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Gibt es einen Ausweg aus dem Bahnstreik?

Zhang Danhong20. Mai 2015

Der neunte Streik im aktuellen Tarifstreit der Bahn hat begonnen. Er wird Wirtschaft und Bahnkunden härter treffen als die bisherigen Streiks. Die Frage ist nun, ob GDL-Chef Weselsky aus dem Streik herausfindet und wie.

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Deutschland Bahnstreik
Bild: Reuters/M. Rehle

Es gibt einen Hoffnungsschimmer: Die Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL sind trotz des Streiks weiter im Gespräch. Diese Gespräche seien aber vertraulich, weswegen er dazu nichts sagen könne, sagt der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky am Mittwoch (20.05.2015) dem Fernsehsender n-tv. Am Dienstag hatten in Frankfurt Gespräche beider Seiten unter Mitwirkung des Arbeitsrechtlers Klaus Bepler begonnen. Es sollte ausgelotet werden, unter welchen Bedingungen ein Schlichtungsverfahren in Gang gesetzt werden kann.

Selten sind die Fronten der Tarifparteien so verhärtet wie im aktuellen Tarifstreit bei der Bahn. Dabei spielt das Geld eine eher untergeordnete Rolle. "Das, worüber man sich streitet, ist der Geltungsbereich des Tarifvertrages, für welche Arbeiternehmer der Tarifvertrag gelten soll", so Manfred Löwisch, Arbeitsrechtler an der Universität Freiburg, im Westdeutschen Rundfunk. Die GDL will für alle bei ihr organisierten Mitglieder Tarifverträge aushandeln, also nicht nur Lokführer, sondern auch Bahn-Beschäftigte, deren Berufsgruppen bisher die größere Konkurrenzgewerkschaft EVG vertritt, beispielsweise Schaffner oder Mitarbeiter im Bordrestaurant.

Prinzipientreue auf beiden Seiten

Claus Weselsky geht es also ums Prinzip. Die Bahn beharrt ihrerseits auf einem anderen Prinzip: eine Berufsgruppe, ein Tarifvertrag. Wie sollte sonst der Dienstplan aussehen, der zwei Tarifabschlüsse mit unterschiedlichen Arbeitszeitreglungen umsetzen müsste? Tatsächlich stellen GDL und EVG voneinander abweichende Forderungen bezüglich der Arbeitszeit.

Bei diesem Konflikt sitzt die Bahn am längeren Hebel. Bereits am Freitag wird sehr wahrscheinlich ein Tarifeinheitsgesetz im Bundestag verabschiedet, das die Macht der kleineren Gewerkschaften einschränken soll. Demnach gilt in Zukunft in einem Betrieb nur der Tarifvertrag, der von der größten Gewerkschaft ausgehandelt wird. Dann hätte die GDL nur noch wenig zu melden. Ein Karussell der Unterstellungen hat vor diesem Hintergrund eingesetzt: Weselsky wird unterstellt, dass er in Wirklichkeit gegen dieses Gesetz streiken lässt; er unterstellt der Bahn, dass sie ein Ergebnis der Verhandlungen so lange hinauszögert, bis das Gesetz Anfang Juli in Kraft tritt; der Bundesregierung wird wiederum unterstellt, dass sie das Streikrecht unterhöhlen will.

Dem letzten Punkt widerspricht Gregor Thüsing, Arbeitsrechtler von der Universität Bonn. "Die Regelungen zur Tarifeinheit ändern nicht das Arbeitskampfrecht", zitiert Thüsing in der "Süddeutschen Zeitung" aus dem Gesetzentwurf. Der Streik der GDL werde durch das geplante Gesetz nicht berührt. Jeder Arbeitnehmer kann also weiterhin für oder gegen einen Tarifvertrag streiken.

Um das Tarifeinheitsgesetz dreht sich alles

Zudem ist das Gesetz höchst umstritten. Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler geht davon aus, dass es beim Bundesverfassungsgericht scheitern wird. Das deutsche Grundgesetz bestimme, dass die Bildung von Gewerkschaften frei sei. Das bedeute, dass es mehrere Gewerkschaften nebeneinander geben könne. "Und Sie können einer Gewerkschaft, auch wenn sie nur eine Minderheit organisiert, nicht ihr Recht auf Tarifverhandlungen nehmen", sagt Däubler, als der Gesetzentwurf Ende 2014 bekannt wurde. Es werde auch außerordentlich schwierig sein zu ermitteln, welche Gewerkschaft jeweils die meisten Mitglieder in einem Betrieb vertrete. Man könne nämlich niemanden zwingen, seine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft offenzulegen.

Angesichts offener Schwachstellen plädiert der Bonner Jurist Gregor Thüsing dafür, das Gesetz nachzubessern: "Bei konkurrierenden Gewerkschaften sollte ein Einigungsverfahren zwischen Unternehmen und Gewerkschaften im Gesetz verankert werden, das rivalisierende Zuständigkeiten ausschließt", schreibt er in der "Süddeutschen Zeitung". Im Klartext: Bevor gestreikt wird, sollen alle Beteiligten gleichberechtigt miteinander reden. So werden die kleinen Gewerkschaften nicht marginalisiert. Gestreikt wird, wenn eine Gewerkschaft mit dem Ergebnis des Einigungsverfahrens nicht einverstanden ist. Dadurch werde seltener gestreikt, so seine Hoffnung.

Wer kann Weselsky bremsen?

Das ist aber Zukunftsmusik. Gibt es einen Ausweg aus der jetzigen Streikwelle? Der Beamtenbund könnte Weselsky zureden, den Streik zu beenden. Der Beamtenbund ist ein Dachverband von verschiedenen Gewerkschaften, von denen die GDL nur eine ist. Jedoch sieht es im Moment nicht danach aus. Der Vorsitzende Klaus Dauderstädt gibt Weselsky Rückendeckung, wo er nur kann.

Die Bahn könnte die streiklustige GDL verklagen. Die Erfahrung zeigt aber, dass sich die Arbeitsgerichte meistens auf die Seite der Arbeitnehmer stellen. So hat das Arbeitsgericht Frankfurt vor einigen Monaten im selben Tarifstreik geurteilt, dass die Lokführer ihren Arbeitskampf fortsetzen dürfen. Es sei das Wesen eines Arbeitskampfes, dass es zu großen Beeinträchtigungen kommen könnte.

Schlichtung mit oder ohne Zwang

Arbeitsrechtler Löwisch hofft dennoch, dass ein Arbeitsgericht den Mut hat, die Zwangsschlichtung als Hebel einzusetzen. Der Zwang, sich auf eine Schlichtung, auf den Versuch der Einigung mit einem Dritten einzulassen, sei durchaus zulässig. Er erinnert an den berühmten Satz des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 1971: Der Arbeitskampf muss ultima ratio sein. Bevor weiter gestreikt wird, müssen also die Streithähne einer Schlichtung zustimmen.

Vielleicht muss eine solche Schlichtung gar nicht von einem Gericht erzwungen werden. Immerhin nahm Weselsky am Dienstag das Wort "Schlichtung" zum ersten Mal in den Mund. Die Hoffnung bleibt, dass die Gespräche unter Mitwirkung des Arbeitsrechtlers Klaus Bepler doch in eine Schlichtung münden könnten. Solange geschlichtet wird, darf nicht gestreikt werden.