke der Hare-Krishna-Philosophie durch ein Buch. Ganz überzeugt von der Lehre wurde er 1996 auf dem Ratha-Yatra-Fest in Berlin. Ihn faszinierte vor allem die Barmherzigkeit, die vom indischen Hauptgott Vishnu ausging. Ihm gefiel, dass dieser Gott eine Persönlichkeit hatte und auch bildlich dargestellt wurde. Seine Eltern konnten zunächst jedoch die neue Religion ihres Sohnes nicht akzeptieren. Seine Mutter störte vor allem, dass es Bilder von Gott, in dem Fall von Vishnu, gibt. Im Islam ist das Gotteslästerung.

Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet und Keshavas Mutter sieht sogar in der Hare-Krishna-Religion Parallelen zum Islam. Denn viele der Gesetze sind ähnlich. Zum Beispiel das Verbot bestimmter Genussmittel - wie Alkohol, Drogen oder auch Glückspiel. Auch dass Gott allmächtig ist und man ein gottgefällliges Leben führen soll, ist eine Parallele.

Keine Sekte mehr

Heute gibt es über 300 Zentren der Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein weltweit. In Deutschland gibt es allerdings nicht mehr Anhänger als in den 1960er oder 1970er Jahren, denn viele Menschen sahen - und sehen noch immer - in der Bewegung eine Sekte. Einige der Gründe waren die lang andauernden Wiederholungen der Mantren, die bewußtseinsverändernd sein sollten. Inzwischen sind diese Behauptungen aber widerlegt worden. Das Image der Hare Krishna-Anhänger litt zudem durch Berichte wegen sexueller Übergriffe in den sechziger und siebziger Jahren.

Michael Utsch, Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen Bild: Michael Utsch
Michael Utsch: Hare-Krishna-Bewegung hat sich reformiertBild: M. Utsch

"Die Bewegung hat sich jedoch reformiert und wird nicht mehr als Sekte bezeichnet", sagt Michael Utsch von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen in Berlin. Dass die Hare Krishnas in westlichen Ländern wieder verstärkt Zulauf bekommen, sieht er dennoch skeptisch und sagt: "Die Vorstellung, durch bestimmte Meditationstechniken ein Krishna-Bewusstsein zu entwickeln, mag für bestimmte Auserwählte ein Lebensziel sein. Dass sie aber als eine Grundlage für eine neue Gesellschaft angesehen wird - halte ich für utopisch."

Im ISKCON Verein Köln sind Mitglieder jeglicher Glaubensrichtungen stets willkommen. Hier bemüht man sich um einen interreligiösen Dialog. Neben Predigeraktivitäten an Schulen und Universitäten arbeitet die ISKCON mit verschiedenen Hochschulen zusammen. Die University of Wales in Lampeter bietet sogar zusammen mit dem Verein den Studiengang "Vaishnava Theology", eine Hauptrichtung des Hinduismus an. Die Hare Krishna Anhänger in Köln haben sich vor allem zum Ziel gesetzt, durch ihren Tempel für diejenigen, die eine etablierte Quelle für mehr Spiritualität suchen, eine gute Anlaufstelle zu sein.

Autorin: Christina Beyert
Redaktion: Klaus Krämer/Sabine Faber