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Gowan: "OSZE kann Kompromiss schneidern"

Passenheim, Antje5. März 2014

Eine unbewaffnete OSZE-Mission weckt die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung für die Ukraine. Ein geschickter Schachzug, meint der New Yorker Experte für internationale Einsätze Richard Gowan.

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Richard Gowan (Foto: NYU Center on International Cooperations)
Bild: NYU Center on International Cooperations

DW: Es gibt die Hoffnung, dass die Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ein erster Schritt hin zu einer diplomatischen Einigung für die Ukraine sein könnte. Warum sollte das der OSZE gelingen?

Richard Gowan: Erstens hat die OSZE eine lange Erfahrung in der Ukraine. Sie hat schon von 1994 bis 1998 eine Beobachtermission auf der Krim gestellt. Es gibt viele OSZE-Mitarbeiter, die die ethnisch komplizierten politischen Begebenheiten der Region verstehen, im Gegensatz zu vielen Diplomaten der UN oder der Europäischen Union. Die zweite Dimension ist politisch: Russland ist Mitglied der OSZE. Es hat zwar eine gespaltene Beziehung zu dieser Organisation. Doch die westlichen Regierungen wollen Russland durch die Zusammenarbeit mit der OSZE signalisieren, dass es möglich ist, eine Kompromisslösung für die Ukraine zu finden. Das wäre anders, wenn sie mit der Nato oder der EU zusammenarbeiten würden, die seit Beginn der Proteste in Kiew eine sehr konfrontativen Haltung zu Moskau haben.

Aber Russland hat der OSZE-Mission nicht zugestimmt.

Russland hat der Mission nicht zugestimmt und es hat schlechte Erinnerungen an frühere OSZE-Einsätze wie in Georgien oder Tschetschenien. Doch ich denke, dass die Russen ihre Haltung in den kommenden Wochen überdenken werden. Es ist deutlich zu erkennen, dass Präsident Putin darüber nachdenkt, ob er möglicherweise über das Ziel hinausgeschossen ist. Er sucht möglicherweise nach einer Kompromisslösung, oder wie es US-Diplomaten sagen: nach einer Ausfahrt aus der Krise. Und gerade weil Russland eine zentrale Rolle in der OSZE spielt, kann diese Mission - die ja nicht sonderlich konfrontativ ist - helfen, einen Rahmen für einen solchen Kompromiss zu schaffen.

Was kann die Mission denn herausfinden? Und wie könnte das zu einer Lösung beitragen?

Zunächst einmal haben Beobachter vor Ort so etwas wie eine Stolperdraht-Funktion. Es wird schwerer für Russland, weitere militärische Schritte zu unternehmen, wenn es zu einer direkten Konfrontation mit internationalen Beobachtern kommt. Zweitens können die Beobachter sich ein Bild darüber machen, wie ethnische Russen auf ukrainisch kontrolliertem Gebiet behandelt werden. Und umgekehrt: Auf der Krim könnten sie darüber berichten, wie ethnische Ukrainer dort behandelt werden. Sie können ein klareres Bild von dem erstellen, was dort geschieht. Und ihre hoffentlich sehr objektiven Berichte werden zuverlässiger sein als das, was wir aus den russischen und teilweise auch westlichen Medien erfahren haben.

Könnte das nach vielen Jahren ein Comeback für die OSZE als wichtiger Akteur in der europäischen Sicherheitspolitik sein?

Die OSZE hat in den vergangenen 15 Jahren stagniert, und dafür gibt es mehrere Gründe: Erstens, wie gesagt, hat Russland sehr gemischte Gefühle gegenüber der Organisation und hat verhindert, dass sie in zahlreichen vergangenen Krisen eine größere Rolle spielen konnte. Zum Beispiel bestand Russland darauf, dass OSZE-Beobachter Georgien nach dem Krieg 2008 verlassen mussten. Aber auch die Europäische Union hat die OSZE in gewisser Weise untergraben. EU-Mitarbeiter hofften vor zehn Jahren, dass sie selbst die Zukunft Europas schreiben könnten und dabei nicht wirklich die Hilfe der OSZE brauchten. Ich denke, wir sehen nun einen gewissen Ausgleich. Wir erkennen, dass die EU in einer Krise wie der jetzigen mächtige Instrumente zur Hand hat. Das offensichtlichste ist Geld und auch die Entscheidung über mögliche Sanktionen. Die OSZE jedoch hat die Fähigkeit, Kompromisslösungen zu schneidern und die gegnerischen Parteien zu einer Einigung zusammenzubringen. Keiner glaubt, dass sie perfekt sein wird - aber vielleicht ist das die bestmögliche Option.

Könnte diese Krise andererseits das Ende der Gemeinschaft der G8 bedeuten?

Es ist schwer zu glauben, dass die westlichen Führer am G8-Gipfel teilnehmen, der für den Sommer in Sotchi geplant ist. Aber die G8 sind schon vorher totgesagt worden. Kritiker glaubten etwa, dass die G8 die große Finanzkrise 2008 nicht überleben würden. Ungeachtet dessen gibt es die Gemeinschaft heute noch. Sie hat beispielsweise eine moderate aber wichtige Rolle gespielt bei der Koordination internationaler Reaktionen während des Arabischen Frühlings. Ich glaube, dass es in diesem Jahr keinen G8-Gipfel geben wird. Stattdessen wird es eine Art G7-Treffen geben, ohne Präsident Putin. Aber die Diplomatie geht weiter. Diese Krise wird hoffentlich mit der Hilfe von EU, OSZE und anderen irgendwie gelöst werden. Und im kommenden Jahr oder 2016 wird es eine Initiative geben, um Russland zurück in die G8 zu holen - als einen Freund, als Zeichen internationaler Beziehungen. Die G8-Gemeinschaft ist also sehr krank - aber sie ist noch nicht tot.

Richard Gowan ist Forschungsleiter am Zentrum für Internationale Zusammenarbeit der New York University. Er ist Mitglied des European Council on Foreign Relations.