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"Grüne Spiele" für Sotschi?

Friedel Taube6. Februar 2014

Nur 40 Kilometer sind es vom Schwarzen Meer bis zum Beginn des Kaukasus-Gebirges. Die gewaltigen Infrastruktur-Maßnahmen gefährden die Umwelt massiv. Die Natur muss sich Putins Spielen unterordnen.

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Sotschi Olympische Ringe Flughafen
Bild: DW/F. Taube

Wladimir Kimajew schaut nachdenklich, fast traurig in die Schlucht unter ihm - ein Steinbruch. Bagger fräsen sich hier Tag und Nacht immer tiefer in den Berg. Wir sind im Örtchen Achschtyr, nur rund zehn Kilometer entfernt von Sotschi, dem Zentrum der Olympischen Winterspiele. "Der Bau olympischer Objekte hat Sotschi einen kaum revidierbaren ökologischen Schaden zugefügt", sagt der Umweltschützer.

Kimajew arbeitet für die regierungskritische "Ökologische Wacht Nordkaukasus". Er hat die Umweltzerstörungen rund um Sotschi seit der Vergabe der Spiele 2007 mitverfolgt. Für die olympischen Sportstätten und die gigantischen Infrastrukturmaßnahmen brauchte man Steine. In Achschtyr mussten deshalb Bäume weichen, um den Zugang zum Fels zu sichern. "In sowjetischen Zeiten gab es in Sotschi 30 Quadratmeter Grünfläche pro Einwohner. Heute sind es gerade mal noch drei Quadratmeter", rechnet Kimajew vor.

Wladimir Kimajew Umweltschützer Sotschi, Foto. Friedel Taube
Wladimir KimajewBild: DW/F. Taube

Eine Schnellstraße im Flussbett

40 Kilometer liegen zwischen den Olympischen Sporthallen im Stadtteil Adler, direkt am Meer, und Krasnaja Poljana in den Bergen. Hier starten die Skiwettbewerbe. Die Schnellstraße und die Bahntrasse nach Krasnaja Poljana sind das wohl größte Infrastrukturprojekt der 40-Milliarden-Euro-Spiele. Sie führen mitten durch das Naturreservat Nord-Kaukasus. Wie riesige Stelzen bohren sich die Betonpfeiler der Hochstraße in das Bett der Msymta, des größten Flusses der Region. "Es war der einzige Fluss Russlands mit einer Flusslinie, die aus einem besonderen Gemisch aus Sand und Stein bestand", erinnert sich Kimajew. "Ein natürlich gebildeter Strand, der während der Bauarbeiten zerstört wurde."

Auch die Sportstätten in Krasnaja Poljana entstanden nur dank eines gigantischen Kahlschlags. Das sieht jeder, der den Lift hoch zum Biathlonstadion nimmt. Die rund zehnminütige Fahrt führt über eine Schneise der Zerstörung: abgehackte Bäume, dazwischen immer wieder Bauschutt. Oben angekommen, erwartet einen bereits der Hausherr: Andrej Markov, Manager der Arena. Voller Stolz führt er durch das Stadion für 7500 Zuschauer. Die Frage nach den Umweltaspekten beantwortet er schmallippig. "Naja, wenn man so etwas wie hier bauen will, dann muss man halt aktiv werden", sagt er und windet sich. "Wir entschuldigen uns für jeden Baum, den wir gefällt haben…aber anders geht es halt nicht, wenn du so eine Anlage hier hinstellen willst."

Sotschi Seilbahn Rosa Khutor, Foto. Friedel Taube
Schneise der Zerstörung: Seilbahn in Krasnaja PoljanaBild: DW/F. Taube

Bäume sollen ersetzt werden

"Die grünen Spiele" von Sotschi sollten es werden. Noch am Dienstag (04.02.2014) vor der Eröffnungsfeier besuchte Staatspräsident Wladimir Putin eine Aufzuchtstation für Leoparden, die hier nach dem Ende der Spiele ausgewildert werden sollen. Umweltzerstörungen? Für Putin gibt es die nicht. Und auch im Rathaus von Sotschi wissen die Beamten ihr grünes Gewissen zu beruhigen. Vor einem großen Stadtpanorama, das Sotschi zu alten Kurortzeiten zeigt, steht Zhanna Grigorieva. Die Assistentin des Bürgermeisters versichert: "Die Arbeiten an den olympischen Stätten liefen nicht nur unter Aufsicht des IOC, sondern auch unter der des russischen Umweltministeriums." Ein ornithologischer Park, der extra für die Zeit nach den Spielen angelegt wurde, soll für die Nachhaltigkeit der Spiele stehen. Auch für einen neuen Wald habe man gesorgt. "Für jeden gefällten Baum hat man an anderer Stelle einen neuen Baum gepflanzt."

1,5 Milliarden Euro fließen angeblich in die Wiederaufforstung. Aber Wladimir Kimajew glaubt nicht an die "Grünen Spiele": "In den Sümpfen werden zwar Kompensationspflanzen hingesetzt - aber was ist das? Da werden Palmen aus Italien eingeführt, die für diese Region total untypisch sind."

Zhanna Grigorieva (Stadtverwaltung Sotschi), Foto: Friedel Taube
Zhanna GrigorievaBild: DW/F. Taube

Natur und Menschen leiden

In Achschtyr klagt die Bevölkerung über Staub in der Lunge. Der örtliche Brunnen ist durch die Arbeit am Steinbruch versiegt. Der Lärm der täglich 250 LKW, die über Jahre über die Schotterstraße donnerten, machte viele Leute krank. Alexander Koronow, Bewohner von Achschtyr, klagt: "Hinzu kommt, dass unser Gemüse und Obst, das wir früher auf dem Markt verkauft haben und das unsere Lebensgrundlage war, keiner mehr haben will, weil es voller Staub ist."

Hoffnung machen Wladimir Kimajev die kleinen Erfolge, die er und seine Mitstreiter errungen haben. So wurde zum Beispiel die ursprünglich geplante Bobtrasse verlegt. Auch den Bau eines zweiten Hafens am Schwarzen Meer konnten die Umweltschützer verhindern.

Steinbruch bei Sotschi, Foto: Friedel Taube
Steinbruch in AchschtyrBild: DW/F. Taube

Die meisten Menschen in Sotschi freuen sich aber über die Spiele - jetzt, wo die meisten Bauarbeiten vorbei sind. Sie finden es gut, dass Russland sich der Welt zeigt und Sotschi von der Infrastruktur profitiert. "Die Stadt hätte sich auch ohne Olympia entwickelt - wenn auch nicht so rasant", ist sich Kimajev sicher. "Es ist der einzige Ferienort im Süden Russlands, der landesweit Bedeutung hat. Da wäre auch so Geld aus dem Landeshaushalt, dem regionalen und kommunalen Haushalt geflossen."

Nach Olympia will Kimajew weiter kämpfen - für eine nachhaltige Nutzung des Olympia-Erbes und für die Wiederherstellung der einzigartigen Natur im Nordkaukasus.