1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ghani reist zuerst nach Peking

Hans Spross28. Oktober 2014

China war während des Afghanistan-Konflikts lange Zeit nur Zuschauer. Seit einigen Jahren nimmt Peking eine aktivere Position ein, was der neue Präsidenten Ashraf Ghani nur begrüßen kann.

https://p.dw.com/p/1Dd86
Ghani bei Xi Jinping 28.10.2014 Peking (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Jason Lee

Sein erster Staatsbesuch führt den neuen afghanischen Präsidenten Ghani nach China. In Peking wurde er am Dienstag (28.10.2014) von seinem Amtskollegen Xi Jinping begrüßt (Artikelbild). Der letzte Tag (31.10.2014) des Besuchs fällt mit der vierten Außenministerkonferenz des "Istanbul-Prozesses" in Peking zusammen. Daran beteiligt sind 14 Nachbarstaaten Afghanistans einschließlich Russlands, der Türkei und Indiens. Ziel der Initiative ist die Förderung einer stabilen Entwicklung Afghanistans. Das Treffen hat laut der Nachrichtenagentur Xinhua besondere Bedeutung, denn es ist "das erste internationale Treffen zu Afghanistan in China und das erste seit dem Regierungswechsel in Afghanistan."

Bereits seit 2012 und dem sich konkretisierenden Truppenabzug des Westens begann China, sich stärker als bis dahin in Afghanistan zu engagieren. Chinas damaliger Chef der inneren Sicherheit, Zhou Yongkang, reiste nach Kabul. Unter anderem wurde die Ausbildung von 300 afghanischen Polizisten in China vereinbart. Bei anderen Ausbildungsmissionen arbeitete China seitdem mit den USA zusammen.

Pekings Interesse an sicheren Grenzen

Mit dem Abzug der ISAF-Truppen muss China die Möglichkeit ins Auge fassen, dass die prekäre Stabilität seines westlichen Nachbarn umkippen könnte. "Für China spielt der geopolitische Faktor die wesentliche Rolle", sagt Pan Zhiping, Zentralasien-Experte von der Akademie für Sozialwissenschaften im chinesischen Xinjiang. "Afghanistans Stabilität ist bedeutend für Chinas Sicherheit."

Paramilitärische Polizei in gepanzerten Wagen in Xinjiang (Foto: Picture alliance/dpa)
Peking befürchtet Anheizung seiner Sicherheitsprobleme in Xinjiang durch Kräfte von außenBild: picture-alliance/dpa

Vor allem will Peking verhindern, dass uighurische Extremisten in Xinjiang logistische, propagandistische und personelle Unterstützung durch Gesinnungsgenossen aus dem afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet erhalten. Schon zu Zeiten der Taliban-Herrschaft hatte Peking Kontakt zu den Gotteskriegern aufgenommen, um die Garantie zu erhalten, dass von Afghanistan aus keine Angriffe von uighurischen Separatisten unternommen würden.

Kontakte zu Taliban

Auch heute nimmt Peking eine pragmatische Haltung gegenüber den Taliban ein, sagt Politikwissenschaftler Jochen Hippler von der Universität Duisburg-Essen gegenüber der Deutschen Welle. "Sollten die Taliban glaubwürdige Gesten machen, dass sie mit China ökonomisch, zum Beispiel im Rohstoffbereich, zu kooperieren bereit sind, dann wird die chinesische Ablehnung mild bzw. gar nicht vorhanden sein. Wenn umgekehrt die Taliban als Hindernis für die wirtschaftliche Nutzung afghanischer Bodenschätze gesehen werden und möglicherweise auch als potenzielle Unterstützerkraft für muslimische Kräfte in China, dann wird man sie sehr stark ablehnen", sagt Hippler.

Empfang für Hamid Karsai in Peking 2010 mit Hu Jintao (Foto: AP)
Empfang für Hamid Karsai in Peking 2010 nach dessen umstrittener Wiederwahl im Jahr zuvorBild: AP

Allerdings wird sich China nicht militärisch einmischen und das Sicherheitsvakuum nicht füllen, das nach dem Ende der ISAF-Mission droht. "Wer Soldaten in ein so kompliziertes Land schickt, gerät bald in Not", erklärt Pan Zhiping die Haltung Pekings. Peking setzt stattdessen auf Stabilisierung der Regierung Ghani durch wirtschaftliche Entwicklung und durch regionale Initiativen wie den schon erwähnten Istanbul-Prozess.

Wirtschaftsbeziehungen und neue Partner

Auch aus Kabuler Sicht sind der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu China und die Kooperation bei der Terrorismus-Bekämpfung zwei Seiten derselben Medaille. "China kann eine große Rolle spielen, um Frieden und Sicherheit in Afghanistan zu erreichen", erklärte Ghanis Sprecher Fayeq Wahedi gegenüber der Deutschen Welle. "Wir betrachten China als Nachbarn und regionale Macht, die Afghanistan in allen Bereichen unterstützen kann, dazu gehört die Kooperation bei Wirtschaft, Handel und Sicherheit." Der Terrorismus sei inzwischen eine Bedrohung für beide Länder, deswegen sei es wichtig, dass beide Länder sich dagegen gemeinsam wehren.

MCC Hauptsitz in Peking (Foto: Imaginechina Mu sen)
Chinesischer Bergbaukonzern MCC musste bei Kupferprojekt in Afghanistan Rückschläge hinnehmenBild: picture-alliance/ dpa

Eine stärkere Annäherung Kabuls an China für die Zeit nach der NATO-Präsenz ist für Politologen Hippler nur logisch: "Ghani will die sehr starke Abhängigkeit von den USA und einigen NATO-Ländern der letzten Jahre überwinden. Da ist China ein naheliegender Partner, als Nachbar und als weltweit zentrale Wirtschaftsmacht. Und nicht zuletzt, weil China im Gegensatz zu den USA und EU politisch flexibel ist und die Afghanen, wenn die wirtschaftlichen Aspekte stimmen, nicht mit Good Governance belästigen wird."

Schwierige Investitionen im Rohstoff-Sektor

Afghanistan braucht ausländische Investitionen und könnte seine gewaltigen unerschlossenen Rohstoffvorkommen dafür einsetzen. Mit China besteht seit 2007 ein Abkommen über die Ausbeutung der Kupfermine Mes Aynak in der Provinz Logar südlich von Kabul. Das Milliarden-Projekt liegt jedoch wegen der schlechten Sicherheitslage und fehlenden Infrastruktur auf Eis. Erst im September war eine Delegation des chinesischen Bergbaukonzerns MCC in Kabul. Beide Seiten wollten an dem Projekt festhalten, räumten aber die anhaltenden Schwierigkeiten ein.

Taliban-Angriff auf Gericht in Kundus (Foto: Reuters)
Die Taliban haben ihre Terrorkampagne seit dem Amtsantritt Ghanis verstärktBild: Reuters

Unterdessen fördert der chinesische Petrokonzern CNPC Öl im Amu Darya-Feld an der Grenze zu Turkmenistan. Es ist das andere derzeitige Rohstoffprojekt in Afghanistan mit chinesischer Beteiligung. Es gibt jedoch Streit über Kosten zwischen afghanischen Behörden und chinesischen Subunternehmern, die Fördertechnologie stammt noch aus Sowjetzeiten. Auf der Internet-Seite von CNPC kommt das afghanische Öl-Geschäft nicht vor; dem gegenüber wird die Inbetriebnahme der modernen Erdgasanlage im turkmenischen Teil des Amu Darya-Vorkommens groß herausgestellt. Bei den chinesischen Investitionen in die Ausbeutung afghanischer Bodenschätze ist noch viel Luft nach oben.

Auch Zentralseien-Experte Pan Zhiping in Urumqui sieht die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern eher als langfristiges Projekt. Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung sei Stabilität, so Pan gegenüber der DW. "Auch wenn China sich für die Bodenschätze interessiert, muss man vielleicht zunächst abwarten, bis die Lage etwas ruhiger wird bzw. die afghanische Regierung die Lage im Griff hat."