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Autofahrt mit Folgen

Martin Koch4. Dezember 2013

Der ehemalige Grünen-Politiker Joschka Fischer wirbt für ein Elektroauto. Darf der Ex-Außenminister das? Seine ehemaligen Parteifreunde hätten jedenfalls eine andere Idee für ihn gehabt.

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Joschka Fischer und der BMW i3 Foto: Peter Endig/dpa pixel
Bild: picture-alliance/dpa

"Also, ein schöner Mann ist er nicht mehr", sagt Werbefachmann und Marketing-Professor Joachim Kellner aus Hamburg, als er sich den Werbefilm des Autoherstellers BMW mit Joschka Fischer ansieht. Etwas aufgedunsen sei er, der in die Jahre gekommene ehemalige Außenminister und Grünen-Politiker, wie er da in dem Elektroauto sitze und dessen Vorzüge preise: "Unter normalen Umständen würde man den nie in so eine Kampagne nehmen." Eigentlich müsse ein Werbe-Model eine sympathische Ausstrahlung haben oder sexy sein, am besten gleich beides. "Aber nun ist Joschka Fischer so berühmt und von vielen Menschen so geschätzt, dass das keine Rolle spielt", lautet Kellners Urteil. Immerhin sei das Ziel der Werbeaktion auf jeden Fall erreicht worden: Aufmerksamkeit erregen.

Mindestens ebenso sehr erregen sich momentan allerdings auch die ehemaligen Parteifreunde Fischers. So beklagt Theresa Kalmer, Bundessprecherin der Nachwuchsorganisation Grüne Jugend, der einstige Vorzeige-Grüne erweise seiner Partei keinen guten Dienst. Zum einen handele es sich um Greenwashing. Der Konzern werde als umeltfreundlich dargestellt, sie glaube allerdings nicht, dass er es auch sei. "Zum anderen hat es nicht mit grüner Politik zu tun, so wie wir sie wollen."

Image mit Langzeitwirkung

Zwar hat die 22-Jährige Fischer noch nie persönlich getroffen und als er sich 2006 aus der aktiven Politik zurückzog, war sie gerade mal 15 Jahre alt, aber trotzdem ist er für sie "eine Ikone der Grünen", die mal Außenminister war. Dass er jetzt als Werbeträger für BMW auftritt, findet sie schade, auch wenn es sich bei dem beworbenen Produkt um ein Elektrofahrzeug handelt: "Wenn er sich jetzt in so ein Auto setzt, wird damit auch immer noch grüne Politik verbunden."

Noch mehr ärgert sich Theresa Kalmer aber darüber, dass überhaupt so viel Aufhebens um diesen Werbeauftritt und die Person Fischers gemacht wird, statt über Inhalte zu diskutieren: "Ich glaube, dass es in die falsche Richtung geht. Wir stehen dafür, dass man langfristig vom motorisierten Individualverkehr wegkommen muss." Außerdem seien Elektroautos am Ende angesichts des hohen Energieaufwands für die Herstellung der Leichtbaukarosserien, der Batterien und anderer Bestandteile auch nicht besonders umweltfreundlich.

Theresa Kalmer, Bundessprecherin Grüne Jugend (Foto: privat)
Kalmer: Werbung für kostenfreien Nahverkehr wäre besserBild: privat

Die Nachwuchspolitikerin hätte sich von Joschka Fischer Werbung für ein anderes Produkt gewünscht: "Ich fänd es cooler, wenn er Werbung für einen kostenfreien ÖPNV machen würde, weil das sozialverträglich ist und eine umweltschonende Mobilität."

Für Joachim Kellner ist die Wahl Fischers als Werbeträger für das neue Elektroauto dagegen ein kluger Schachzug des Herstellers: "Weil es ein Konzept der Zukunft ist und Joschka Fischer einer der Gründerväter der Grünen als ökologische Bewegung mit großem gesellschaftspolitischem Einfluss, finde ich das glaubwürdig."

Dürfen Politiker das?

Grundsätzlich steht es Politikern frei, sich für Werbung herzugeben. Lediglich die Mitglieder der Bundesregierung unterliegen strengeren Regeln: Sie dürfen neben ihrem Amt "kein Gewerbe und keinen Beruf" ausüben, heißt es im Bundesministergesetz. Sogar "öffentliche Ehrenämter" sind ihnen untersagt. Bundestags- und Landtagsabgeordnete dagegen können ihren Beruf nebenbei weiterlaufen lassen, Beraterverträge abschließen oder Gutachten erstellen - sie müssen ihre Einkünfte lediglich offenlegen.

Ob es allerdings in Sachen Unabhängigkeit und Objektivität klug ist, wenn ein Politiker auch als Werbefigur tätig ist, stehe auf einem anderen Blatt, sagt Joachim Kellner: "Wenn ein Politiker Werbung macht für ein Produkt oder eine Dienstleistung, kann ich mir nicht vorstellen, dass er besonders kritisch darüber berichtet."

Dementsprechend selten sind die Fälle, in denen Politiker aktiv für Produkte werben. Das gilt nach Ansicht des Werbefachmanns Kellner auch für andere Länder. Jedenfalls seien ihm keine Fälle bekannt, in denen Politiker als Werbeträger tätig sind.

Grundsätzlich gebe es da keinen keinen Unterschied zwischen Bundes- und Lokalpolitik - jedenfalls theoretisch, fügt Kellner hinzu: "Das moralische Problem existiert immer, egal, ob ich auf Lokal- oder Bundesebene Politik mache. Wo kein Kläger, da kein Beklagter. Aber wenn ein Politiker in einer 10.000-Leute-Gemeinde Werbung für den Fleischer macht, wird sich auch keiner aufregen."

Kalkulierte Kontroverse

Der Fall Joschka Fischer ist aus juristischer Sicht unproblematisch, weil dieser kein politisches Amt mehr bekleidet, sondern schon seit Jahren als Unternehmensberater tätig ist - übrigens auch für den bayerischen Autohersteller, dessen E-Mobil er jetzt bewirbt.

Flash-Galerie Angela Merkel 2001 in der Werbung. Foto: AP
Kalkulierte Provokation: Sixt-Werbung mit Augenzwinkern und SturmfrisurBild: AP

Kniffliger ist die Situation, wenn Politiker ungefragt für Werbung eingespannt werden. Unvergessen ist die Kampagne der Mietwagenfirma Sixt, die Angela Merkel, noch vor ihrer Wahl zur Kanzlerin, mit zerzaustem Haar für ein Cabrio werben ließ. Merkel ging damals nonchalant über die satirische Anspielung auf ihre Frisur hinweg, forderte lediglich eine Entschädigung in Höhe von 50.000 Euro, die sie für einen wohltätigen Zweck spendete, und die Sache war erledigt.

Anders verhielt es sich bei der Kampagne der Tageszeitung "Die Welt", die Konterfeis von Prominenten - unter anderem Joschka Fischer - zu Kleinkindgesichtern gemorpht hatte. Auch sie fand ohne Einwilligung der Protagonisten statt. Fischer allerdings klagte gegen den Verlag und erhielt 200.000 Euro Schadenersatz.

Doch die Unternehmen gehen nach Ansicht von Experten aus solchen Prozessen trotzdem als Gewinner hervor. Das bestätigt auch Marketing-Professor Joachim Kellner: "Der Presseeffekt ist viel mehr wert als die Strafe."