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Giftige Chemikalien in Kinderkleidung

Sonya Angelica Diehn / D. Breitenbach, F. Schmidt25. Januar 2014

Die Umweltorganisation Greenpeace findet gefährliche Chemikalien in Kinderkleidung aller Preisklassen. Um welche Giftstoffe handelt es sich dabei, wie gefährlich sind sie und wie geht man mit dem Problem um?

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Kinderkleidung hängt in einem Geschäft
Giftige Chemikalien finden sich in günstiger und teurer Kinderkleidung gleichermaßenBild: Emma Stoner/Greenpeace

82 Kleidungsstücke für Kinder hat Greenpeace eingekauft: Die Shoppingtour führte die Mitarbeiter der Umweltorganisation durch 25 Länder und dort zu 12 namhaften Markengeschäften, darunter auch Luxusmarken. Im Labor wurden die Umweltschützer fündig: Eine ganze Reihe von giftigen Chemikalien entdeckten sie in der Kleidung - allerdings nur in Spuren.

"Toxikologen meinen, es gibt bei diesen Konzentrationen in der Kleidung kein akutes Risiko für Kinder", so Greenpeace-Chemieexperte Manfred Santen gegenüber der Deutschen Welle. Dennoch rät er Käufern und Eltern zur Vorsicht beim Kauf. Giftige Chemikalien würden heutzutage bei der Herstellung aller Textilien eingesetzt.

Viel größer sind die Gefahren für diejenigen, die mit der Herstellung der Kleidung zu tun haben. In Färbereien, Webereien und Nähereien kommen Arbeiterinnen und Arbeiter täglich direkt in Kontakt mit den Giften. Auch gelangen die Chemikalien in großer Menge in die Umwelt. Im Ökosystem reichern sie sich an und gelangen über das Wasser und den Boden zurück in die Nahrungskette. Besonders schlimm ist es in Asien, wo viele Textilhersteller fertigen lassen.

Was, warum, wie

Greenpeace hat die gekauften Kleidungsstücke auf die fünf gängigsten Chemikalien in der Textilherstellung untersucht:

Gewebeproben von Kleidungsstücken für die Greenpeace-Studie über Gifte in Kinderkleidung
Greenpeace ließ 82 Kleidungsstücke untersuchen. Sie stammten von 12 ModekettenBild: Alex Stoneman/Greenpeace

Phthalate: Es handelt sich hierbei um Ester der Phthalsäure, die üblicherweise als Kunststoff-Weichmacher eingesetzt werden. "Den höchsten Wert fanden wir bei Kleidung mit Plastisol-Aufdrucken", erklärt der Experte, also in einem Material, das häufig beim Siebdruck eingesetzt wird.

Phthalate sind bekannt als endokrine Disruptoren, das sind Stoffe, die den Hormonhaushalt durcheinanderbringen. Sie beinträchtigen die Fruchtbarkeit und erhöhen das Risiko für Geburtsfehler. Auch steigt das Brustkrebsrisiko. Phtalate sind zwar biologisch abbaubar, das kann aber lange dauern, sodass sie zuvor vom Körper aufgenommen werden.

NPE: Nonylphenolethoxylate sind nichtionische Tenside, mit denen zum Beispiel Kleidung nach dem Färben gewaschen wird. Auch diese Stoffe können das Hormonsystem durcheinanderbringen.

Im Gegensatz zu den Phthalaten sind die NPEs biologisch nicht abbaubar und können sich im Gewebe eines lebenden Organismus anreichern. Nonylphenol ist extrem giftg für Wassertiere. Anders als in Asien darf die Chemikalie in Europa nicht mehr ins Abwasser gelangen, erklärt Santen. "Aber sobald man die Kleidung in Europa in der Waschmaschine wäscht, geht NPE doch ins Wasser."

Chemikalien in Kinderkleidung
Greenpeace sorgt sich vor allem um die Gesundheit der TextilarbeiterBild: Jeff Lau/Greenpeace

PFC: Textilien werden auch mit per- und polyfluorierten Verbindungen, kurz PFC, behandelt, um sie wasserabweisend zu machen. PFC findet man vor allem in Regenjacken und Schuhen. Greenpeace fand die Chemikalie auch in Badeanzügen. "Vielleicht schwimmt man damit ja schneller", meint Santen und fügt hinzu, der Hersteller Adidas habe Greenpeace nicht erklären können, wie die Chemikalie in das Kleidungsstück gelangt ist.

PFCs reichern sich in Organismen an, sind langlebig und auf der ganzen Welt verbreitet. "Man hat den Stoff in der Leber von Eisbären und Pinguinen gefunden, also hat es sich bis in die Arktis und Antarktis verbreitet", stellt Santen fest. Nicht alle Auswirkungen auf die Umwelt sind bekannt. Der Umweltschützer vermutet, dass sie Krebs und Nierenerkrankungen auslösen können.

Organozinnverbindungen: Zinnorganische Verbindungen werden als Biozid vor allem in Baumwollkleidung eingesetzt. Sie töten Bakterien und Pilze ab und schützen Textilien während des langen Transports von den Produktionsländern in die Verkaufsländer. Sie können auch als Geruchshemmer beim Schwitzen dienen.

Antimon: Das Element dient als Katalysator in der Polyesterherstellung. In höheren Konzentrationen kann es giftig sein. Der von Greenpeace in der Kinderkleidung gefundene Antimonanteil ist allerdings nicht gefährlich für die Träger der Kleidung. Dennoch warnt Santen, der Stoff könne bei Herstellung und Entsorgung der Kleidung der Umwelt schaden.

Das Problem anpacken

Für Kinderspielzeug hat die EU zwar strenge Chemikaliengrenzwerte festgesetzt. Die beziehen sich aber nicht auf Kinderkleidung. Als Reaktion auf den Greenpeace-Bericht beteuern die betroffenen Unternehmen, dass die niedrigen gemessenen Konzentrationen kein Gesundheitsrisiko darstellen.

Einige sagten zu, sich mit dem Thema beschäftigen zu wollen. Der irische Textildiscounter Primark beruft sich auf "eine strenge systematische Überwachung der Chemikalien, die voll und ganz den EU-Richtlinien entspricht." Der Hersteller habe "seit langem erkannt, wie wichtig es ist, auch weiterhin die Umweltbelastungen des Herstellungsprozesses zu reduzieren."

Ein Mann färbt Kleidung unter primitiven Bedingungen in einer asiatischen Textilfabrik
Färber kommen mit hohen Giftkonzentrationen in Kontakt - Chemikalien gelangen in die UmweltBild: Jeff Lau/Greenpeace

Einige der 18 untersuchten Modemarken, so zum Beispiel die schwedische Kette H&M, haben sich auf lange Sicht dem Ziel verpflichtet, Kleidung ganz ohne Gefahrstoffe herzustellen. Das nennt sich dann "Zero Discharge of Hazardous Chemicals" (ZDHC). Greenpeace will aber nicht alleine auf Selbstverpflichtungen der Hersteller setzen. Die europäischen Gesetzgeber müssten strengere Gesetze für den Einsatz von Chemikalien erlassen, sagen die Umweltschützer.

Aber auch Länder wie China, das Herz der Textilindustrie, müssten die gefährlichen Substanzen besser regulieren, sagt Santen. "Es gibt bereits einige Fortschritte, so interessieren sich chinesische Politiker durchaus für die Europäischen Regelungen, und dafür, was sie bewirken." Allerdings dauere es oft Jahre, bis Gesetze entworfen und verabschiedet werden und dann auch noch Wirkung entfalten.

Menschen, die sich Sorgen machen, sie könnten mit Giftstoffen in Berührung kommen, empfiehlt Greenpeace-Mann Santen, grundsätzlich alle Kleidung gründlich zu waschen, bevor sie sie das erste Mal tragen.

Es gibt auch Alternativen

Die Deutsche Firma Purtex entwickelt ein Imprägnierungsmittel, welches ausschließlich Polyurethan als Wirkstoff enthält. Anstelle von Lösungsmitteln nutzt der Hersteller Wasser als Träger, um das Material auf die Textilien aufzubringen. Die Imprägnierung soll zum Beispiel Sportkleidung wasserabweisend machen.

Ein Label in einem Kleidungsstück mit Gebrauchshinweisen
Die Gebrauchshinweise sagen nichts über die verwendeten Zusatzchemikalien ausBild: picture-alliance/dpa

"Darin sind weder Weichmacher wie Phtalate noch Emulgierungsmittel enthalten, also Stoffe, die eine Emulsion möglich machen. Auch ist es frei von polyfluorierten Kohlenwasserstoffen oder Antimon", sagt Birgit Severich, Verwaltungsdirektorin von Purtex der Deutschen Welle.

Seit dem letzten Jahr ist Purtex für Textilhersteller verfügbar und die Nachfrage wächst stetig, sagt Severich. "Die meisten bekannten Marken stehen mit uns in Kontakt und erwägen die Einführung unserer Technologie." Unter den Interessenten seien auch die Sportartikelhersteller Puma, Nike und Adidas.