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Wie Tourismus die Natur beeinflusst

Louise Osborne/gcg24. März 2015

Mit Tierbeobachtungen an Land und im Wasser nimmt die Tourismusbranche jährlich Milliarden Dollar ein - sehr zum Vorteil der lokalen Wirtschaft. Aber zu welchem Preis werden die Tiere zur Attraktion?

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Foto: Zebras vor einem Safari-Jeep
Umweltschützer sind besorgt, dass die zunehmende Zahl von Touristen auf Safari die Gesundheit und das Verhalten der Tiere beeinflusst.Bild: Fotolia/BlueOrange Studio

Im Auto am Rande eines Feldwegs sitzend, versuche ich in dem dichten Gebüsch an der Stelle, auf die der Tourguide zeigt, etwas zu erkennen. "Schaut da, zwischen den Zweigen", sagt er. Ich folge seinem ausgestreckten Arm, und dann sehe ich es: Zwischen den Blättern eines 50 Meter entfernten Baumes baumelt ein langer, gepunkteter Schwanz. Dem Schwanz folgend kann ich den Körper einer großen Katze ausmachen, die sich auf einem dicken Ast ausgestreckt hat - gut getarnt durch grünes Blattwerk.

Es ist ein Leopard, die Haupt-Attraktion im Yala-Nationalpark auf Sri Lanka, und wir hatten Glück, ihn so schnell zu sehen. Aber wir sind bei weitem nicht allein. Das Brummen von Motoren erfüllt die Luft, als sich noch mehr Jeeps in die kleinen Lücken der ohnehin schon sehr langen Schlange großer Autos quetschen. Die Kamera fest in der Hand, stehen die Touristen auf ihren Sitzen und knipsen ohne Unterbrechung im verzweifelten Versuch, das seltene Tier digital einzufangen.

Für die Leoparden hier im südlichen Teil Sri Lankas ist das Alltag. Schätzungsweise bis zu 400 Jeeps fahren an manchen Tagen durch den Park. Sie kommen vor allem zu Sonnenauf- und Untergang - die besten Tageszeiten, um Elefanten, Krokodile, Büffel und Vögel im Unterholz zu entdecken oder am Wasserloch anzutreffen.

"Viele Leoparden haben sich daran gewöhnt - die jüngeren Tiere sind damit aufgewachsen und scheinen sich nicht sonderlich daran zu stören, aber der langfristige Einfluss ist noch unklar", sagt Anjali Watson, Geschäftsführende Verwalterin des Leoparden-Projekts des "Wilderness and Wildlife Conservation Trust" (WWCT) in Sri Lanka.

Je mehr Touristen, desto größer der Einfluss

Watson ist eine von vielen Umweltschützern rund um die Welt, die sich Sorgen darum machen, welchen Einfluss Wildtier-Tourismus, wie Safaris, Wal-Beobachtungen und Delfin-Tauchen auf die betreffenden Tiere haben wird.

Weltweit verzeichnet die Tourismusbranche derzeit Rekorde: In 2014 verreisten 1,14 Milliarden Menschen ins Ausland. Auch der Wildtier-Tourismus hat zugenommen, weil Menschen sie zunehmend in ihren natürlichen Lebensräumen, zum Beispiel in Kenia, auf den Galapagos-Inseln, in Indonesien oder in Mexiko erleben wollen.

Allein für den Yala-Nationalpark nahm die Zahl der ausländischen Touristen deutlich zu, vermeldet die Regierung. Das habe natürlich einen Einfluss, sagt Watson.

Die Bedingungen im Park verschlechtern sich, da die Touristen versuchen, den Tieren immer näher zu kommen. Jeep-Fahrer rasen durch den Park in hoffnungsvoller Erwartung hoher Trinkgelder, die es immer dann gibt, wenn man den Besuchern die "Großen Vier" präsentiert - Leoparden, Elefanten, Bären und Büffel. Hinzu kommen Touristen, die sich einfach über die Park-Regeln hinwegsetzen und Makaken, Languren und Wildschweine füttern.

"Das ist meist Nahrung, die nicht Teil ihres natürlichen Speiseplans ist und ihre Gesundheit negativ beeinträchtigen kann, wodurch sich Krankheiten schneller ausbreiten können", sagt Watson. "Es kann sie außerdem aggressiv machen und Bettel-Verhalten fördern, das die Tiere zuvor nicht gezeigt haben."

Schlechtere Gesundheit bei Stachelrochen

Der Einfluss auf Gesundheit und Verhalten macht den Umweltschützern besonders Sorgen. Es gibt bereits Belege, dass Wildtier-Tourismus die Tiere negativ beeinflusst.

Eine Sandbank vor den Cayman Inseln, genannt "Stadt der Stachelrochen", ist geradezu ein Besuchermagnet geworden, um den Meereswesen so nah wie möglich zu kommen. Touristen ist es erlaubt, die Stachelrochen zu streicheln, sie zu füttern und mit ihnen zu schwimmen, wofür sie bis zu 50 US-Dollar bezahlen.

Aber der Besuch von bis zu 2.500 Menschen pro Tag hat seine Spuren hinterlassen: Blutproben von Stachelrochen aus dieser Region zeigen, dass sie ein schwächeres Immunsystem und einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen, als Tiere, die nicht von Touristen gestört werden.

Dennoch dauert die Debatte an, ob mögliche Risiken für die Tiere die Vorteile überwiegen - nicht nur für die Tiere selbst, sondern auch für die benachbarten Gemeinden.

Millionen Dollar als Anreiz, um Wildtiere zu schützen

"Wirtschaftlich gesehen kann der Tourismus größere Vorteile bieten als andere Formen der Land- oder Wildtiernutzung. Dadurch entsteht ein starker Anreiz, Tiere und Natur zu schützen", sagt Michael Hutchins, Gründungsmitglied und Direktor für Umweltschutz und Wissenschaft der Organisation "World Safaris and Safari Professionals".

Foto: Touristen sind einer Cheeta auf der Spur.
Durch Tourismus rund um Wildtiere gibt es Investitionen in Gebieten, die sonst nicht berücksichtigt werden würden.Bild: D. Kitwood/Getty Images
Foto: Elefanten umzingeln einen Jeep
Elefanten zieht es oft an die Straßen, die durch den Yala-Nationalpark führen - denn sie wissen genau, dass sie hier einen kleinen Snack bekommen: Die Safari-Besucher füttern sie mit Bananen.Bild: imago/Westend61
Foto: Ein Leopard im Gebüsch
Der Yala-Nationalpark rühmt sich damit, die höchste Leoparden-Dichte der Welt zu haben, sodass jeder Tourist auch tatsächlich ein Tier zu Gesicht bekommen sollte.Bild: DW

"Das gilt vor allem in Entwicklungsländern, in denen die Vorteile einer langfristigen Lösung, wie etwa der Wildtier-Tourismus, überwiegen - etwa durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und den Zufluss an fremder Währung."

Länder wie Kenia, Fidschi und Palau machen Millionen oder sogar Milliarden Dollar Umsätze mit dem Wildtier-Tourismus - ein guter Grund, diese Ressourcen zu schützen. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) nennt Zahlen, nach denen allein das Hai-Tauchen Fidschi jährlich 42,2 Millionen, Palau 18 Millionen und den Malediven 36,6 Millionen Dollar einbringt. Safaris in Kenia bringen dem Land jedes Jahr rund eine Milliarde Dollar.

In Ostafrika, sagt Hutchins, seien solche Anreize "der Hauptgrund, dass große, intakte Ökosysteme immer noch existieren - trotz des oft extremen und anhaltenden Drucks durch Bevölkerungswachstum und Bedarf an Rohstoffen. Auch Kulturen, wie etwa die der Samburu und Maasai, haben sehr vom Tourismus profitiert."

Anderswo haben Regierungen Nationalparks und Schutzzonen errichtet, um Wilderei und andere Gefahren für Wildtiere zu minimieren. In Indonesien wurde das weltweit größte Schutzgebiet für die gewinnbringenden Mantarochen eingerichtet. Durch Tourismus lässt sich über die Lebenszeit eines solchen Rochens rund eine Million Dollar verdienen, sagt Bradnee Chambers, Leiter des Sekretariats des UNEP-Übereinkommens zur Erhaltung wandernder wildlebender Tierarten.

"Was die Tourismusbranche erkannt hat, ist, dass Wildtiere ‘einen Haufen Geld’ bedeuten und lebendig viel mehr wert sind als tot", sagt er.

Dennoch, es könnte mehr getan werden: Rund 600 Milliarden Dollar werden durch Besucher in geschützten Gebieten eingenommen, aber nur 10 Milliarden davon werden in den Erhalt dieser Gebiete investiert - das sei "äußerst unzureichend", so die Autoren einer aktuellen Studie des “Natural Capital Project”, einer Organisation, die sich für mehr und kosten-effizientere Investitionen in den Schutz der Biodiversität einsetzt.

Umweltschutz und Bildung

Wildtier-Tourismus soll weiterhin bestehen und sogar ausgeweitet werden, sagt David Newsome, ein Umweltwissenschaftler an der australischen Murdoch Universität in Perth, der sich viel mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Um Wildtier-Tourismus nachhaltig zu machen, müssen Umweltschutz und -bildung gefördert werden.

"Wildtier-Tourismus muss richtig gehandhabt werden, aber das erfordert Training und kostet Geld. Wir müssen die Situation immer wieder neu evaluieren", sagt er.

Die Behörden in Sri Lanka sagen, dass sie daran arbeiten, Tiere vor ungewollten Störungen zu schützen. So sind etwa nur zwei der insgesamt fünf Zonen, die den Yala-Nationalpark ausmachen, offen für Besucher. Aus dem Amt für Wildtier-Schutz heißt es außerdem, dass neue Mitarbeiter eingestellt werden, um die Einhaltung der Regeln in den Gebieten zu überwachen, aber das "brauche Zeit".

Watson vom WWCT sagt, dass mehr getan werden müsse, um das entsprechende Bewusstsein zu schaffen - sowohl bei den Jeep-Fahrern als auch bei den Touristen.

"Touristen müssen verantwortungsvoller sein, indem sie akzeptieren, dass sie den Tieren nicht so nah kommen können, wie sie gern würden", sagt sie. "Sie sollten zufrieden sein, sie in einem gebührenden Abstand zu sehen. Es geht darum, beiden Seiten das beizubringen - sowohl den Touristen als auch den Organisatoren solcher Touren. Mit der Zeit werden die Menschen verstehen, dass sie nichts überstürzen und den Jeep nicht direkt bis zu den Tieren fahren müssen."