1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gewalt schreckt Ausländer kaum ab

Jan D. Walter31. Oktober 2014

Verschwundene Studenten, Massenmorde, Drogenkrieg: Die Schreckensmeldungen aus Mexiko wollen nicht abreißen. Trotzdem gibt es keinen Einbruch bei der Zahl ausländischer Einwanderer und Touristen.

https://p.dw.com/p/1DewX
Mexiko Verhaftung von Polizisten (Foto: REUTERS/Tomas Bravo)
22 Polizisten wurden nach dem Verschwinden der 43 Studenten in Mexiko verhaftetBild: Reuters/Tomas Bravo

Bis zu 150.000 Tote hat der Drogenkrieg seit 2007 Schätzungen zufolge bereits gefordert. Ein Ende der Gewalt scheint auch angesichts der letzten Verstrickungen rund um das Verschwinden von 43 Studenten Ende September nicht in Sicht. Der Staat führt Krieg gegen Drogenkartelle, diese bekriegen sich wiederum auch untereinander - und bekommen dabei offenbar in manchen Regionen auch noch die Unterstützung staatlicher Behörden.

Was nach unerträglichen Zuständen klingt, hält viele Ausländer nicht davon ab, in Mexiko zu leben. Wie viele Ausländer dort genau leben, ist schwer zu sagen. Offiziell waren in Mexiko 2009 8900 Deutsche und 49.000 andere EU-Bürger registriert. Doch nicht jeder, der in Mexiko arbeitet, muss seinen Erstwohnsitz dort anmelden. Manche Schätzungen besagen, dass 70.000 deutsche Staatsbürger in Mexiko leben und arbeiten. Die meisten von ihnen arbeiten in einem der rund 1300 deutschen Unternehmen, die in Mexiko Niederlassungen haben.

Die Zahl der Anträge auf Arbeitsvisa ist bislang nicht gesunken, heißt es im mexikanischen Konsulat in Frankfurt am Main.

Das Frankfurter Konsulat hat im ersten Halbjahr 2014 24 Zoll-Genehmigungen auf Umsiedlung von Haushalten erteilt - doppelt so viele wie im Gesamtjahresdurchschnitt der Jahre 2008 bis 2012. "Deutsche gehen nicht nur für kurzfristige Aufträge nach Mexiko, immer mehr von ihnen entscheiden sich auch, dort zu leben", interpretiert Konsul Horacio Saavedra die Entwicklung. Natürlich handelt es sich insgesamt nur um eine sehr geringe Anzahl von Visa. Aber auch hier sind keine Anzeichen eines Einbruchs erkennbar.

Touristen zeigen sich unbeeindruckt

Der Mexiko-Tourismus scheint, wenn überhaupt, höchstens punktuell unter dem Drogenkrieg zu leiden: Laut Welttourismusorganisation UNWTO machten 2013 24,2 Millionen - vor allem US-amerikanische - Ausländer Urlaub in Mexiko. Das waren zehn Prozent mehr als 2005. Auch hier hat es also keinen Rückgang gegeben, wie man vielleicht vermuten könnte.

Strand in Mexiko. (Foto: TheMomentIWakeUp)
Malerische Strände und eine reiche Kultur - das schätzen viele Touristen an MexikoBild: Fotolia/TheMomentIWakeUp

Im selben Zeitraum wuchs die Zahl der Deutschen, die in Mexiko Urlaub machen, deutlich stärker als der Gesamtmarkt. Nach Angaben des Deutschen Reisebüro-Verbands (DRV) stieg ihre Zahl zwischen 2005 und 2013 um fast 50 Prozent von 129.000 auf 190.000. Dieses Jahr könnten es über 200.000 werden. Derzeit sei das allerdings schwer zu sagen, weil die Hauptreisezeit gerade erst beginne, heißt es beim DRV.

Der Drogenkrieg spielt bei der Entscheidung, einen Urlaub in Mexiko zu machen keine Rolle. Zu Recht, meint Konsul Saavedra: "Die Touristengebiete liegen fernab der Drogenrouten." Natürlich müsse man außerhalb der Urlaubsressorts auf seine Brieftasche aufpassen und es vermeiden, nachts durch dunkle Gassen zu spazieren. Aber das sei in den meisten Städten der Welt ja nicht anders.

Infografik Mexiko von Drogenkartellen verübte Morde zwischen 2006 und 2012

Auch Johannes Hauser, Leiter der Deutschen Außenhandelskammer in Mexiko-Stadt, trennt die Kleinkriminalität vom organisierten Verbrechen. Vor Überfällen könne man sich durch die gebotene Vorsicht gut schützen, mit den Kartellen habe man eigentlich nichts zu tun: "Mexiko ist so groß - die meisten deutschen Arbeitnehmer leben ganz woanders und erfahren hier von den Gewalttaten genau so aus den Nachrichten wie in Deutschland."

Tatsächlich ist Mexiko mit fast zwei Millionen Quadratkilometern mehr als fünfmal so groß wie Deutschland. Und die Drogenkartelle seien längst nicht in allen Gebieten gleich präsent, schreiben die Autoren des US-Think-Tanks Stratfor in einer Analyse anlässlich des Spring Breaks, der Semesterferien, die US-Studenten gerne nutzen, um in südlichen Gefilden ausgelassen zu feiern: "Das Zentrum des Konflikts konzentriert sich auf die begehrtesten Schmuggelrouten durch Mexiko." Besonders gewaltsam gehe es dabei in den Gebieten zu, in denen die Vorherrschaft umstritten ist.

Nicht alle Urlaubziele sind sicher

Eine dieser Gegenden ist der Bundesstaat Guerrero, in dem die 43 Lehramtsstudenten verschwanden und mutmaßlich von Killern der Drogengang "Guerreros Unidos" (Vereinigte Krieger) ermordet wurden. Die größte Stadt in Guerrero ist das legendäre Seebad Acapulco.

Mexiko Vermisste Studenten (Foto: EPA/Jose Mendez)
Proteste nach dem Verschwinden von 43 Studenten in IgualaBild: picture-alliance/dpa/J. Mendez

Bis in die 90er-Jahre galt Acapulco als Badeort des internationalen Jetsets. Heute verzeichnet die Stadt eine der höchsten Mordraten der Welt. Statt Hollywood-Stars logieren in den Luxushotels am Pazifikstrand heute vor allem Mexikaner, die aus der vier Autostunden entfernten Hauptstadt Mexiko-Stadt anreisen.

US-Touristen entspannen heute lieber im 700 Kilometer weiter nördlich gelegenen Puerto Vallarta oder in Los Cabos am Südzipfel von Baja California. Die meisten Deutschen zieht es nach Cancún, auf der Karibikhalbinsel Yucatán 1400 Kilometer östlich von Acapulco.

Eine Frage der geografischen Lage

Diese Gegenden gelten als sicher. Die Mordraten bedingt durch Drogenkriminalität waren dort in den vergangenen Jahren weitaus geringer als im Rest des Landes (siehe Infografik). Doch auch in den Touristenregionen registrieren die Stratfor-Autoren einen Anstieg der Gewalt, wenn auch nur vereinzelt. Aus der Tatsache, dass die Opfer der Kartelle bisher überwiegend mexikanische Staatsbürger waren, mag man schließen, Ausländer genössen die Protektion der Kartelle - sei es als zahlungskräftige Abnehmer der Drogen, sei es, um internationales Aufsehen zu vermeiden oder weil das organisierte Verbrechen im lukrativen Tourismus sein Geld waschen könnte.

Alles Spekulation, warnen die Stratfor-Autoren: "Nichts am Verhalten der Kartelle weist darauf hin, dass sie Touristen vorsätzlich aus der Schusslinie halten." Wer sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhalte, dürfe nicht darauf hoffen, verschont zu werden, weil er kein Mexikaner ist.