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Gestatten, Antici...

19. Januar 2010

Keine Kameras, keine Tonbänder. Die Gespräche der Staats- und Regierungschefs auf den Gipfeltreffen der EU werden auf besondere Weise protokolliert. Eine wichtige Rolle spielt dabei der "Antici" eines jeden Landes.

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Porträt des Beamten Georg Felsheim (Foto: DW/Henn)
Der deutsche "Antici" Georg FelsheimBild: DW/ Henn

"Wenn Frau Merkel auf die rote Taste drückt, geht die Lampe neben Deutschland an. Dann mache ich mich auf den Weg, um zu schauen, was die Bundeskanzlerin wünscht", sagt Georg Felsheim, der für das Auswärtige Amt in Brüssel als "Antici" arbeitet. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich der engste Mitarbeiter des Botschafters in der Ständigen Vertretung bei der EU. Ein Vollzeitjob, das ganze Jahr über.

Doch ein EU-Gipfeltreffen ist für Georg Felsheim immer ein besonderer Arbeitstag. Lange vor der Bundeskanzlerin betritt er im dunklen Anzug mit roter Krawatte das Ratsgebäude im Brüsseler Europaviertel. Die rote Plastikkarte mit dem groß aufgedruckten "A" gibt ihm Zutritt zu den am strengsten bewachten Fluren. Denn die Anticis der 27 Mitgliedsländer sind die wichtigsten stillen Helfer im Hintergrund. Sie erfahren als Erste, was im großen Sitzungssaal besprochen wird und leiten diese Informationen dann an die nationalen Delegationsbüros weiter.

Ein System der Vertraulichkeit

Blick auf die belebte Eingangshalle des Ratsgebäudes (Foto: DW/Henn)
Felsheim schätzt die Hilfsbereitschaft unter KollegenBild: DW/ Henn

Eine Live-Schaltung oder eine direkte Übertragung in den Saal der Spitzenpolitiker gibt es absichtlich nicht - "weil man die Vertraulichkeit der Beratungen schützen möchte", wie Georg Felsheim sagt. Lediglich drei Protokollanten des Ratssekretariats dürfen die Gespräche im Saal mit anhören.

Felsheim selbst sitzt gemeinsam mit den Anticis aus den übrigen EU-Mitgliedsländern in einem benachbarten Konferenzsaal vor Computer, Faxgerät und Telefon und wartet auf Neuigkeiten. Die Protokollanten des Ratssekretariats berichten abwechselnd auf Englisch oder Französisch über die soeben geführten Gipfelgespräche. Während also in der der großen Eingangshalle des EU-Ratsgebäudes hunderte Journalisten auf Informationen warten und ihre Berichte in die Laptops tippen, sitzt ein paar Stockwerke höher der eingeschworene Zirkel der Anticis in einem kleinen Konferenzsaal zusammen - und tippt ebenfalls hochkonzentriert, so schnell es geht.

Hohe Konzentration und Fachwissen sind gefragt

Blitzschnell übersetzen die Anticis das Gehörte in die eigene Landessprache und senden das Protokoll ins eigene Delegationsbüro. "In Spitzenzeiten, wenn das Tempo sehr hoch ist, dann steigt die Spannung und auch das Adrenalin", sagt Felsheim und lacht. Schließlich sind die Themen oft hochpolitisch und komplex - von den EU-Zielen beim Klimaschutz bis zu Detailfragen der Finanzaufsicht. Und dann kann es ihm auch noch passieren, dass die Kanzlerin ihn während der Sitzung zu sich in den Saal ruft. "Die Leuchttafel in unserem Raum sieht so aus wie eine Fußball-Anzeigetafel im Stadion, mit einer Lampe neben dem jeweiligen Mitgliedsstaat."

Hausausweis des Europäischen Rates mit dem Foto Georg Felsheims (Foto: DW/Henn)
Überall Zutritt dank der roten KarteBild: DW/ Henn

Wenn jemand aus der Gruppe kurz heraus gerufen wird und deshalb Teile der Unterrichtung verpasst, darf er nachher selbstverständlich bei den anderen nachfragen. "Die Antici-Gruppe zeichnet sich durch ein sehr hohes Maß an Kollegialität und Vertrautheit miteinander aus", sagt Felsheim, "da hilft man einander gern."

Warum eigentlich der Name "Antici"?

Seit nunmehr 35 Jahren gibt es die Antici-Gruppe in Brüssel. Die Frage nach der Herkunft des Begriffs musste Georg Felsheim schon unzählige Male beantworten. "Es ist ein Eigenname, der zurückgeht auf den italienischen Botschafter Paolo Massimo Antici. Er hat während der italienischen Ratspräsidentschaft 1975 die Gruppe ins Leben gerufen."

Heute setzt sich die Gruppe recht gleichmäßig zusammen aus Männern und Frauen. Auch die Frauen heißen "Antici", weil es ein Eigenname ist; ausgesprochen wird er "An-Tietschi". Das Beste am Job? "Der enge Kontakt mit meinen Kollegen aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union." Aus Brüsseler Diplomatenkreisen sind die Anticis längst nicht mehr wegzudenken. Allerdings trifft man sie nur fernab der Kameras und Mikrofone, wie Georg Felsheim durchaus zufrieden feststellt: "Wir wirken eher hinter den Kulissen."

Autorin: Susanne Henn

Redaktion: Andreas Noll