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Gewissen und gewisse Vorteile

Bernd Gräßler14. Februar 2014

Nach langem Hin und Her will der Bundestag schärfere Regeln gegen die Bestechung von Abgeordneten beschließen. Damit könnte endlich eine UN-Konvention ratifiziert werden. Doch der Teufel steckt im Detail.

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Symbolbild Korruption: Ein Briefumschlag wandert von einer Hand in eine andere (Foto: picture alliance/CTK)
Bild: picture alliance/CTK

Jegliche "Aufträge und Weisungen", die ein deutscher Abgeordneter als Gegenleistung für "ungerechtfertigte Vorteile" ausführt, sollen künftig eine Angelegenheit für die Justiz werden. Das ist der Kern des neuen Gesetzes, mit dem die Koalition aus Union und SPD die Abgeordnetenbestechung besser bekämpfen will. Das Delikt wird damit wesentlich breiter gefasst als bisher.

Bestraft werden könnte damit nicht nur Stimmenkauf und -verkauf, wie es das Strafgesetzbuch derzeit vorsieht. Jede "konkrete Unrechtsvereinbarung", die ein deutscher Abgeordneter mit einem Anderen eingeht, egal ob in Europaparlament, Bundestag, Landtagen oder Kommunalvertretungen, soll zur Sache für den Staatsanwalt werden.

Katja Keul, Bündnis 90/Die Grünen (Foto: Bündnis 90/Die Grünen)
Keul: Deutschland muss endlich UN-Konvention ratifizierenBild: Bündnis 90/ DIE GRÜNEN

Die erste Beratung im Bundestag zeigte: Alle Fraktionen - auch die der Opposition - sind dafür, endlich schärfere Regeln einzuführen, um eine "unendliche Geschichte zu beenden", wie eine Abgeordnete betonte. Denn Deutschland habe zwar bereits 2004 eine UN-Konvention gegen Korruption unterschrieben, gehöre aber gemeinsam mit Saudi-Arabien, dem Sudan, Syrien und Myanmar zu den letzten Staaten, die das Abkommen noch nicht ratifiziert haben, betonte die Grünen-Abgeordnete Katja Keul. Nun versucht man, dies im Eiltempo nachzuholen. Vielleicht auch deshalb, so vermutet Transparency International, weil sich für März in Berlin Vertreter von OECD und Europarat angekündigt haben, um die Umsetzung von Anti-Korruptionsvereinbarungen zu überprüfen.

Strenge Regeln kontra freies Mandat

Das jahrelange Zögern des Bundestages, der UN-Konvention seinen Segen zu geben, lag jedoch weniger an der besonderen Korruptionsanfälligkeit im deutschen Parlament. Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International steht Deutschland seit eh und jeh gut da: Platz 12 unter 177 Staaten, das ist eine weiße Weste mit wenigen Schönheitsflecken. Der Verein LobbyControl, der Recherchen zu diesem Thema betreibt, kommt in den letzten Jahren auf ganze drei Fälle von Abgeordneten-Verurteilungen wegen Korruption, alle im kommunalen Bereich. Möglicherweise könnte sich das ändern, wenn das schärfere Gesetz die parlamentarischen Hürden nimmt.

Dass Gesetz und Ratifizierung der UN-Konvention so lange nicht zustande kamen, lag an den Bedenken der Abgeordneten, vor allem in der Unionsfraktion. Eine weite Auslegung des Korruptionsbegriffes widerspräche den Besonderheiten der parlamentarischen Willensbildung, hieß es. Für gewählte Volksvertreter, die nur ihrem Gewissen verantwortlich sind, könnten nicht die gleichen strengen Regeln gelten wie beispielsweise für Amtsträger, denen jede noch so geringe Vorteislannahme zum Verhängnis werden kann, wie derzeit der frühere Bundespräsident Christian Wulff erfahren muss.

Vergeblich drängte sogar die deutsche Wirtschaft jahrelang auf Vollzug: Es mache keinen guten Eindruck, wenn Deutschland im Ausland als Vorreiter der Korruptionsbekämpfung auftrete, selbst aber die UN-Konvention nicht umsetze. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist froh, dass die Sache jetzt endlich angepackt wird. "Mit der Neuregelung wird der Weg frei, die UN-Konvention gegen Korruption (UNCAC) zu ratifizieren und damit Deutschlands Sonderrolle zu beenden", heißt es.

Elisabeth Winkelmeier-Becker, CDU (Foto: picture alliance/Tagesspiegel)
Winkelmeier-Becker: "Interessenvertretung ist unser Kerngeschäft"Bild: picture-alliance/Tagesspiegel

Interessenvertretung ist das Kerngeschäft

Bereits am Freitag kommender Woche soll abgestimmt werden. Allerdings gibt es vorher noch Anhörungen und Ausschusssitzungen, denn die Angelegenheit ist kompliziert und viele Abgeordnete fürchten, in ihrer Freiheit über Gebühr eingeschränkt zu werden. So verweist die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, darauf, dass Interessenvertretung das Kerngeschäft der Abgeordneten sei. Der Einladung zu einem Geschäftsessen oder einer Reise mit überwiegend parlamentarischem Programm zu folgen, könne legitim sein. Die Abgeordneten benötigten außerdem Spenden für ihren Wahlkampf. Nach derzeitiger Rechtslage dürfen sie diese direkt annehmen, müssen sie aber dem Bundestagspräsidenten melden. Daran soll sich nichts ändern.

Ob derartige Vorteile ungerechtfertigt seien und ihnen eine Unrechtsvereinbarung zugrunde liege, sei schwer festzustellen, sagte die CDU-Abgeordnete. Zuwendungen, die den "anerkannten parlamentarischen Gepflogenheiten" entsprechen, sollen erlaubt bleiben. Laut gemeinsamem Gesetzentwurf von Union und SPD soll auch die Belohnung eines Abgeordneten durch ein politisches Mandat oder eine Funktion nicht als Bestechung gelten, wenn er sich - entgegen seiner eigentlichen Überzeugung - dem Fraktionszwang unterwirft.

Auch Bestechung ausländischer Abgeordneter strafbar

Berechtigterweise ins Visier der Staatsanwälte würden auf jeden Fall Handgelder für die Einbringung oder Veränderung bestimmter Gesetzentwürfe, Einladungen für längere Auslandsreisen oder die Gewährung günstiger Darlehen rücken. Auch für sogenannte "Dankeschön"-Prämien nach Abstimmungen würden Geldstrafen oder Gefängnis bis zu fünf Jahre drohen, sowohl dem Geber als auch dem Empfänger. Bisher ist der Stimmenkauf nur strafbar, wenn er vor der Abstimmung erfolgt. Das neue Gesetz soll auch gelten, wenn Deutsche ausländische Abgeordnete bestechen.

Im Bundestag geht allerdings auch die Sorge um, dass besonders eifrige Staatsanwälte die Abgeordneten mit Ermittlungsverfahren überhäufen, die in den meisten Fällen das politische Aus bedeuten, auch wenn sie später eingestellt werden.

Anti-Korruptionswächter wie Transparency International und LobbyControl begrüßen den Gesetzentwurf, sehen allerdings Lücken. So bemängelt LobbyControl, dass der bloße Versuch der Bestechung von Abgeordneten straffrei bleiben soll.