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"Gravierende Probleme müssen jetzt angepackt werden"

20. Dezember 2007

Der Experte der deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung, Ricardo Giucci, äußert sich zu den aus seiner Sicht vorrangigen Aufgaben des neuen Kabinetts: mehr Investitionen und weniger Inflation.

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Bild: DW

DW-Ukrainisch: Wie bewerten Sie das Erbe, das Premier Wiktor Janukowytsch seiner Nachfolgerin Julija Tymoschenko hinterlassen hat?

Ricardo Giucci: Es gab sehr positive, aber auch negative Aspekte. Wenn wir in die Zukunft blicken, sehen wir zwei gravierende Probleme, die jetzt angepackt werden müssen. Einmal geht es um die mangelnde Investition in Schlüsselbereichen und zum anderen um die sehr hohe Inflation. Es ist wichtig für die neue Regierung, Anreize für private Investitionen zu schaffen, vor allem im Energiebereich, in der Infrastruktur, aber auch in der Landwirtschaft. Dafür ist es erforderlich, im Energiesektor eine bessere Preisregulierung zu machen. Im Agrarsektor müssten die Preise nicht mehr kontrolliert und die Exportinterventionen müssten abgeschafft werden. Wichtig ist auch für die Finanzierung der Investitionen, dass der Kapitalmarkt sich entwickelt. Der Privatisierungsprozess muss wieder aggressiv angepackt werden. In diesem Jahr ist es kaum zur Privatisierung gekommen. Das muss natürlich transparent erfolgen, was in der letzten Zeit nicht immer der Fall war.

Was halten Sie von einer möglichen Reprivatisierung?

Falls es zu einer Reprivatisierung kommen sollte, wäre es wichtig, darauf zu achten, dass Investoren nicht verunsichert werden, so wie das 2005 teilweise passiert ist. Man kann natürlich Privatisierungsgeschäfte der Vergangenheit in Frage stellen, aber das muss sehr eng beschränkt werden auf sehr konkrete Objekte. 2005 hatte man von bis zu 3.000 Objekten gesprochen. Das hat im Lande eine riesige Unsicherheit produziert, und das war negativ für die Volkswirtschaft. Deswegen ist es wichtig, wenn man bestimmte Privatisierungsgeschäfte in Frage stellt, dass man klar macht, es geht nur um eine sehr begrenzte Zahl von Privatisierungsgeschäften. Aber wir wollen nicht Reprivatisierung, sondern Privatisierung. Wir hoffen, dass die Privatisierung schneller vorankommt als bei der Janukowytsch-Regierung.

Welche Gefahren drohen durch die hohe Inflation, die derzeit erstmals seit vielen Jahren fast 15 Prozent erreicht?

Wenn die Inflationsrate nicht bald gesenkt wird, dann besteht die Gefahr, dass sie auf Dauer sehr hoch bleibt, was sehr negative Effekte hat, wirtschaftlich und sozial. Die Aufgabe der Regierung hier ist es, die Nationalbank bei der Bekämpfung von Inflation zu unterstützen. Es muss eine moderate Fiskal- und Sozialpolitik durchgeführt werden. Vor allem die Mindestlöhne und Renten dürfen nicht übermäßig erhöht werden. Wichtig ist auch eine bessere Koordination zwischen der Regierung und der Nationalbank. Die hat in der letzten Zeit nicht so perfekt geklappt.

Wird sich der Regierungswechsel auf den angestrebten Beitritt der Ukraine zur Welthandelsorganisation auswirken?

Man muss anerkennen, dass unter Janukowytsch sehr viel gemacht wurde, um den WTO-Beitritt voranzutreiben. Und nun ist es natürlich eine wichtige Aufgabe der neuen Regierung, diese Verhandlungen erfolgreich und schnell abzuschließen. Janukowytsch war sehr an einem Beitritt der Ukraine zur WTO interessiert und ich vermute, dass Frau Tymoschenko das auch ist. In dieser Hinsicht wird sich diesbezüglich nicht viel ändern.

Das Gespräch führte Sachar Butyrskyj, DW-Ukrainisch