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Tödlicher Umweltschutz

Interview: Saroja Coelho / db30. April 2014

Gewalt gegen Umweltschützer hat weltweit dramatisch zugenommen, so die Nichtregierungsorganisation Global Witness. Polizei und Justiz sehen oft unbeteiligt zu, sagt Oliver Courtney im DW-Interview.

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Hand mit Messer (Foto: gebphotography - Fotolia.com)
Bild: gebphotography - Fotolia.com

Der Konkurrenzkampf um den Zugang zu nachwachsenden Rohstoffen wird angesichts der wachsenden Weltbevölkerung immer schärfer. Der Druck auf die Wälder und andere Naturgebiete ist immens, und dabei verfolgen Naturschützer und Unternehmen gegensätzliche Ziele.

Seit Jahren beobachtet die Nichtregierungsorganisation Global Witness diese Entwicklung und berichtet in ihrer jüngsten Studie von fast tausend getöteten Umweltaktivisten in den vergangenen zehn Jahren.

DW: Wo nimmt die Gewalt besonders zu?

Oliver Courtney: Es ist ein globales Problem, aber Lateinamerika und der asiatisch-pazifische Raum sind besonders betroffen.

Warum werden Menschen angegriffen?

Normale Menschen werden in den Konflikt hineingezogen, wenn sie sich gegen den Verkauf oder die Einnahme ihres Landes für großangelegte Projekte wehren. Besonders zu nennen sind dabei ausgedehnte industrielle Abholzung und Landraub durch die Agrarindustrie und Bergbauprojekte.

Hinter verschlossenen Türen werden Deals gemacht, und zwar in großem Umfang. In denen geht es um Land, das Einheimischen gehört oder auf dem seit Generationen Menschen leben. Man nimmt ihnen das Land ohne ihr Einverständnis weg, ohne sie zu fragen. Wenn sie protestieren, werden sie mit Gewalt von ihrem Land vertrieben und das hat oft fatale Konsequenzen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Einer der schockierendsten Fälle ist in Brasilien passiert. Jose Claudio Ribeiro da Silva und seine Ehefrau, beide bekannte Aktivisten, wurden von maskierten Männern erschossen, ganz in der Nähe des Schutzgebietes, in dem sie seit 24 Jahren Nüsse und natürliche Öle produzierten. Das Ehepaar hatte gegen verstärktes Abholzen der Wälder in ihrer Region und im Amazonasgebiet im Allgemeinen protestiert. Als Beweis der Hinrichtung wurde Jose Claudio sogar ein Ohr abgerissen.

Global Witness wurde aufmerksam, als der bekannte kambodschanische Waldaktivist Chuck Witty 2012 in Kambodscha von Militärpolizisten ermordet wurde. Kurz nach seinem Tod kam ein 14-jähriges Mädchen bei der Zwangsräumung aus einem Dorf in Kambodscha ums Leben, und wieder war es die Militärpolizei. Das weist darauf hin, dass die kambodschanische Regierung Ländereien, Wälder und andere Ressourcen des Landes heimlich an skrupellose Firmen verkauft. Die Menschen haben das Nachsehen, die Umwelt hat das Nachsehen, nur eine ganz kleine Elite gewinnt dabei.

Regenwald (Foto: REUTERS/Nacho Doce)
Brasilien ist weltweit der gefährlichste Ort für UmweltaktivistenBild: Reuters

Wie reagieren Polizei und Justiz?

Es gibt kaum Informationen über die Täter. Weniger als ein Prozent der Mörder in den 908 Fällen, die uns bekannt sind, wurden strafrechtlich verfolgt. Es ist furchtbar, vor allem für die Familien der Opfer. Darüber hinaus führt es noch dazu, dass abweichende Meinungen unterdrückt werden und Umweltaktivismus weiter erschwert wird.

Es geht hier um Menschen, die als Helden gefeiert und von ihren Regierungen unterstützt werden sollten. Stattdessen sieht es so aus, als würden sie nicht den Schutz bekommen, der ihnen zusteht. In einigen Fällen arbeiten die Regierungen aktiv mit denen zusammen, die für die Gewalt verantwortlich sind.

Welchen Einfluss hat es auf eine Gesellschaft und ihre natürlichen Ressourcen, wenn Umweltschützer dafür getötet oder verletzt werden, dass sie ihre Meinung sagen?

Die Ressourcen gehören den Menschen. Es ist sehr wichtig, dass sie nachhaltig verwendet werden, und dass die Menschen, die auf diesem Land leben und sich seit Generationen darauf verlassen, mit darüber bestimmen können, wie es genutzt wird. Wenn es ausgebeutet wird, sollten sie auch etwas davon haben.

Wenn Menschen solche Projekte ablehnen, und sie sich dann Gewalt oder Drohungen gegenübersehen, hat das natürlich auf ihre Versuche, die Umwelt zu schützen, eine massiv ernüchternde Wirkung, und es behindert jegliches Engagement. Auf jeden Fall bedeutet es, dass das Geschäft mit Ressourcen im Allgemeinen nur den Interessen einer kleinen aber mächtigen Minderheit dient statt dem Allgemeinwohl.

Der Abverkauf dieser Ressourcen in großem Stil, hinter verschlossenen Türen und mit Deals, die nur einigen Wenigen zugute kommen und nicht den Interessen der ganzen Welt, ist auch für unseren Planeten nicht gut.

Prey Lang Forest Aktivisten in Kambodscha (Foto: Cheth Tan)
Global Witness sagt, die kambodschanische Regierung sei am Landraub beteiligtBild: Cheth Tan

Diese Gewalt beobachtet man in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie sagten einmal, solche Gewalt werde von einem Sprung im globalen Konsum in Gang gesetzt. Gibt es also eine Verbindung zu den reichsten Ländern der Welt?

Konsum ist die treibende Kraft im Wettrennen um Ressourcen, das wiederum hinter den vermehrten Morden steht. Steigender, verschwenderischer Verbrauch von Produkten wie Holz und Waren wie Soja und Gummi, die wir ständig in Alltagsgegenständen verwenden. Die Nachfrage wächst mit der Bevölkerung. So geht das nicht weiter. Wir beuten den Planeten über Gebühr aus, und das ist einer der deutlichsten Indikatoren.

Wie Ressourcen genutzt werden, wie sie national und international verteilt werden - da muss ein Umdenken einsetzen.

Was wollen Sie mit der Veröffentlichung ihres Berichts erreichen?

Umweltaktivisten müssen geschützt werden, und wenn ihnen etwas geschieht, muss das festgehalten werden. Dem Problem wird nicht annähernd genug Aufmerksamkeit geschenkt. Wir wollen, dass Regierungen das Problem beobachten, ihre Bürger schützen und dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Der UN-Menschenrechtsrat sollte eine Resolution zur Lage von Aktivisten beschließen, die sich für Umweltschutz und Landrechte einsetzen.

Unternehmen spielen allerdings auch eine Rolle. Sie sind gehalten, ihre Lieferkette im Auge zu behalten, um sicher zu gehen, dass sie mit der Gewalt nichts zu tun haben und nicht in militarisierten Zonen tätig sind. Sie müssen sicher sein, dass man sie dafür verantwortlich machen kann, wie ihre Kaufstrategien sich auf Menschen im Alltag auswirken. Diese Aktivisten stehen an der Front des globalen Landraubs.

Courtney Oliver ist Aktivist bei "Global Witness".

'Deadly Environment: The rise in killings of environmental and land defenders' heißt die jüngste Studie der Organisation.