Gruß aus Barranquilla, Kolumbien | Regionen | DW | 24.06.2013
  1. Inhalt
  2. Navigation
  3. Weitere Inhalte
  4. Metanavigation
  5. Suche
  6. Choose from 30 Languages

Regionen

Gruß aus Barranquilla, Kolumbien

Ramón García-Ziemsen berät Lokalradios - und das erfordert viel Geduld.

Eines Abends fiel der Sendemast von Vokaribe um. Er war 32 Meter hoch. Doch, das kann man einen Rückschlag nennen, zumal der Sendemast von Vokaribe, dem Sender, den wir in Barranquilla beraten, erst seit ein paar Wochen stand. Die Probesendungen hatten gerade erst begonnen. Zum Glück kam niemand zu Schaden, weil der Mast auf das einzige etwas besser gestützte Dach der Straße fiel. Alle Kosten werden von der Firma übernommen, die den Sendemast gebaut hat.

Aber was heißt das schon?

"Ein Gruß aus…" mit einer Geschichte aus dem großen Buch der Desaster zu beginnen, ist vielleicht etwas ungewöhnlich. Auf Postkarten schreibt man schließlich auch nur, wie schön das Wetter und wie gut das Essen ist und dass der Partner weniger nervt als zu Hause – was natürlich in der Regel alles gelogen ist.

Aber der Rückschlag, die kleine oder große Katastrophe, das Nichtfunktionieren wird von den Costeños, den Menschen, die hier an der kolumbianischen Karibikküste leben, gewöhnlich als Teil "des Prozesses" verstanden. Die Reaktion von Walter, dem Direktor des Radios (obwohl er das überhaupt nicht gerne hört) war: "Gut, dann dauert es eben etwas länger bis wir senden."

Ja, da kann man ganz viel lernen.

Ich lebe in Barranquilla. Barranquilla ist so wie Köln, die Stadt, aus der ich komme: Hässlich, und es gibt Karneval. Man fühlt sich also zu Hause. Aber natürlich gibt es auch sehr nette Menschen, die allerdings nie auf Emails antworten, weil sie alle auf Facebook sind. Allerdings antworten sie auch nie auf Facebook, weil sie in der Regel 2000 Freunde haben. Und das erschwert den Überblick doch ungemein.

Mein Büro habe ich an der Universidad del Norte, einer sehr schicken Privatuni. Es ist vier Quadratmeter groß, was aber für 15 Studenten reicht, die noch einmal über ihre Note reden wollen, denn die Note ist alles. Aber hier zu arbeiten macht Spaß, weil die Uni neben Vorlesungen und Seminaren einen machen lässt und Raum für Projekte gibt, wie das Lokalmedienprojekt der DW Akademie hier oben, im kolumbianischen Norden. In Cartagena, Santa Marta, Riohacha und eben Barranquilla arbeiten wir mit radios comunitarios zusammen, die versuchen, unabhängig und kritisch zu sein. Und dabei auch noch handwerklich guten und kreativen Journalismus zu machen.

Denn es gibt noch einen schönen Satz von Walter, der in seinem anderen Leben Sänger von Sistema Solar ist, einer sehr angesagten und bekannten Band: "Es mag ja sein, dass wir arm sind. Aber ein armes Radio muss nicht arm klingen."

Bald wird gewiss auch der Sendemast wieder stehen. Es wird länger dauern als geplant, aber Walter bleibt gelassen. Es sei wie mit einem Elefanten: "Der ist manchmal sehr langsam. Aber kommt eben an."

Ramón García-Ziemsen arbeitet seit vielen Jahren als Journalist der Deutschen Welle., lange als freier Journalist, dann mal wieder fester und seit 2007 ganz fest. Bis 2011 hat er die deutsche Kulturredaktion in Bonn geleitet. Zwischendrin war er immer mal wieder als Trainer für die DW Akademie unterwegs – meistens in Lateinamerika. Seit 2011 ist er "integrierte Fachkraft" an der Universidad del Norte in Baranquilla, Kolumbien. Das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) vermittelt diese "integrierten Fachkräfte" in die ganze Welt (Ingenieure, Mediziner, Lehrer und viele mehr...). An der Universidad del Norte, einem langjährigen Partner der DW Akademie, unterrichtet er Journalismus, arbeitet an der Entwicklung neuer Lehrpläne mit. Spaß hat er auch an der Weiterentwicklung des Kulturradios der Universität. Für die DW Akademie ist er als Berater des kolumbianischen Lokalmedienprojekts tätig.