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Landwirtschaft unter Druck

Helle Jeppesen16. Oktober 2012

Die Preise für Nahrungsmittel steigen wieder. Nur eine Folge der Nachfrage nach Biokraftstoffen? Ernährungsexperten machen auch Spekulationsgeschäfte und die globalisierte Wirtschaft verantwortlich.

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Tonnen von Getreide lagern unter freiem Himmel und sind ungeschützt dem Wetter ausgesetzt (Foto: DW) Copyright: DW/Sandra Petersmann
Bild: DW

Nicht die Ernten in den Entwicklungsländern seien das Problem bei der Entwicklung der Nahrungsmittelpreise, sondern die Missernten in den großen Anbauregionen wie den USA, Europa und Zentralasien, erklärte jüngst die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Auf gut acht Milliarden Dollar schätzt die UN-Organisation die Mehrkosten, die Entwicklungsländer in dieser Saison für Lebensmittelimporte ausgeben müssen.

Eine Ursache sei, dass sich die Lebensmittelpreise immer stärker an den Energiepreisen orientieren, so Ulrich Hoffmann, Leiter der Sektion Handel und nachhaltige Entwicklung bei der Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD in Genf. Das sei nicht immer so gewesen. In der Vergangenheit hätte der Energiemarkt lediglich Einfluss auf die Kosten für Dünger, Chemikalien und Betriebskosten gehabt. Doch heute mischt der der Landwirt selber mit: Er entscheidet je nach Marktlage, ob er seine Produkte auf dem Kraftstoff- oder dem Lebensmittelmarkt verkauft.

Ulrich Hoffmann, Leiter der Sektion Handel und nachhaltige Entwicklung bei UNCTAD in Genf, (Foto: DW)
Ölpreis bestimmt Erntepreis, so Ulrich Hoffmann von UNCTADBild: DW

Deshalb planen Landwirte ihre Produktion immer mehr auch mit Blick auf die Entwicklung an den Börsen. Hier wird mit sogenannten Termingeschäften spekuliert. Noch vor der Ernte einer Ähre, ist diese schon zu einem vereinbarten Preis verkauft und weiterverkauft. Leichter werde so das Geschäft für die Landwirte jedoch nicht, erklärt Ernährungsexperte Hoffmann. Für den Bauern werde es immer schwieriger, auf Preisentwicklungen zu reagieren. Und das eigentliche Grundproblem des Marktes sei ohnehin der hohe Kostendruck auf eine zunehmend industriell dominierte und sehr spezialisierte Landwirtschaft, die sehr von äußeren Einflüssen abhängig ist.

Millionen Hektar für Futter

Dieser Kostendruck macht sich auch in der Massentierhaltung bemerkbar. Weltweit steigt der Fleischkonsum. Und mit zunehmendem Wohlstand steigt der Pro-Kopf-Konsum auch in vielen Schwellenländern. Um die Nachfrage zu erfüllen und dabei die Preise niedrig zu halten, wird Massentierhaltung zur Regel - nicht zuletzt in Europa. "Wir haben als EU in Südamerika 20 Millionen Hektar belegt. So viel Hektar braucht man, um all das Soja zu produzieren, das wir importieren, um damit wiederum unsere eigenen Massentierhaltungsbetrieben zu füttern", erklärt Jürgen Maier, Geschäftsleiter des Forums Umwelt und Entwicklung. "Das kann man nicht nachhaltig nennen."

Jürgen Maier, Forum Umwelt und Entwicklung - hier zu Unternehmensverantwortung 2012 ED, 20.8.12
Handeln statt warten, fordert Jürgen Maier Forum Umwelt und EntwicklungBild: Forum Umwelt und Emtwicklung

Das Forum Umwelt und Entwicklung, Koordinierungsstelle für deutsche Nichtregierungsorganisationen, die sich international für nachhaltige Entwicklungspolitik einsetzen, warnt schon seit Jahren vor den Folgen der industriellen Landwirtschaft. Nicht nur die Umwelt zahle den Preis für eine solche Politik, sondern auch der Kleinbauer in Brasilien, so Maier. "Da gehen auch die Pampa und Regenwaldgebiete drauf." Vor allem aber würden bislang nachhaltig wirtschaftende Kleinbauern ihrer Existenz beraubt. "Der endet dann in den Slums von Sao Paulo", sagt Maier.

Umstellung der Politik

Auch deshalb kritisiert der Entwicklungsexperte die 50 Milliarden Euro Agrasubventionen, die immer noch jedes Jahr in der EU verteilt werden. Damit werde vor allem die industrielle Landwirtschaft gefördert. "Wir haben zwar die direkten Exportsubventionen weitgehend abgeschafft, aber die Subventionen insgesamt machen natürlich europäische Produkte billiger. Sie verbilligen die Produktion künstlich und sind damit auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger", erläutert Maier.

Er fordert stattdessen eine Umstellung auch der europäischen Agrarpolitik auf Nachhaltigkeit - notfalls im Alleingang. Auf eine Weltgemeinschaft, die einträchtig eines Tages die nötigen Veränderungen beschließt, vertraut Maier nicht.