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Zivile Opfer in Afghanistan

18. Juli 2011

Die ersten sechs Monate dieses Jahres waren die blutigsten für die afghanische Bevölkerung seit Beginn des Kampfes gegen die Taliban im Jahr 2001. Und die Serie von Attentaten reißt nicht ab.

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Ein Verwundeter wird auf einer Trage ins Krankenhaus gebracht.(Foto: dpad)
Vor allem Zivilisten werden Opfer von AnschlägenBild: dapd

Die Zahl der getöteten Zivilisten in Afghanistan ist im ersten Halbjahr dieses Jahres um 15 Prozent höher als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. Das ergab die jüngste Studie der UN- Menschenrechtskommission zu Afghanistan. Rund 1500 Männer, Frauen und Kinder kamen im ersten Halbjahr 2011 ums Leben, berichtet Georgette Gagnon, Leiterin der Menschenrechtsabteilung der "United Nations Assistance Mission for Afghanistan" (UNAMA). Dies seien die offiziell gemeldeten Zahlen, die Dunkelziffer könnte noch weit höher liegen. Für 80 Prozent der zivilen Opfer seien die Taliban verantwortlich. "Der dramatische Anstieg liegt vor allem daran, dass die Taliban, die gegen die Regierung kämpfen, mehr Landminen und andere Sprengfallen gelegt haben." Außerdem haben die Taliban in den vergangenen Monaten wieder erheblich an Einfluss gewonnen, vor allem in den Provinzen Helmand, Kandahar und Khost im Süden des Landes.

Immer mehr Unfälle und Attentate

Eine Mine explodiert vor einem Minenräum-Fahrzeug der ISAF (Foto: AP)
Mühsam müssen die im ganzen Land verstreuten Minen geräumt werden.Bild: AP

Erst in der vergangenen Woche ereignete sich in Helmand ein tragischer Unfall: Kinder traten auf eine Mine, die von den Taliban gelegt worden war. Der Bauer Taj Mohammad war Zeuge: "Es war gegen halb neun morgens Ortszeit, als die Kinder losgegangen sind, um Futter für das Vieh zu sammeln. Dabei sind sie auf eine Mine getreten und es gab eine Explosion. Ich bin sofort hingelaufen und sah die drei Kinder am Boden liegen. Eins war sofort tot und die beiden anderen sind auf dem Weg zum Krankenhaus gestorben."

In jüngster Zeit häufen sich zudem die Anschläge auf regierungsnahe Beamte: Am vergangenen Sonntag (17.07.) töteten Selbstmordattentäter einen engen Berater des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai sowie einen Parlamentsabgeordneten in der Hauptstadt Kabul. Die Taliban bekannten sich zu dem Attentat. Auch in der Süd-Provinz Kandahar ist die Situation weiterhin instabil, sagen Beobachter. Seit der Ermordung von Ahmed Wali Karsai, Halbbruder des Präsidenten und einflussreicher Stammesführer, ist die Verunsicherung in der Bevölkerung groß. Zwar wurde schnell ein Nachfolger bestimmt. Doch so wie Abdul Satar aus Kandahar, glauben viele nicht an einen Neuanfang mit dem neuen Stammesoberhaupt Shah Wali Karsai: "Ich kenne ihn nicht. Ich weiß nur, dass er der Bruder des ermordeten Ahmed Wali Karsai ist, aber ich glaube nicht, dass er in der Lage ist, uns Frieden zu bringen."

Wütende Demonstrationen

Eine Masse aufgebrachter Afghanen kommt dem Fotografen entgegen (Foto: AP)
Der Zorn der Bevölkerung richtet sich oftmals gegen die Regierung und die internationalen TruppenBild: AP



Auf Anschläge, bei denen Zivilisten ihr Leben lassen müssen, reagieren die Afghanen meist mit wütenden Demonstrationen. Ihr Protest richtet sich jedoch weniger gegen die Taliban, als vor allem gegen die Politik der Regierung und die ausländischen Truppen im Land.

Tatsächlich gehen laut UN-Studie rund 14 Prozent aller zivilen Opfer in Afghanistan auf das Konto der NATO-Truppen. Erst in der vergangenen Woche starben in Khost, mutmaßlich bei einem NATO-Einsatz, mehrere Zivilisten, darunter ebenfalls ein Kind. Die NATO bestreitet die Vorwürfe, es lägen keine Berichte über den Tod von Zivilisten in Khost vor, heißt es. Immerhin soll der Fall untersucht werden. Eine aufgebrachte Menge trug die Leichen der Opfer durch die Stadt. "Wir protestieren gegen die Regierung und gegen die internationalen Truppen, weil unschuldige Menschen sterben mussten", sagte Gulbat Ahmed. Der Schneider aus Khost ist zutiefst enttäuscht und hat das Vertrauen in seine Regierung verloren: "Wir fordern die Regierung Karsais auf zu gehen, wenn sie nicht fähig ist, für unsere Sicherheit zu sorgen."

Instabile Sicherheitslage

Gesichter afghanischer Soldaten im Profil (Foto: AP)
Künftig sollen afghanische Soldaten die Sicherheit gewährleistenBild: AP

Anfang Juli hat der Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan begonnen. Er soll bis 2014 abgeschlossen sein. "Die Häufung der Anschläge in diesem Jahr und vor allem seit dem Beginn des Abzugs zeigt, dass die Sicherheitslage in Afghanistan sehr instabil ist", sagt Staffan de Mistura, Vorsitzender der UN-Assistance Mission for Afghanistan (UNAMA). Es sei gerade jetzt wichtig, dass die bisherigen Ergebnisse der UN-Studie über zivile Opfer ernst genommen und die Untersuchungen fortgesetzt werden. "Denn wir befinden uns mitten in der brisantesten Zeitspanne des Jahres, der sogenannten Sommer-Offensive der Taliban. Und der Sommer ist noch nicht vorbei."

Autorin: Waslat Hasrat-Nazimi

Redaktion: Ana Lehmann