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Im Amt gewachsen

Bettina Marx16. September 2013

Arabellion und Krise in Europa: Schwierige Aufgaben für einen Außenminister. Besonders dann, wenn er unerfahren und die Kanzlerin stark ist. Wie funktioniert diese Kombination?

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Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei einem Besuch in Skopje. Foto: DW
Bild: MIA

Für Guido Westerwelle war der Wechsel von der Oppositionsbank an die Spitze des Auswärtigen Amtes ein triumphaler Aufstieg. Der zuvor oft belächelte und mitunter geschmähte FDP-Vorsitzende hatte seiner Partei im Jahr 2009 mit fast 15 Prozent einen unerhörten Wahlerfolg beschieden. Nun war er auf dem Höhepunkt seiner Macht: Außenminister und Vizekanzler. Doch sein Start im neuen Amt war holprig, denn zunächst mischte Westerwelle weiter in der Innenpolitik mit und schenkte dem Außenressort nur wenig Aufmerksamkeit.

Auf Druck seiner Partei gab er Anfang April 2011 den Parteivorsitz schließlich ab und verzichtete auf das Amt des Vizekanzlers. Nun konnte er sich mehr seiner Aufgabe als Chefdiplomat widmen. Mit Erfolg, wie ihm der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, bescheinigt. "Jeder merkt, dass er jetzt mit Leib und Seele Außenminister ist", lobt er. Westerwelle durchdringe die Themen, er sei engagiert und er versuche, die deutschen Interessen in einem stärker zusammenwachsenden Europa umzusetzen. "Er ist ein überzeugter Multilateralist, das heißt, er setzt nicht auf nationale deutsche Alleingänge. Das finde ich gut. Westerwelle ist im Amt sichtbar gewachsen."

Starke Kanzlerin – schwacher Außenminister?

Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: AP/DAPD
Kanzlerin Merkel dominiert die AußenpolitikBild: dapd

Diese Einschätzung teilt auch der Politikwissenschaftler Gunther Hellmann. "Westerwelle ist ein mittlerweile souveräner Außenminister", urteilt er. Gleichwohl habe er neben Merkel nur wenig Gestaltungsfreiheit. "Es ist schwierig für einen Außenminister, mit einer Kanzlerin, die mittlerweile sehr routiniert ihr Amt ausübt, Punkte zu sammeln", erklärt der Politologe von der Universität Frankfurt.

Hinzu komme, dass durch den Lissabonner Vertrag zahlreiche außenpolitische Kompetenzen ins Kanzleramt abgewandert seien. Merkel verstehe es sehr geschickt, ihre Machtposition zu nutzen und ihrem Außenminister die wenig angenehmen außenpolitischen Entscheidungen zuzuschieben. Dies sei besonders deutlich geworden im Fall der Libyen-Entscheidung im Weltsicherheitsrat im März 2011. Westerwelle hatte sich in der Abstimmung über die Einrichtung einer Flugverbotszone über dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland enthalten, zusammen mit den Vetomächten Russland und China. Dafür war er vom politischen Gegner und in den Medien mit Kritik überschüttet worden.

In Wirklichkeit, so Hellmann, seien Merkel und Verteidigungsminister Thomas de Maizière an dieser Entscheidung wesentlich beteiligt gewesen. Sie hätten sich in der kontroversen Diskussion aber zurückgehalten und es zugelassen, dass Westerwelle die "teilweise ungerechtfertigten Prügel" für die unpopuläre Entscheidung einstecken musste. "Das war ein sehr geschickter Schachzug von ihrer Seite und Westerwelle ist meines Erachtens damals auch in ein paar Fettnäpfchen hineingetappt, die er hätte vermeiden können, wenn er sich etwas geschickter verhalten hätte", sagt der Wissenschaftler im Rückblick. Inzwischen hätte Westerwelle seinen Platz neben der Kanzlerin und dem Verteidigungsminister aber gefunden und agiere wesentlich souveräner als zu Beginn seiner Amtszeit.

Kritik an Westerwelle

Der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich schließt sich diesem Urteil an. Auch er billigt Westerwelle zu, im Laufe der letzten vier Jahre an Statur gewonnen zu haben. Dennoch könne er am Ende der Legislaturperiode nicht sagen, wo der Außenminister Schwerpunkte gesetzt habe. So habe er das im Februar 2012 vorgestellte außenpolitische Konzept der Bundesregierung nicht mit Leben erfüllt. Die von ihm als "Gestaltungsmächte" definierten Länder wie China, Kasachstan oder Malaysia würden ohne jede Rücksicht auf Menschenrechte und demokratische Werte zu strategischen Partnern erklärt, kritisiert Mützenich. Welche Ziele man aber mit diesen Ländern verfolge, bleibe unklar. "Dieses Konzept der Gestaltungsmächte ist scheinbar eine Handlungsanleitung, welche Staaten man mit Waffen ausrüstet", so Mützenich. Auch seine Lateinamerika-Strategie habe Westerwelle nicht vorangebracht.

Der außenpolitische Experte der SPD-Fraktion Dr. Rolf Mützenich im Gespräch mit DW-TV in Berlin.
Verhaltenes Lob: SPD-Abgeordneter Rolf MützenichBild: DW

Ähnliches gelte für das Verhältnis zu Russland. Hier habe es Westerwelle versäumt, den ehemaligen Präsidenten Dimitri Medwedew zu stärken und dessen Versuch, eine neue Sicherheitsarchitektur zu erstellen, angemessen zu unterstützen. Und: "Was ich gar nicht akzeptieren kann, ist, dass er überhaupt keine Rolle eingenommen hat bei der Kritik der Rüstungsexporte. Hier, finde ich, hätte der Außenminister eine ganz andere Rolle einnehmen müssen, insbesondere weil er sagt, er steht für eine wertegeleitete Außenpolitik."

Westerwelle sei angetreten mit dem Versprechen, sich für atomare Abrüstung einzusetzen. Dieses Bestreben werde aber dadurch konterkariert, dass die Bundesrepublik zunehmend Waffen in Spannungsgebiete wie die arabische Halbinsel liefere.

Die Merkel-Doktrin

Im Juli 2011 hatte die Entscheidung des Bundessicherheitsrates, den Export von 200 Kampfpanzern vom Typ Leopard an Saudi-Araben zu genehmigen, für Unruhe und Verärgerung gesorgt. Kurz zuvor – im März 2011 – waren saudische Truppen in den Inselstaat Bahrain einmarschiert, um dem König zu helfen, die Rebellion gegen seine Herrschaft niederzuwerfen.

Die Entscheidung, Riad mit Waffen zu versorgen, entspringt der sogenannten "Merkel-Doktrin". Sie besagt, dass Deutschland, anstatt Soldaten zur Konflikteindämmung in Krisengebiete zu entsenden, regionale Mächte mit Waffen ausstattet, damit die diese Aufgabe übernehmen. Die Bundeskanzlerin erläuterte diese neue außenpolitische Richtlinie erstmals bei einer Rede vor der Körber-Stiftung in Hamburg im Oktober 2011. "Wir müssen die Staaten, die bereit sind, sich zu engagieren, auch dazu befähigen. Ich sage ausdrücklich: Das schließt auch den Export von Waffen mit ein." Im Oktober 2012 präzisierte Merkel bei einer Rede vor der Bundeswehr in Straußberg: "Wer sich der Friedenssicherung verpflichtet fühlt, aber nicht überall auf der Welt eine aktive Rolle in der Friedenssicherung übernehmen kann, der ist auch dazu aufgerufen, vertrauenswürdigen Partnern zu helfen, damit sie entsprechende Aufgaben übernehmen."

Der Kampfpanzer Leopard 2 A4 während einer Militärübung.
Panzer für die Wüsten Arabiens?Bild: imago

Mehr Verantwortung in der Welt?

Für den SPD-Politiker Rolf Mützenich ist die Merkel-Doktrin nichts anderes als ein Konjunktur-Programm für die deutsche Rüstungsindustrie, die unter dem sinkenden Bedarf einer verkleinerten Bundeswehr leide. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), dagegen lehnt die Lieferung von Waffen an Saudi-Arabien trotz mancher Vorbehalte nicht rundheraus ab: "Man kann nicht von der Hand weisen, dass sich Saudi-Arabien etwa an der Grenze zum Jemen durchaus einer Bedrohung gegenüber sieht", sagt er. Darüber hinaus würden die schiitischen Huthi-Rebellen in Saudi-Arabien vom Iran unterstützt. Auch dies müsse man "im Blick haben."

Die in den Medien vielfach geäußerte Kritik, Deutschland würde sich nicht angemessen an militärischen Interventionen beteiligen, weist er dagegen zurück. Deutschland habe mehr als 6000 Soldaten im Ausland stationiert. Alle Einsätze seien völkerrechtlich legitimiert und Berlin nehme damit seine Verantwortung durchaus wahr. Auch der Politikwissenschaftler Gunther Hellmann sieht hier kein Defizit: "Nach meinem Dafürhalten ist die Politik der Bundesrepublik, so wie sie im Moment im Hinblick auf ihre globale Verantwortung definiert wird, durchaus der Rolle, der Geschichte, dem Verständnis und den Machtpotenzialen Deutschlands angemessen."

Außenminister Westerwelle steht hinter dieser Nicht-Intervention. "Militärische Einsätze dürfen kein normales Mittel der Politik sein, sondern müssen die große Ausnahme bleiben", sagte er in einem Zeitungsinterview. Er wolle lieber dafür kritisiert werden, dass er zu gründlich abwäge und gelegentlich zweifle, "als dass ich mir vorwerfen lassen müsste, ich schickte deutsche Soldaten leichtfertig in Einsätze."