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Griechische Börse im Höhenflug

Jannis Papadimitriou6. November 2013

Der griechische Kapitalmarkt hat Hochkonjunktur: Seit Mai 2012 hat der Athener Börsenindex ASE um über 140 Prozent zugelegt. Ob dies auch ökonomisch gerechtfertigt ist - daran scheiden sich die Geister.

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Eine Kurstafel an der Börse in Athen zeigt steigende Kurse an (Foto: Reuters/Yiorgos Karahalis)
Bild: Reuters

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut Bloomberg News hat die Athener Börse in den vergangenen 16 Monaten fast alle Börsen der Welt geschlagen; nur Venezuela hatte sich in diesem Zeitraum noch besser entwickelt. Vor allem griechische Banken und exportorientierte Industrieunternehmen scheinen die Anleger international zu interessieren.

Manos Hatzidakis, Chefanalyst des Athener Finanzdienstleisters Beta Securities, sieht sogar weiteres Potenzial für Wertgewinne mit griechischen Aktien; er gibt aber auch zu bedenken, dass dem scheinbaren Börsen-Boom eine jahrelange Phase starker Kursrückgänge vorausgegangen war. Vor allem ausländische Fonds würden derzeit breit gestreut in griechische Aktien investieren, erläutert Hatzidakis. Allerdings dürfe man nicht aus den Augen verlieren, dass in den letzten Jahren Börsengewinne im Zuge der Wirtschaftskrise stark rückläufig gewesen seien: Zwischen 2007 und 2013 habe der Athener Börsenindex 85 Prozent an Wert verloren.

Ein Schwellenmarkt mitten in der Eurozone

Noch im Juni hatte der renommierte Indexanbieter MSCI (Morgan Stanley Capital Index) das von der Krise arg gebeutelte Griechenland zum Schwellenland herabgestuft, weil dort die in einem Industrieland vorgesehenen Rahmenbedingungen für den Kapitalverkehr nicht eingehalten würden - ein bis dahin einmaliger Vorgang. Die Herabstufung wurde damals als ein Tiefschlag für Griechenland bewertet; der Athener Aktienindex rutschte daraufhin auf ein Zwei-Monats-Tief.

Doch jedes Übel hat sein Gutes: Gerade wegen der Abstrafung durch MSCI seien in jüngster Zeit die auf Schwellenländer spezialisierten Fonds an die Athener Börse gelockt worden, vermuten griechische Finanzexperten. Auch Manos Hatzidakis teilt diese Auffassung. "Es klingt paradox: Griechenland erscheint als ein Schwellenmarkt, bleibt aber immer noch ein Teil des hochentwickelten europäischen Wirtschaftsraums", erklärt der Finanzanalyst. Das mache Aktieninvestitionen doppelt attraktiv. Denn die Anleger hofften darauf, sowohl von den Wachstumsversprechen eines Schwellenmarktes, als auch von den Stabilitätsversprechen eines Euro-Landes profitieren zu können.

Manos Hatzidakis, Chefanalyst des Athener Broker-Hauses Beta Securities (Foto: DW/Jannis Papadimitriou)
An der Börse in Athen sind keine Spekulanten am Werk, glaubt Manos HatzidakisBild: DW/J. Papadimitriou

Die Regierung bezeichnet den Aufwärtstrend der griechischen Börse als Vertrauensbeweis in die Wirtschaft des Landes: Die Märkte würden offenbar auf einen Aufschwung Griechenlands spekulieren und honorierten damit auch den soliden Wirtschaftskurs der Athener Koalitionsregierung unter der Führung des Konservativen-Chefs Antonis Samaras.

Ob die Anleger tatsächlich aus Überzeugung auf Griechenland setzen oder nur deshalb aus der Deckung kommen, weil sie Gewinne mitnehmen wollen, wird unter griechischen Handelsprofis kontrovers diskutiert. Hatzidakis glaubt, dass die aktuellen Börsenkurse nicht durch Spekulation angetrieben würden, sondern die wirkliche Lage der griechischen Wirtschaft widerspiegelten.

Foyer der Börse in Athen. Die Laufschrift dort zeigt steigende Kurse an (Foto: Reuters/Yiorgos Karahalis)
Steigende Kurse an der Börse in AthenBild: Reuters

"Aus Griechenland gibt es doch positive Nachrichten zu vermelden: Ein Euro-Austritt erscheint unwahrscheinlich, die Rekapitalisierung der Banken ist erfolgreich verlaufen, Sparziele werden erreicht oder sind in Reichweite", sagt der Finanzanalyst. Natürlich sei es gut möglich, dass einige Fonds am griechischen Kapitalmarkt nur spekulieren wollten, aber das sei überall auf der Welt der Fall, wenn die Kurse steigen.

Warnung vor bösen Überraschungen

Eine andere Auffassung vertritt der liberale Publizist und Leiter des Finanzportals Capital.gr, Thanassis Mavridis. 2007 gehörte er zu den wenigen Wirtschaftsexperten in Griechenland, die öffentlich vor dem damaligen Absturz an der Börse gewarnt hatten. Und auch diesmal sieht Mavridis Spekulanten am Werk, deren Treiben für Kleinanleger nichts Gutes bringe.

Das Geschehen an der Börse habe mit der Realwirtschaft in Griechenland nichts zu tun, glaubt der Finanzexperte. Schon in den letzten Monaten seien manche Aktien überbewertet gewesen, erinnert sich Mavridis und warnt die Anleger vor bösen Überraschungen: "Wer heute Aktien anbietet, muss ein echtes Verkaufstalent sein." Ein solcher Anbieter sei wohl zu niedrigen Kursen eingestiegen und wolle seine Aktien jetzt loswerden und die Gewinne mitnehmen, sagt Mavridis mit ironischem Unterton.

Thanassis Mavridis, Leiter des griechischen Finanzportals Capital.gr (Foto: DW/Jannis Papadimitriou)
Thanassis Mavridis befürchtet eine Blase an der Börse in AthenBild: DW/J. Papadimitriou

Traditionell gelten die Banken als Triebkräfte der griechischen Börse, doch krisenbedingt seien diese Zeiten vorbei, befürchtet der Wirtschaftspublizist. Selbst nach der jüngsten Rekapitalisierung stünden die meisten Kreditinstitute in Griechenland immer noch nicht auf eigenen Beinen. "Die genaue Höhe der faulen Kredite kennen wir immer noch nicht. Wahrscheinlich werden wir weitere Kapitalspritzen für unsere Banken in Anspruch nehmen müssen", befürchtet der Finanzexperte.

Letzten Endes glaubt auch Mavridis, dass der griechische Kapitalmarkt Potenzial hat. Doch man brauche einfach mehr Zeit, damit die angeschlagenen Banken und Großunternehmen des Landes sich wieder erholen könnten.