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Griechenlands Finanzminister muss gehen

Jannis Papadimitriou, Athen10. Juni 2014

Zwei Wochen nach seiner Niederlage bei der Europawahl hat der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras das Kabinett neu sortiert. Wichtigste Änderung: Finanzminister Jannis Stournaras muss seinen Stuhl räumen.

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Jannis Stournaras (Foto: Getty Images)
Nicht mehr im Amt: Jannis StournarasBild: Louisa Gouliamaki/AFP/Getty Images

Lange war in Athen über eine Neubesetzung des Finanzministeriums spekuliert worden. Für viele Griechen ist damit vor allem die Hoffnung auf eine Lockerung der Sparpolitik verbunden. Doch die Geldgeber Griechenlands machen sich Sorgen um die Einhaltung der Sparauflagen.

Ob Regierungschef Samaras seinen Wirtschaftskurs tatsächlich ändert, ist derzeit nicht klar. Immerhin gilt der scheidende Finanzminister Stournaras als aussichtsreicher Kandidat für den Chefposten der griechischen Zentralbank, der in den nächsten Tagen neu besetzt wird. Aus neuer Position heraus könnte Stournaras auch bei künftigen finanzpolitischen Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitreden.

Sein Nachfolger im Finanzministerium, Gikas Hardouvelis, Wirtschaftsprofessor an der Universität Piräus, gilt als gut vernetzter Marktkenner, der sowohl bei den Konservativen als auch bei den Sozialisten Sympathien genießt. Er war unter anderem als Wirtschaftsberater des ehemaligen Ministerpräsidenten Kostas Simitis und Chefanalyst von Eurobank, des drittgrößten griechischen Geldinstituts, tätig. Der in den USA promovierte Ökonom plädiert vehement für niedrige Steuern und will damit neue Akzente in der Finanzpolitik setzen, wie Iordanis Hassapopoulos, Politanalyst beim TV-Sender Mega Channel, meint.

"Die Neubesetzung mit Hardouvelis war eine gemeinsame Entscheidung des konservativen Ministerpräsidenten Samaras und des sozialistischen Vizeregierungschefs Evangelos Venizelos. Als Nachfolger von Stournaras wünschten sich die beiden einen Fachmann, der Kontinuität ausstrahlt und dennoch für einen Neuanfang in der Steuerpolitik steht", sagt Hassapopoulos. Gleich an diesem Dienstag (10.06.2014), wenn das neue Kabinett erstmals zusammentritt, werde der Regierungschef eine Minderung der Steuerlast ankündigen, glaubt der Politanalyst.

Antonis Samaras (Foto: Getty Images)
Tauscht einige seiner Minister aus: Antonis SamarasBild: Getty Images

Machtpoker um eine neue Wirtschaftspolitik

Wie kein anderer Finanzminister vor ihm, konnte Stournaras die Auflagen der aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) bestehenden Troika umsetzen und eine Konsolidierung der griechischen Staatsfinanzen vorantreiben. Seine harte Sparpolitik bescherte ihm allerdings auch Gegner in den eigenen Reihen. Ende Mai platzte es aus ihm heraus: Er müsse nicht unbedingt im Amt bleiben und werde sich nicht zum Sündenbock für die Niederlage bei der Europawahl machen lassen, erklärte Stournaras gegenüber Freund und Feind. Allein schon das Gerücht über seine Absetzung hatte - laut griechischen Medienberichten - Besorgnis unter den EU-Partnern erzeugt.

Nach Auffassung des Wirtschaftsanalysten Antonis Papagiannidis ist der neue Mann an der Spitze des Athener Finanzministeriums durchaus bereit, die Reformpolitik von Stournaras fortzusetzen - allerdings mit einem wesentlichen Unterschied: Ab sofort müsse sich die Troika auch auf kritische Fragen aus Athen gefasst machen, mahnt Papagiannidis im TV-Sender Skai: "Als Chefanalyst von Eurobank hat Gikas Hardouvelis deutliche Kritik an den Misserfolgen und verpatzten Prognosen der Troika geäußert. Er lehnt ein Sparprogramm nicht ab, er befürwortet es sogar - aber er will auch auf ideologische Zwangsvorstellungen der Troika hinweisen, die mehr Schaden als Nutzen bringen", gibt der Ökonom zu bedenken.

Für Aufsehen sorgte neulich in Athen auch der Rücktritt des von der Troika eingesetzten obersten Steuereintreibers Haris Theocharis. Nach einem Treffen mit dem scheidenden Finanzminister Stournaras am vergangenen Donnerstag (05.06.2014) erklärte Theoharis, er trete "aus persönlichen Gründen" zurück, was jedoch wenig glaubhaft wirkte. Als Zeichen der Kontinuität wird immerhin gewertet, dass die erfolgreich agierenden Vize-Finanzminister Christos Staikouras und Jorgos Mavraganis weiterhin im Amt bleiben.

Neustart für die Regierung Samaras?

Seit zwei Jahren regiert in Griechenland eine Notkoalition aus Konservativen und Sozialisten, die nur über eine knappe Parlamentsmehrheit verfügt und schmerzhafte Reformen durchführen soll. Nachdem die Linksopposition die Europawahl mit knapp vier Prozentpunkten Vorsprung vor den Konservativen gewinnen konnte, führt Ministerpräsident Samaras also nun eine der umfangreichsten Regierungsumbildungen seit Jahrzehnten durch: Ein halbes Dutzend Minister tauschte er aus.

Gikas Hardouvelis (Foto: dpa)
Leitet künftig das Finanzministerium: Gikas HardouvelisBild: picture-alliance/dpa

Ein Neustart zur Halbzeit der Wahlperiode? Eigentlich habe die neue Regierung zwei Gesichter, erläutert der Politanalyst Dimitris Tsiodras im TV-Sender Skai. Einerseits stehe das Finanzministerium für Kontinuität und Reformbereitschaft. Andererseits achte man bei den übrigen Ministerien darauf, ein Gleichgewicht der Kräfte zu wahren, sagt Tsiodras. Und er fügt hinzu: "Das ist keine Reformregierung, die Herausforderungen frontal angeht und Konflikte wagt. Diese Regierung sucht eher den Ausgleich."

Zu den Geschassten gehören Gesundheitsminister Adonis Georgiadis, der sich mit mächtigen Lobbygruppen angelegt hatte, und sein ebenfalls reformorientierter Kollege vom Wirtschaftsressort, Kostis Hatzidakis. Dafür kehrt der Sozialist Andreas Loverdos, der seine Partei aus Protest gegen die Sparpolitik zeitweise verlassen hatte, in die Links-Rechts-Koalition zurück. Als überraschender Neuzugang gilt der konservative Publizist Argyris Dinopoulos, der das Innenministerium übernimmt.

"Die Regierung signalisiert, dass sie die Botschaft der Wähler verstanden hat und bereitet sich zudem auf eventuelle Neuwahlen vor", sagt Tsiodras. Ein typisches Beispiel dafür sei die Neubesetzung des Gesundheitsressorts: Der neue Minister Makis Voridis übernehme nicht zuletzt auch die Pflicht, die Ärzte- und Apothekerlobby zu besänftigen, glaubt der Athener Politanalyst.