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Schwung für christliche Ökumene

Christoph Strack21. Mai 2014

Nach Jahren der Stagnation soll der Dialog von West- und Ostchristen wieder Fahrt aufnehmen. So ist die Begegnung mit dem Ehrenoberhaupt der Orthodoxie zentraler Programmpunkt der Nahostreise von Papst Franziskus.

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Papst Franziskus und Bartolomäus in Vatikan 20.03.2013
Bild: Reuters

Gleich vier gemeinsame Termine trotz einer dichten Reiseplanung. In Jerusalem begegnen sich die Spitzen von Katholiken und Orthodoxen am Sonntag und Montag gleich mehrmals. Wahrlich keine Routine, denn Papst Franziskus (77) und der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomaios (74) knüpfen damit an ein Treffen ihrer Vorgänger Paul VI. und Athenagoras im Januar 1964 an, das bis heute als historisch gilt. Das bevorstehende Treffen ist aus Sicht von Papst Franziskus das "Hauptmotiv" seiner Nahostreise. Franziskus wie Bartholomaios wollen Perspektiven für einen verstärkten Dialog eröffnen. So betitelt der Vatikan die gesamte Reise als "Pilgerfahrt" anlässlich des 50. Jahrestages der damaligen Begegnung.

Dabei ist das Programm 2014 stark verdichtet: Franziskus bereist von Samstagmittag bis Montagabend drei Länder - Jordanien, Palästina, Israel. Drei Religionen begegnem dem Pontifex – Christentum, Islam, Judentum. Der Papst wird 14 Ansprachen und Reden halten. Tausende Menschen hoffen auf eine Begegnung mit ihm. Und alles spielt sich im weltpolitischen Brennpunkt Naher Osten ab. Trotz dieses überbordenden Programms schauen viele, vor allem kirchliche, Beobachter auf das katholisch-orthodoxe Spitzentreffen. Franziskus' Reise bekommt so einen ganz eigenen Akzent und nährt entsprechend besondere Erwartungen.

Papst Franziskus
Papst Franziskus setzt auf den Dialog mit der OrthodoxieBild: Getty Images/AFP

Freunde aus den Religionen

Vor 14 Jahren bereiste Papst Johannes Paul II. sieben Tage lang das Heilige Land. Es war der Pole Karol Wojtyla (1920-2005), der jüdische Freunde in der Shoa verloren hatte, der die Schornsteine der nationalsozialistischen Judenvernichtung rauchen sah, der einer Holocaust-Überlebenden nach der Befreiung des Lagers Tschenstochau zu überleben half und sie seinerzeit in Jerusalem wiedertraf. Als betender Pilger besuchte Johannes Paul II. spontan die Grabeskirche.

Johannes Paul II. 1995 // Alternative
Papst Johannes Paul II besuchte die Grabeskirche als betender PilgerBild: Imago

Neun Jahre später, im Mai 2009, weilte Papst Benedikt XVI. fünf Tage in der Region. Da blickte die Welt vor allem auf seinen Besuch im muslimischen Felsendom. Seine Worte zum Islam erregten besondere Aufmerksamkeit, denn seit er mit seiner Regensburger Rede im September 2006 Muslime erzürnt hatte, achtete der deutsche Papst auf das Verhältnis zum Islam. Im Rückblick gelten die Jahre unter Benedikt als förderlich für den christlich-islamischen Dialog.

Beide Felder – Judentum und Islam – deckt nun Franziskus in einer für ihn typischen Weise ab. Der Argentinier Jorge Mario Bergoglio schart Menschen um sich. Argentinische Freunde begleiten ihn bei dieser Reise, darunter Rabbiner Abraham Skorka, Rektor des lateinamerikanischen Rabbinerseminars und der frühere Generalsekretär des Islamischen Kulturzentrums in Buenos Aires, Omar Abboud.

1.000 Jahre Entfremdung

Eine besondere Geste in Jerusalem ist indes die Begegnung mit der Orthodoxie. Formell getrennt sind die sogenannten Lateiner und die Orthodoxen seit dem Jahr 1054. Damals setzte das "Morgenländische Schisma" einen Schlusspunkt unter nach Jahrhunderten wiederkehrenden Streits. West- und Ostchristen leben eine unterschiedliche Frömmigkeit, in unterschiedlichen Kulturen, unterschiedliche, oft gegensätzliche politische Systeme. Da schlagen 1000 Jahre der Entfremdung zu Buche.

Sensationell war es deshalb, als Paul VI. im Dezember 1963, in Zeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65), seine baldige Reise nach Jerusalem zum Treffen mit dem Ehrenoberhaupt der Ostchristen ankündigte. Damit zielte die erste Auslandsreise eines Papstes in der Neuzeit ganz bewusst in Richtung der Orthodoxie. Und bis heute gilt Moskau, das man kirchlich gerne als „drittes Rom“ neben dem Vatikan und dem im heutigen Istanbul ansässigen Patriarchat von Konstantinopel bezeichnet, für reisefreudige Päpste als unerreichbar. Nicht aus politischen, sondern aus kirchlichen Gründen.

Orthodoxes Fest
Lateiner und Orthodoxe sind seit dem Morgenländischen Schisma getrenntBild: AP

Begegnung mit Folgen

Das Treffen von Paul VI. mit Athenagoras im Januar 1964 hatte eine sehr konkrete Folge. Ende 1965 strichen beide Seiten die gegenseitige Exkommunikation zwischen den Patriarchen von Konstantinopel und Rom. Seitdem gibt es einen katholisch-orthodoxen Dialog, der in den ersten 20 Jahren an Intensität gewann, seit 20 Jahren jedoch zunehmend zäher wird. Doch immer wieder besuchten offizielle Delegationen einander, meist zu den Festen der Apostel Petrus (Rom) und Andreas (Konstantinopel). Nach der Wahl von Franziskus im März 2013 reiste Bartholomaios als erster Patriarch der Ostkirche überhaupt zu einer Amtseinführung eines Papstes. Vielleicht hatte ihn beeindruckt, wie betont sich der neue Mann im Vatikan bei seinem ersten Auftritt auf der Loggia des Petersdoms als „Bischof von Rom“, nicht als Papst vorgestellt hatte.

Israel Pater Nikodemus in Jerusalem
Im katholisch-orthodoxen Dialog engagiert: Benediktiner-Pater NikodemusBild: Domitio-Abtei Jerusalem

Neue Dynamik?

In Jerusalem ist das Zusammenleben von Westchristen und Orthodoxen besonders intensiv. Dutzende Kirchen und Kirchlein der verschiedenen Konfessionen finden sich in der Altstadt, die Grabeskirche teilt man sich nach einem streng geregelten Status Quo aus dem Jahr 1854. Einer derer, die in Jerusalem im katholisch-orthodoxen Dialog engagiert ist, ist der Benediktinerpater Nikodemus von der deutschsprachigen Dormitio-Abtei, ein Ostkirchenkundler. Er hofft, dass das Treffen von Franziskus und Bartholomaios nach schwierigeren Jahren "eine neue Dynamik entfaltet. Diese zwei – das ist eine Sternstunde der Geschichte. Es sind wirklich zwei charismatische Persönlichkeiten", sagte er der Deutschen Welle.

Dabei steht nicht zu erwarten, dass das Treffen in Jerusalem theologische Probleme ausräumen kann, die es mit einzelnen Patriarchaten gibt. Der Patriarch von Konstantinopel ist zwar Ehrenoberhaupt, hat aber keine besondere Vollmacht gegenüber nachgeordneten Patriarchaten. Da wartet die römische Seite auf eine Panorthodoxe Synode, die für 2016 geplant ist und die unter anderem das Gespräch der Orthodoxen mit den Katholiken zusammenführen soll. Eine vergleichbare Situation gab es bereits vor 50 Jahren. Da hatte sich 1963 eine Panorthodoxe Konferenz ausschließlich mit den Beziehungen zur katholischen Kirche befasst und einem "Dialog auf Basis der Gleichberechtigung" den Weg bereitet.
Bedeutung für Europa

Für Europa hätte ein intensiverer Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen Bedeutung. Seit der politischen Wende in Osteuropa hatte das Erstarken von katholisch-unierten Kirchen in verschiedenen osteuropäischen Ländern dieses Gespräch zusehends erschwert. Erst Benedikt XVI. spürte die Verletzungen auf orthodoxer Seite und bemühte sich um Verständigung.
Bestehende Hemmnisse bleiben Anti-Ökumenismus, ein immer noch anzutreffendes ahistorisches Denken auf orthodoxer Seite und Nationalismus. Gerade die jüngste Entfremdung zwischen Moskau und Westeuropa und die Entwicklung in der Ukraine erinnern an frühere, eben auch religiös begründete Konfliktlinien. Um so wichtiger ist heute der Dialog von West- und Ostchristen.

Vereint beten

In jedem Fall geht das Treffen von Papst und Patriarch 2014 über das von 1964 hinaus. Denn anders als vor 50 Jahren, als man getrennt betete, steht nun in der Jerusalemer Grabeskirche eine gemeinsame ökumenische Gebetsfeier verschiedener Kirchenführer an. Das ist die wichtige Symbolik. Grundsätzlicher sollte die gemeinsame Erklärung werden, die Franziskus und Bartholomaios kurz zuvor unterzeichnen wollen.