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Höllischer Lärm statt himmlischer Ruhe

Beatrix Beuthner1. April 2012

Das Bundesverwaltungsgericht hat Nachtflüge in Frankfurt verboten. Vorerst werden dort zwischen 23.00 und 5.00 Uhr keine Maschinen mehr starten und landen. Auch andernorts sorgen Nachtflüge für Diskussionen.

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Ein Lufthansa Airbus 319 startet am 03.06.2010 auf dem Vorfeld des Flughafens in Köln Bonn (Konrad Adenauer Airport) Foto: Horst Galuschka
Bild: picture-alliance/dpa

Samstagvormittag, Konrad-Adenauer-Flughafen, Köln-Bonn. Im Terminal 2 am Schalter D 26 wird der Flug WG 1100 nach Kattowitz abgefertigt. Die Fluggäste haben sich zum Einchecken angestellt. Die Schlange ist lang, an ihrem Ende stehen zwei Frauen, eine der beiden ist Brigitte Mirnik. Darauf angesprochen, ob sie diesen Flug nach Kattowitz auch genommen hätte, wenn er als Nachtflug angeboten worden wäre, schmunzelt sie. Sie weiß sofort, worum es geht. "Ja, ja", sagt sie, "der Fluglärm in der Nacht!" Sie sei in ihrer Wohngegend nicht von Fluglärm betroffen und könne sich schon vorstellen, nachts zu fliegen. "Meine Tochter lebt aber in Köln-Ostheim. Sie beschwert sich oft über den Krach."

Hauptgebäude des Flughafens Köln-Bonn, Konrad Adenauer Wer hat das Bild/die Bilder gemacht?: Beatrix Beuthner Wann wurde das Bild/die Bilder gemacht?: März 2012 Wo wurde das Bild/die Bilder aufgenommen?: Deutschland, Großraum Köln/Bergisches Land
Flughafen Köln-Bonn verursacht vielen zu viel LärmBild: DW

Aktiv gegen Fluglärm

Einer, der sich über den Krach - insbesondere über den nächtlichen Fluglärm - nicht nur beschwert, ist Wolfgang Hoffmann. Er ist Gründungsmitglied der Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn e.V. und geht seit 40 Jahren aktiv dagegen vor. Der Köln-Bonner Flughafen weise in Deutschland die meisten Flugbewegungen pro Nacht auf, erzählt Hoffmann: 61,6 Flüge zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens.

***Achtung: Nur zur mit der abgebildeten Person abgesprochenen Berichterstattung verwenden!*** Wolfgang Hoffmann, Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn e. V. Wer hat das Bild/die Bilder gemacht?: Beatrix Beuthner Wann wurde das Bild/die Bilder gemacht?: März 2012 Wo wurde das Bild/die Bilder aufgenommen?: Deutschland, Großraum Köln/Bergisches Land
Wolfgang Hoffmann wehrt sich gegen NachtfluglärmBild: DW

Das Einfamilienhaus, in dem Wolfgang Hoffmann mit seiner Ehefrau seit 1970 lebt, steht in Köln-Rath, mitten im Grünen, am Rande des Königsforsts. Auf dem Dach des Hauses befindet sich eine Lärm-Messstation. Bis zum Flughafen sind es ungefähr sechs Kilometer Luftlinie. Hoffmann sammelt viele Daten, wertet sie aus und bereitet sie zu Grafiken, Übersichten und Tabellen auf. Der Diplom-Ingenieur der Mess- und Nachrichtentechnik arbeitet mit seinen 78 Jahren nicht mehr im Beruf, ist aber in Sachen Fluglärm ein viel gefragter Berater - auch von Politikern.

Schutzraum Wintergarten

Ein dicker Ordner liegt auf dem Tisch im Wohnzimmer. Voll mit eigens erhobenen Daten. Sein Tag sei noch immer so ausgefüllt wie zur Zeit des Erwerbslebens, erzählt Hoffmann. Vielleicht sogar noch ein wenig mehr. Er zeigt Darstellungen der Flugschneisen. Die unterschiedlichen Lärmpegel, die auf die angrenzenden Orte und Regionen einwirken, sind farblich markiert. 131.000 Flugbewegungen seien für den Flughafen Köln-Bonn für das Jahr 2011 erhoben worden, 34.000 davon fanden nachts statt.

Deckblatt des Fluglärmberichts vom Februar 2012 Wer hat das Bild/die Bilder gemacht?: Beatrix Beuthner Wann wurde das Bild/die Bilder gemacht?: März 2012 Wo wurde das Bild/die Bilder aufgenommen?: Deutschland, Großraum Köln/Bergisches Land
Monatlicher Lärmbericht zum Flughafen Köln-BonnBild: DW

Der Lärm dringe in die Häuser ein. Im Garten sitzen die Hoffmanns schon lange nicht mehr, auch nicht im Sommer. Sie haben sich einen Wintergarten gebaut. Und im Haus gibt es überall Schallschutzfenster. Die in den Schlafräumen hat der Flughafen bezahlt, im Rahmen eines Schallschutzprogramms. Dieses Programm schuf die Grundlage dafür, dass der Flughafen 1992 die Nachtflugregelung zunächst bis 2002 verlängert bekam. Erneute Verlängerungen erlauben Nachtflüge bis 2030. Eigentlich ernüchternd, aber für Hoffmann und die Lärmschutzgemeinschaft kein Grund, aufzugeben.

Mögliche Chance für Verfassungsbeschwerde

Für Köln-Bonn fordert der Verein ein Passagierflugverbot zwischen Mitternacht und fünf Uhr, den Austausch der lauten Frachtmaschinen und eine nächtliche Lärmkontigentierung. Außerdem strebt die Gemeinschaft aktuell eine Klage gegen die Erweiterung des Flugfelds A an. "Das ist eine Maßnahme, die die Verkehrsfläche betrifft", sagt Hoffmann. Die Klage muss allerdings noch zugelassen werden, würde der Lärmgemeinschaft aber dann ermöglichen, die seit Mitte der 1990er Jahre erfolgten Erweiterungen mit ins Visier zu nehmen.

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Lärmschutzgemeinschaft verweist auf das GrundgesetzBild: Lärmschutzgemeinschaft Flughafen Köln/Bonn e.V.

Für Hoffmann sind die erlaubten Grenzwerte noch viel zu hoch, schädigen die Gesundheit, verursachen Schlaganfälle, Herzkrankheiten und Bluthochdruck.

Krank durch Nachtfluglärm

Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen würden ohnehin nicht ernst genug genommen. Das Argument, der Flughafen sei ein Jobmotor, stehe immer an erster Stelle. Besonders wenn es um den Ausbau von Flughäfen gehe. Eine grundsätzliche Fehleinschätzung, meint Hoffmann. "Es werden nur Arbeitsplätze der Umgebung räumlich verlagert, verloren gehen sie nicht. Aber es werden auch keine neuen geschaffen." Außerdem würden die Kosten für gesundheitliche Schäden dem Nutzen der angeblich entstehenden Arbeitsplätze nicht gegenübergestellt. Die würden einfach auf die Solidargemeinschaft abgewälzt, vom Leiden durch Lärm sei gleich gar nicht die Rede.

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Wolfgang Hoffmann blickt auf stählerne Störenfriede am HimmelBild: DW

Dabei hätten Studien mittlerweile ergeben, dass Nachtflüge die Menschen aus der Tiefschlafphase reißen. "Selbst wenn sie nicht aufwachen, geraten sie in Schlafphasen, die weniger erholsam sind als der Tiefschlaf." Herz-Kreislauf-Erkrankunken würden dadurch begünstigt. Wolfgang Hoffmann selbst hat keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen - noch nicht. Aber ein Umzug in eine ruhigere Gegend kommt für ihn und seine Frau nicht infrage. Die Tochter ist hier aufgewachsen, sie schätzen den nahen Wald als Erholungsgebiet und haben hier ihre Freunde. In der Nachbarschaft, sagt Hoffmann, habe es allerdings bereits einige Krankheitsfälle gegeben, die den Schluss zuließen, dass der nächtliche Krach der Flugzeuge Auslöser sei.

Wenn der Krach zunimmt

Norbert Gaebler ist sich sicher: Die Schlaganfälle und die Herzerkrankungen seiner Nachbarn sind durch den gestörten Schlaf bedingt, den der Nachtfluglärm mit sich bringt. Beweisen kann er es nicht. Gaebler ist erst im Januar 2012 Mitglied der Lärmschutzgemeinschaft geworden. Er lebt in Overath, ungefähr zwölf Kilometer Luftlinie vom Flughafen Köln-Bonn entfernt. Sein Haus steht nahe der Agger, geradezu idyllisch. Vom liebevoll gepflegten Garten aus blickt man auf die Wipfel eines Waldes, aber auch oft genug auf die Flugzeuge, die über diesen Wipfeln auftauchen und nicht zu überhören sind - besonderss nachts nicht. Seit dem Einzug 2007 sei der Fluglärm stetig angestiegen, sagt Gaebler.

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Norbert Gaebler will mehr Ruhe für sich und seine FamilieBild: DW

Das Haus ist das Domizil der Familie. Norbert Gaebler lebt hier mit seiner Frau und seinen beiden erwachsenen Töchtern - eine der beiden ist schwerstbehindert. Deshalb ist das Haus behindertengerecht gebaut und ausgestattet. Seit der Fluglärm so zugenommen hat, ist die junge Frau bereits in mehreren Nächten davon aufgewacht. "Sie hat sich erschreckt und gekrampft", sagt Gaebler. Es dauere Tage, bevor sie nach solch einem Ereignis wieder zur Ruhe finde. Grund genug für ihren Vater, eben diese Ruhe auch in Form verminderter Dezibel gemeinsam mit der Lärmschutzgemeinschaft engagiert einzufordern.