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Grün ist die Zukunft

Suzanne Cords4. Februar 2014

Victor Brus ist Wissenschaftler mit Leib und Seele. Der Ukrainer hat sich der Entwicklung neuartiger Solarzellen verschrieben - der Umwelt zuliebe. Sein Engagement für Nachhaltigkeit hat ihn nach Deutschland geführt.

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Victor Brus steht vor dem Berliner Reichstag (Foto: privat)
Bild: privat

Victor Brus kann sich noch genau an seinen ersten Tag im Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie in Berlin erinnern. Der junge Physiker sprach kein Wort Deutsch; also verfügte sein Gast-Doktorvater kurzerhand, dass während seines Aufenthalts alle Englisch zu sprechen hätten. "Es hat mich einfach umgehauen, mit welcher Leichtigkeit die deutschen Kollegen in dieser Sprache zuhause waren", erzählt er. "Alle haben drei Monate lang mir zuliebe auf ihre Muttersprache verzichtet und hatten überhaupt kein Problem damit." In der Ukraine sei das undenkbar, fährt Brus fort; bis dieses Niveau erreicht sei, würde noch eine Menge Wasser den Dnjepr hinabfließen.

Zuhause arbeitet Victor Brus im Wissenschaftstrakt der renommierten Czernowitz-Universität. Schon als Kind war er der Physik verfallen und nahm regelmäßig an nationalen naturwissenschaftlichen Wettbewerben teil, jetzt hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Als Assistenzprofessor unterrichtet der 26-Jährige Studierende im Fach Materialforschung, daneben forscht er im Feld der Photovoltaik. "Bei uns geht das oft nur theoretisch, weil die Instrumente fehlen; in Berlin konnte ich auch in der Praxis experimentieren", sagt er und denkt manchmal wehmütig an seine Zeit in Deutschland zurück.

Grüne Visionäre

Der Ukrainer kam mit einem Stipendium in der Tasche nach Berlin. Er hatte sich beim "Green Talents-Wettbewerb" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beworben: Vor dem Hintergrund von Ressourcenknappheit, Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung gibt die deutsche Regierung seit 2009 jungen Talenten auf der Suche nach globalen nachhaltigen Lösungen die Chance, drei Monate lang intensiv an ihrem Projekt zu forschen und internationale Kontakte auszubauen. Die Stipendien sind begehrt, doch Victor Brus überzeugte die Jury und fand sich unter 25 Preisträgern aus aller Welt wieder.

Victor Brus mit anderen Green-Talents-Gewinnern vor dem Brandenburger Tor (Foto: privat)
Grüne Talente auf Sightseeing TourBild: privat

Der Physiker arbeitet an der nächsten Generation umweltfreundlicher Solarzellen. Dass Nachhaltigkeit in der Ukraine noch nicht allzu groß geschrieben wird, sei eine traurige Tatsache, bedauert er. Sein Land habe andere Probleme. "Noch ist Umweltschutz vor allem ein Thema in den Laboren der Universitäten und Forschungsinstitute der Nationalen Akademie der Wissenschaften." Die Gelder fließen aus Regierungstöpfen, nur selten unterstützt die Privatindustrie einzelne Projekte.

Unter Wissenschaftlern hat sich Victor Brus auf dem Gebiet aber längst einen Namen gemacht. So bekam er das in seiner Heimat hoch renommierte "Stipendium des Präsidenten der Ukraine" für Wissenschaftler unter 35 Jahren zugesprochen. Seit 2009 hat er schon über 60 Artikel in ukrainischen und internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und vier Patente eingereicht. So viel Forschungseifer beeindruckte auch die deutschen Juroren.

Ex-Bildungsministerin Schavan überreicht Victor Brus das Green Talent Gewinner-Zertifkat (Foto: privat)
Ausgezeichnet von Ex-Bildungsministerin Schavan: Victor Brus nimmt stolz sein Gewinner-Zertifikat entgegenBild: privat

Dichtes Programm

Zwei Wochen lang reiste Victor Brus im Herbst 2012 mit den anderen Preisträgern quer durch Deutschland. Die "grünen Visionäre" besuchten Universitäten, Fabriken, Industriestandorte, Forschungslabore, hielten Seminare ab und trafen Führungskräfte. "In diesen 14 Tagen habe ich mehr von Deutschland gesehen als in meinem ganzen Leben von meiner Heimat ", lacht Victor Brus. "Manchmal gab es auch eine Stippvisite ins Museum oder in eine Kirche, aber ansonsten war nicht viel Zeit für ein Kulturprogramm."

Allzu sehr habe er das auch nicht vermisst, gibt Victor zu, viel zu spannend sei es gewesen, sich mit Wissenschaftlern aus über 20 Ländern über die unterschiedlichsten Fachgebiete auszutauschen. Außerdem führte der Physiker Gespräche an mehreren Instituten, denn die Green Talent-Gewinner können sich aussuchen, wo sie drei Monate lang forschen wollen. Brus Wahl fiel auf das Institut für Silikon Photovoltaik am Helmholtz-Zentrum, wo er ein paar Monate später den Dienst antrat.

Das Forscherherz schlug höher

"Ich habe höchstens zwei, drei Tage gebraucht, mich einzugewöhnen", erzählt er. "Die Kollegen waren sehr hilfsbereit und haben mich überall eingewiesen. Wenn ich Fragen hatte, war immer sofort jemand zur Stelle und hat mir geholfen." Auch die Ausstattung hat es dem Ukrainer angetan. "Ich muss zugeben, dass die Apparate hier viel moderner sind als bei uns und mein Forscherherz höher schlagen ließen", sagt er, Brus hat das weidlich ausgenutzt.

Victor Brus über seine Erfahrungen mit der Bahn

Während seines dreimonatigen Aufenthalts hat Brus gemeinsam mit deutschen Kollegen gleich drei Artikel in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht und zwei weitere eingereicht. "Ein toller Schnitt für die Zeit oder nicht", lacht er. "Das ist doch ein guter Start für eine Kooperation." Und darüber hinaus, und das ist noch viel entscheidender, stehen die Physiker über alle Ländergrenzen hinweg weiterhin in engem Kontakt. Neueste Messergebnisse fliegen per Datentransfer hin und her, Berechnungen werden verglichen, Resultate ausgetauscht.

Zukunftspläne – mit Humboldt?

Brus denkt gern an Deutschland zurück, er hat neue Freunde gefunden und ist immer noch beeindruckt vom hochentwickelten Stand der Technik und der Infrastruktur. "Als ich am Frankfurter Flughafen ankam, konnte ich kaum glauben, wie groß er ist", erinnert er sich. "Er kam mir wie eine riesige Stadt vor, und ich habe mich komplett verlaufen." Mittlerweile bewegt er sich mit Bus und Bahn sicher überall hin. "Es ist alles so organisiert, da kann man nicht viel falsch machen", sagt er.

Um Land und Leute noch besser kennenzulernen, vor allem aber, um seine physikalischen Studien voranzutreiben, hat er sich jetzt für ein Humboldt-Stipendium beworben. "Wenn alles klappt, kann ich wieder im Helmholtz-Institut in Berlin forschen; das ist mit dem Professor schon abgesprochen."

Die Universität Czernowitz in der Ukraine (Foto: Imago/INSADCO)
Victor Brus ist an der Universität Czernowitz zuhauseBild: imago/INSADCO

Auf Dauer will Victor Brus aber in der Ukraine bleiben. "Das ist meine Heimat, hier will ich Dinge bewegen und mich für den schonenden Umgang mit der Natur einsetzen." Die Zusammenarbeit mit deutschen Kollegen könne ihm dabei nur von Nutzen sein, ist er überzeugt.