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Gherman: "Moldau wird die Ukraine unterstützen"

Vitalie Calugareanu1. September 2014

Durch das EU-Assoziierungsabkommen ist die Republik Moldau wirtschaftlichem Druck aus Russland ausgesetzt. Außenministerin Natalia Gherman ist aber überzeugt, dass ihr Land dem Druck standhalten kann - mithilfe der EU.

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Natalia Gherman Außenministerin der Republik Moldau (Foto: DW/ Vitalie Calugareanu)
Natalia Gherman (re.), die Außenministerin der Republik Moldau, im DW-InterviewBild: DW/V. Calugareanu

Deutsche Welle: Frau Minister Gherman, am 1. September wollen die EU-Außenminister in Chisinau das vorzeitige Inkrafttreten des Assoziierungs- und Freihandelsabkommens mit der EU feierlich begehen. Im gegenwärtigen geopolitischen Kontext ist dies ein Ereignis von hohem symbolischem Wert für die Republik Moldau. Allerdings hat Moskau nach der Unterzeichnung den Zugang der Republik Moldau zum russischen Markt erschwert. Wie dramatisch sind die Folgen dieser Strafmaßnahmen für ihr Land?

Natalia Gherman: Diese Reaktion Russlands ist bedauerlich. Die Errichtung einer Freihandelszone zwischen der Republik Moldau und der EU bedeutet keinesfalls eine Unterbrechung der Handelsbeziehungen zu Russland oder anderen GUS-Partnern. Das Abkommen mit der EU steht nicht im Gegensatz zu den bestehenden Abkommen zwischen der Republik Moldau und ihren traditionellen östlichen Partnern. Tatsache ist aber, dass uns die russischen Einschränkungen kurzfristig beeinträchtigen werden. Unsere Agrarerzeuger sind in einer schwierigen Lage. Aber sowohl die moldauische Regierung als auch die EU unterstützen diese Produzenten mit voller Kraft, um den Schock aufzufangen. Langfristig werden wir neue Märkte erschließen, um nie wieder in so eine Situation zu gelangen. Wir sprechen hier in erster Linie von einer kompletten Liberalisierung des EU-Marktes für die moldauischen Weine - eine Entscheidung, die bereits letztes Jahr getroffen wurde. Gleich nach Unterzeichnung und Ratifizierung des Assoziierungsabkommens hat die EU die Ausfuhrquoten für mindestens vier Kategorien landwirtschaftlicher Produkte aus der Republik Moldau verdoppelt. Derartige Maßnahmen sind bisher beispiellos und zeugen von einer klaren Solidarität mit der Republik Moldau, in erster Linie mit den moldauischen Agrarproduzenten.

In welchem Maße können diese Maßnahmen die Verluste auffangen, die durch das russische Embargo entstanden sind?

Das Exportvolumen, das uns von der EU vorgeschlagen wurde, ist wesentlich. Die Herausforderung wird sein, die Qualität der Agrarerzeugnisse zu garantieren. Es bedarf bedeutender Investitionen, um Qualität, Zertifizierung, Auswahl und Verpackung den EU-Normen anzupassen. Wir freuen uns, dass wir in diesem Prozess nicht allein gelassen werden. Die EU hat einen Maßnahmenkatalog zur Unterstützung der Erzeuger vorbereitet. Unsere Fachleute werden von europäischen Experten geschult, um die moldauischen Produkte wettbewerbsfähig zu machen. Wir arbeiten in gemischten Kommissionen, um aus den Erfahrungen unserer europäischen Partner im Bereich Marketing, Export und Handel zu lernen.

Der Konflikt im Osten der Ukraine eskaliert und die Beteiligung Russlands wird immer deutlicher. Befürchten Sie, dass auch der Transnistrien-Konflikt eskalieren könnte, wenn sich die Republik Moldau weiter Richtung EU orientiert?

Wir beobachten die Entwicklung in und rund um die Ukraine mit größter Aufmerksamkeit und Besorgnis. Wir plädieren weiterhin für die Lösung dieser Krise aufgrund der Prinzipien des internationalen Rechts. Wir werden weiterhin alle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, vor allem innerhalb der UNO, unterstützen, die zu einer Stabilisierung der Lage führen können. Die Republik Moldau liegt im gleichen geografischen Raum und muss vor dem Hintergrund eines ungelösten separatistischen Konflikts im eigenen Staatsgebiet mit größter Vorsicht agieren, um eine Ausbreitung der Instabilität in der Region zu verhindern. Wir sind in ständigem Kontakt mit unseren Nachbarn und Partnern. Der Kontakt zu den neuen Behörden in Kiew ist perfekt. Wir hoffen, dass die militärischen Feindseligkeiten in Kürze eingestellt werden.

Die Republik Moldau hat ihre militärische Neutralität in der Verfassung verankert. Wie kann das Land unter diesen Umständen seine Sicherheit im gegenwärtigen regionalen Kontext gewährleisten?

Gegenwärtig sind wir Teil einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsstruktur, des erweiterten europäischen Raumes für Sicherheit und Stabilität. Wir leisten bereits einen eigenen Beitrag zu den Friedensbemühungen der EU sowohl in Europa als auch weltweit. Unser Beitrag wird geschätzt. Im März dieses Jahres haben wir ein Kontingent im Rahmen der NATO-Mission nach Kosovo entsandt. Diese Aktionen stehen nicht im Gegensatz zur Neutralität der Republik Moldau. Wir haben ein sehr gutes und konstruktives Verhältnis zur NATO, wir sind Mitglieder der Partnerschaft für den Frieden. Wir kooperieren mit der NATO als verantwortliche Partner. Die NATO hilft uns bei der Beseitigung der militärischen umweltschädlichen Altlasten aus der Sowjetzeit. Die NATO unterstützt uns bei der Reformierung und Modernisierung unserer Streitkräfte. Der Status der Neutralität steht dieser Zusammenarbeit nicht im Wege. Sollte sich die politische Führung des Landes für eine Änderung der sicherheitspolitischen Ausrichtung entscheiden, so ist dafür ein obligatorisches nationales Referendum notwendig.

Sowohl in der russischen als auch in der ukrainischen Presse spricht man über einen drohenden Gaslieferstopp im kommenden Winter aus Russland in die EU. Von einer solchen Maßnahme wäre auch die Republik Moldau direkt betroffen. Gibt es einen Plan B um die Energiesicherheit des Landes zu gewährleisten?

Ich versichere ihnen, dass wir zusammen mit unseren Partnern intensiv an Lösungen arbeiten. Genau am Unabhängigkeitstag der Republik Moldau, am 27. August, wurde die Gasleitung Iasi-Ungheni (aus Rumänien in die Republik Moldau - Anm. d. Red.) eingeweiht. Es war ein symbolischer, aber zugleich auch ein pragmatischer Akt. Zum ersten Mal wird die Republik Moldau eine alternative Versorgungsquelle mit Erdgas haben. Noch sprechen wir von bescheidenen Mengen, aber das Projekt wird fortgesetzt und soll bis in die Hauptstadt und in einem dritten Schritt ins ganze Land ausgedehnt werden. Es ist ein strategisches Projekt, das eine stabile und unabhängige Zukunft für unser Land sichern wird.

Erwarten Sie Reaktionen seitens Russlands auf die Einweihung dieser Gasleitung?

Russland bleibt ein wichtiger Partner der Republik Moldau im Energiesektor. Den größten Teil des Erdgases beziehen wir weiterhin aus der Russischen Föderation. Die Republik Moldau begleicht verantwortungsvoll alle Rechnungen für den Gaskonsum - und diese Rechnungen sind keinesfalls gering. Wenn von vertraglichen Verpflichtungen die Rede ist, dann ist die Republik Moldau jene, die diesen Verpflichtungen beispielhaft nachkommt.

Natalia Gherman ist seit 2009 moldauische Außenministerin. Sie ist auch zuständig für die Fragen der europäischen Integration des Landes.