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Ministrantenwallfahrt nach Rom

Stephanie Höppner3. August 2014

Ein Meer aus dunklen Röcken und hellen Talaren: Seit Sonntag pilgerten erstmals rund 50.000 Ministranten aus Deutschland und Österreich nach Rom. Höhepunkt: ein Zusammentreffen mit Papst Franziskus.

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Papst Franziskus (Foto: TIZIANA FABI/AFP/Getty Images)
Bild: Tiziana Fabi/AFP/Getty Images

Beten, singen, diskutieren: Seit Sonntag (03.08.2014) pilgerten wieder tausende Messdiener für eine Woche nach Rom. Das Motto: "Frei! Darum ist es erlaubt, Gutes zu tun." Das Besondere in diesem Jahr: Es ist die erste Wallfahrt, bei der ausschließlich deutsche und österreichische Ministranten eingeladen sind. Trotz dieser Einschränkung haben sich rund 50.000 Teilnehmer angemeldet.

Einer der Höhepunkte: eine Audienz mit Papst Franziskus am Dienstag (05.08.2014). Der Argentinier ist wegen seiner bescheidenen und volksnahen Art auch bei vielen Jugendlichen beliebt. Erst kürzlich zierte er das Cover der Musikzeitschrift "Rolling Stone" und beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro wurde er vor einem Jahr wie ein Popstar gefeiert. Obwohl das Ansehen der katholischen Kirche in Deutschland in den vergangenen Jahren stark gelitten hat, können sich noch immer viele Kinder und Jugendliche für den Dienst in der Messe begeistern. Etwa 436.000 Mädchen und Jungen helfen als Ministranten bei Gottesdiensten.

Begeisterte Katholiken aus Rom

Die Anfänge der inzwischen zum religiösen Großevent gewachsenen Wallfahrt liegen in den 1980er-Jahren, als erstmals einige hundert Messdiener nach Rom fuhren. Schnell stiegen die Teilnehmerzahlen. Die größten Gruppen kommen aus den traditionell katholischen Gebieten Süddeutschlands: diesmal allein 10.000 aus Freiburg sowie 5000 aus Rottenburg. Regensburg hat 5500, München 4000 und Trier 2000 Jugendliche angemeldet.

Zu den kleinsten Gruppen mit einigen hundert Wallfahrern zählen die Ministranten aus dem Erzbistum Berlin, zu dem auch Dominik Meyer aus der St. Georg-Gemeinde gehört. Seit neun Jahren ist der Student der Sozialen Arbeit Ministrant. Mit seinem kirchlichen Engagement ist Dominik beinahe ein Exot, denn gerade einmal 330.000 Katholiken leben in der Hauptstadt. Damit beträgt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lediglich etwa zehn Prozent. Hinzu kommt, dass die weitaus meisten Katholiken nicht regelmäßig am Gemeindeleben teilnehmen.

Dominik Meyer mit seiner "Dienstkleidung" als Ministrant (Foto: DW/S. Höppner)
Dominik Meyer mit seiner "Dienstkleidung"Bild: DW/S. Höppner

Belächelt oder gehänselt wurde Dominik von seiner kirchenfernen Umgebung jedoch noch nicht. "Ich bin ab der 7. Klasse auf eine katholische Schule gegangen, da war die Akzeptanz für meine Ministrantentätigkeit recht hoch", sagt er. Wie für viele andere Jugendliche ist es für ihn die erste Wallfahrt überhaupt. "Ich freue mich sehr darauf, Ministranten aus anderen Bistümern kennen zu lernen", sagt der 19-jährige. "Aber es geht auch um spirituelle Erfahrungen, ich bin gespannt auf die Impulse vor Ort."

Vorbild für Jüngere

Mittlerweile ist Dominik Meyer neben der Leitung von Ministrantengruppen auch in der Jugendarbeit im Bistum aktiv. Etwa zweimal im Monat ministriert er. Das heißt: Sonntagvormittags - wenn andere Jugendliche ausschlafen - muss Dominik früh aufstehen, zur Kirche fahren und die jüngeren Ministranten auf den Gottesdienst einstimmen. Als Last empfindet er das keineswegs: "Ich werde ja nicht verpflichtet hinzugehen - wenn ich keine Lust habe, lasse ich mich einfach nicht aufstellen." Mit seiner Mitarbeit im Gottesdienst will er aber auch Vorbild sein. "Das heißt, wenn ich die Verpflichtung eingehe, dann muss ich ihr nachkommen - das muss man Kindern auch beibringen."

Dominiks Dienst an der Gemeinde begann, wie wohl bei den allermeisten Ministranten, in der Zeit nach der Kinderkommunion. "Ich hatte das Bedürfnis weiterzumachen - mittlerweile bin ich aber der Einzige von der damaligen Gruppe, der übrig geblieben ist." Für ihn zählen nicht nur die Höhepunkte, wie etwa der Papstbesuch vor einigen Jahren oder die jährlichen Wall- und Ministrantenfahrten, sondern auch der ganz normale Alltag."Es macht mir einfach Freude zu ministrieren oder eine Ministrantengruppe zu leiten."

Langweilig wird ihm dabei nicht, auch wenn sich die liturgischen Abläufe, bei denen er mithilft, oft wiederholen. "Klar sagt man manchmal: das ist ja immer das Gleiche. Aber andererseits unterscheiden sich natürlich die Gottesdienste, außerdem sind es ja auch immer andere Kinder, die man anleitet." Ministrant will Dominik übrigens nur noch ein Jahr sein. "Mit 20 Jahren muss Schluss sein", sagte er. "Klar ist da auch Wehmut dabei, aber wenn ich zehn Jahre voll habe, habe ich auch viel erlebt."

Rückläufiger Nachwuchs

Für den 39-jährigen Christian Andrees ist seine Ministrantenzeit schon länger her - dennoch hat er als Pastoralreferent im Erzbistum Berlin nahezu täglich mit den jungen Leuten zu tun. "Kinder können als Ministranten Verantwortung übernehmen, was sie aufwertet und wodurch sie sich geschätzt fühlen", glaubt er.

Christian Andrees, Pastoralreferent des Erzbistums Berlin (Foto: DW/S. Höppner)
Christian Andrees: "Kinder können als Ministranten Verantwortung übernehmen"Bild: DW/S. Höppner

Doch auch wenn die Teilnehmerzahlen für die Wallfahrt nach Rom kontinuierlich steigen, gehen die Ministrantenzahlen langsam zurück. Eine der Hauptgründe: Die geburtenschwachen Jahrgänge.

Andrees vermutet hinter dem Rückgang zudem gestiegenen Schulstress und eine durchgetaktete Freizeit. "Viele Eltern setzen die Prioritäten heute auch anders, da geht Schule immer vor." Auch das verbindliche Engagement, über Monate und Jahre hinweg, fällt vielen immer schwerer. Das Problem kennt auch Dominik: "Früher waren meist 40 Kinder in der Gruppenstunde, heute freuen wir uns schon über 20." Wer weiß: Vielleicht können die Berichte und Bilder begeisterter Ministranten-Wallfahrer aus Rom diesem Trend entgegenwirken.